Steht 2024 im Zeichen der Bullen? Oder der Bären? Das kommt darauf an, wen man fragt. Institutionelle Investoren blicken in den kommenden Monaten jedenfalls gespalten auf die Märkte. Das ist das Ergebnis der „Global Survey of Institutional Investors“, für die Natixis IM 500 institutionelle Anleger befragte, die zusammen 23,2 Billionen US-Dollar für öffentliche und private Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen und Staatsfonds in aller Welt verwalten.
Die Uneinigkeit zieht sich durch viele Themenbereiche der Investmentwelt – von Inflation über den Blick auf Aktien bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick.
Geopolitische Spannungen als das neue Hauptwirtschaftsrisiko
Der Krieg in der Ukraine währt nun seit 21 Monaten, im Nahen Osten nehmen die Spannungen zu: 54 Prozent der institutionellen Anleger in den USA haben geopolitische Ereignisse als das Hauptwirtschaftsrisiko für das kommende Jahr identifiziert. Diese Wahrnehmung unterstreicht einen Wandel in der Risikobewertung, weg von traditionellen Bedenken wie Zinsfluktuationen und Inflation.
Vor allem die geopolitischen Ambitionen Chinas werden von vielen Anlegern als potenzieller Faktor für globale Spaltungen angesehen. „Die Geopolitik ist definitiv auch in den Portfolios der institutionellen Anleger angekommen. 64 Prozent glauben, dass Chinas geopolitische Ambitionen die Welt in zwei Einflußsphären trennen wird“, sagt Patrick Sobotta, Geschäftsführer und Leiter der Region Zentral- und Osteuropa Natixis IM. „Und 40 Prozent geben an, Investitionen in China abzubauen.“
Die größten wirtschaftlichen Bedrohungen für 2024 sind der Umfrage zufolge
- Geopolitische Unruheherde (49 Prozent)
- Rückläufige Konsumausgaben (48 Prozent)
- Politische Fehler der Zentralbanken (42 Prozent)
- Chinesische Wirtschaft (30 Prozent)
- Beziehungen zu China (28 Prozent)
Und ein weiteres Event wirft seine Schatten voraus, mit noch nicht abzusehenden Folgen für die Kapitalmärkte: die US-Wahl 2024. 72 Prozent weltweit und 79 Prozent in Nordamerika glauben, dass ein chaotischer US-Wahlkampf zu erhöhter Marktvolatilität führen könnte. Weiterhin gibt es Bedenken, dass Zweifel an den Wahlergebnissen die Märkte negativ beeinflussen könnten. 54 Prozent der Institute weltweit und 64 Prozent in Nordamerika sind der Ansicht, dass die US-Wahl 2024 für die globalen Märkte wichtiger ist als in den Vorjahren. Zudem empfinden viele Anleger die politische Zerrissenheit in Washington als alarmierend und fürchten, dass diese zu einem Ausfall der Staatsverschuldung führen könnte.
Uneinigkeit über die Wahrscheinlichkeit einer Rezession
Kommt sie oder nicht? Seit Monaten rechnen Volkswirte mit einer Rezession. Doch bislang blieb der große Clash aus. Dementsprechend sind auch die Einschätzungen einer möglichen Rezession im Jahr 2024 unter den Finanzinstituten geteilt. Während die Mehrheit (51 Prozent) nach wie vor der Ansicht ist, dass eine Rezession unvermeidlich ist, zeigt sich auch ein zunehmender Optimismus, dass diese vermieden werden könnte. 37 Prozent der Befragten - ein deutlicher Anstieg gegenüber 15 Prozent im Vorjahr - glauben nun an diese Möglichkeit.
Obwohl der Großteil der Investoren also von einer Rezession ausgeht, scheinen nur wenige ihre Anlagestrategie darauf ausgerichtet zu haben: Lediglich 8 Prozent sagen, ihre Portfolios seien rezessionssicher. Ein interessanter Unterschied: Investoren in der Emea-Region scheinen vorsichtiger zu agieren. Während sich in Übersee nur 6 Prozent vor den Folgen einer Rezession gefeit fühlen, sind es hier 12 Prozent. 44 Prozent erklären jedoch, einen „gewissen Rezessionsschutz“ in ihre Portfolios eingebaut zu haben.
