Vernachlässigtes Potenzial Wo bleibt eigentlich das S in ESG?

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Angesichts der hohen Bau- und Herstellungskosten für Neubauimmobilien rechnen sich Investments mit einer Deckelung auf diesem Niveau nicht. Daher gibt es in Deutschland unterschiedliche Fördermodelle, die diesen Nachteil kompensieren. Geld gibt es vom Bund, von den Ländern und von den Kommunen. Teilweise können die Modelle auch miteinander kombiniert werden. In der Praxis müssen Investoren prüfen, welche Fördermöglichkeiten es an einem bestimmten Standort gibt und ob sich eine Inanspruchnahme für sie rechnet. Diese Prüfung bedeutet einen gewissen Aufwand, den die Investoren auf sich nehmen müssen. Die Fördermodelle sehen verschiedene Mechanismen vor, die die Renditenachteile des Geförderten Wohnens ausgleichen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Baukostenzuschüsse, Tilgungszuschüsse, Mietaufstockungen oder zinsgünstige Darlehen.

Vier verschiedene Förderinstrumente

  1. Die Baukostenzuschüsse funktionieren wie folgt: Der Investor bekommt beispielsweise 300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche von der öffentlichen Hand. Bei einer Wohnung, die 50 Quadratmeter groß ist, sind das beispielsweise 15.000 Euro. Auf diese Weise werden die Baukosten anteilig gegenfinanziert, so dass mit der Wohnung noch eine akzeptable Rendite erreicht werden kann.
  2. Eine andere Möglichkeit der Förderung sind Tilgungszuschüsse. Dies bedeutet, dass der Investor einen Teil des Fremdkapitals nicht mehr zurückzahlen muss. Wenn er beispielsweise einen Kredit in Höhe von 100.000 Euro aufnimmt, um eine oder mehrere geförderte Wohnungen zu kaufen, dann muss er nur 80 Prozent der Darlehenssumme zurückzahlen. Der Zuschuss beträgt also hier 20.000 Euro.
  3. Daneben gibt es unterschiedliche Modelle des Mietzuschusses, die beispielsweise in Bayern Anwendung finden. In der Praxis zahlt der Mieter hier beispielsweise eine Miete von neun oder zehn Euro pro Quadratmeter und Monat kalt. Da diese Miete aus Sicht des Investors nicht kostendeckend ist, gibt es Mietzuschüsse von beispielsweise weiteren zwei Euro pro Quadratmeter von der öffentlichen Hand.
  4. Das vierte Element sind zinsgünstige Darlehen. Hier erhalten Investoren von der öffentlichen Hand Darlehen, deren Verzinsung niedriger ist als bei Krediten zu Marktkonditionen. Allerdings haben die zinsgünstigen Darlehen an Bedeutung verloren. Der Grund dafür ist das Niedrigzinsumfeld, das die Vorteile dieses Instruments weitgehend wegfallen lässt.

Rendite nur leicht niedriger

Trotz der beschriebenen Ausgleichsmechanismen ist die Rendite von gefördertem Wohnungsbau leicht niedriger als bei frei finanziertem Wohnraum. Allerdings ist der Unterschied gering. Die Nettoanfangsrendite liegt im Durchschnitt um 0,25 Prozentpunkte niedriger als bei frei finanzierten Wohnungen. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Fonds kauft ein größeres Neubauprojekt mit Mietwohnungen an. Davon sind 30 Prozent geförderte Wohnungen und 70 Prozent frei vermietet. Der größere, freie Teil erreicht dann eine Anfangsrendite von 4,0 Prozent, der geförderte Teil 3,75 Prozent.


Viele institutionelle Investoren nehmen diese geringere Rendite gerne in Kauf, da sie so eine große Vermietungssicherheit erreichen. Das Segment der geringen Mieten ist – im Unterschied beispielsweise zum hochpreisigen Segment – weitgehend konjunkturunabhängig und krisenresistent. Oft kommt ein Teil der Mieten aus staatlichen Leistungen und ist damit den Wirtschaftszyklen entzogen. In der Praxis findet geförderter Wohnungsbau selten isoliert statt. Vielmehr ist er in der Regel Teil einer größeren Entwicklung und die Kommune macht es Bauunternehmen bei größeren Projekten zur Auflage, einen bestimmten Anteil an gefördertem Wohnen zu erbauen. Oft sind es zwischen 25 und 35 Prozent der Wohnungen.

Das Ziel der Politik: Sie will eine gesellschaftliche Verknüpfung unterschiedlichster Mieterschichten erreichen und gut durchmischte Quartiere realisiert sehen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Wohnimmobilienfonds beide Teile für ihre Portfolios ankaufen.

Fazit: Es gibt viele Ansätze soziale Kriterien bei Immobilienfonds zu berücksichtigen. Die Ideen reichen von Kitafonds bis hin zu Bürofonds, die ihre Mieter selektiver auswählen. Betrachtet man jedoch den tatsächlichen Bedarf und die derzeitige politische Debatte wird deutlich, dass Immobilienfonds, die in gefördertes Wohnen investieren, einer der wichtigsten Ansatzpunkte sind.


Über den Autor:
Arnaud Ahlborn ist seit Juli 2019 einer von zwei Geschäftsführern der Industria Wohnen. In dieser Funktion verantwortet er die Bereiche Ankauf, Portfoliomanagement, Beteiligungen, Technisches Immobilien-Management und Marketing. Ins Unternehmen kam er im April 2008 und begann als Fondsmanager und technischer Mitarbeiter. Ahlborn ist Diplom-Ingenieur für Architektur. Zu seinen früheren Stationen zählen das Architekturbüro TSB – Tichelmann Simon Barillas Ingenieurgesellschaft in Darmstadt und die Technische Universität Darmstadt, wo er wissenschaftlicher Mitarbeiter war.

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