Inflation: Ein ungewisses Zukunftsbild
Geteilt blicken die Befragten auch auf die Inflation im Jahr 2024. 40 Prozent erwarten ein anhaltend hohes Inflationsniveau, während ein gleich großer Anteil einen Rückgang prognostiziert. Die Inflation bleibt somit ein zentrales Thema für Anleger, da sie direkte Auswirkungen auf die Kaufkraft, Zinssätze und letztendlich auf die Rentabilität von Investitionen hat. So glauben etwa 46 Prozent der Befragten, dass die Immobilienpreise aufgrund der gestiegenen Hypothekenzinsen weiter sinken werden.
Anleihen, Private Equity und Private Debt bevorzugt
Dieses Weltbild wirkt sich auch auf die Asset Allokation aus. Die Einstellungen zum Aktienmarkt zeigen eine deutliche Polarisierung. 54 Prozent der Anleger sind bearish eingestellt, was auf Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Aussichten hindeutet. Dem gegenüber stehen 46 Prozent, die nach wie vor bullish auf Aktien blicken.
57 Prozent der Befragten erwarten, dass internationale Märkte besser abschneiden werden als die amerikanischen. Ansonsten tendieren Anleger dazu, regional zu investieren: In Nordamerika bevorzugen 41 Prozent US-Aktien, in Asien 57 Prozent APAC-Titel, in Europa 39 Prozent europäische Aktien und in Lateinamerika 50 Prozent regionale Aktien. Es wird weiterhin erwartet, dass Large Caps, die 2023 eine Outperformance zeigten, auch 2024 dominieren werden.
Top-Portfolio-Risiken für 2024 sind der Studie zufolge:
- Zinssätze (62 Prozent)
- Inflation (61 Prozent)
- Marktvolatilität (45 Prozent)
- Bewertungen (34 Prozent)
- Liquidität (25 Prozent)
Insgesamt zeigen die Marktprognosen für 2024, dass institutionelle Anleger nur für drei Anlageklassen optimistisch sind:
- Da die Zinserhöhungen ihr vorläufiges Ende gefunden zu haben scheinen, sind sieben von zehn (69 Prozent) und 74 Prozent der Anleger in der Emea-Region optimistisch, was die Aussichten für Anleihen im Jahr 2024 angeht.
- Private Assets behalten ihren Glanz: 64 Prozent sind optimistisch für Private Equity
- Auch für private Schuldtitel (Private Debt) sind 60 Prozent optimistisch.
„Mehr als ein Drittel der befragten Institutionen weltweit (34,5 Prozent) wollen ihre Allokation in Private Equity erhöhen; in Private Debt sogar 39 Prozent. Doch es ist nicht die Renditeerwartung allein, die den Appetit auf Private Assets hochhält: Nahezu die Hälfte der Investoren sehen in ihnen auch einen sicheren Hafen während einer Rezession", erklärt Sobotta.
Beste Anlagemöglichkeiten für Private Assets sind der Studie zufolge
- Datenzentren (52 Prozent)
- Senioren/Betreutes Wohnen (40 Prozent)
- Biowissenschaften (29 Prozent)
- Erschwinglicher Wohnraum (26 Prozent)
- Studentisches Wohnen (24 Prozent)
Künstliche Intelligenz bleibt attraktiv
Und natürlich darf auch das Mega-Thema 2023 nicht fehlen: Künstliche Intelligenz. 75 Prozent der institutionellen Anleger sehen in KI eine potenzielle Investitionsmöglichkeit. Diese Zahlen verdeutlichen das wachsende Interesse an technologischen Fortschritten und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Gleichzeitig besteht jedoch die Sorge, dass die Entwicklung der KI geopolitische und wirtschaftliche Turbulenzen verursachen könnte. So befürchten 81 Prozent, dass es für jedes Land schwierig sein wird, KI wirksam zu regulieren. Allerdings sind 61 Prozent der Meinung, dass die Chancen größer sind als die Risiken. So glauben beinahe zwei Drittel, dass sie mithilfe von KI nicht nur unentdeckte Chancen, sondern auch versteckte Risiken im Portfolio aufdecken können. In Anerkennung der analytischen Möglichkeiten der KI geben 54 Prozent der Befragten an, dass sie den Einsatz von KI verstärken werden.
Apropros Chancen: Der Großteil der Investoren sagt voraus, dass Künstliche Intelligenz das Tech-Wachstum im Jahr 2024 ankurbeln wird. Lediglich 35 Prozent sind über eine KI-Blase besorgt.
Aktives Management bleibt Nummer eins
Zwar ist die wachsende Bedeutung der ETFs auch an institutionellen Investoren nicht vorüber gegangen - 64 Prozent investieren in passive Strategien -, aktiv gemanagte Fonds sind aber nach wie vor der Goldstandard. Das zeigt die „Global Survey of Institutional Investors“. Demnach sind zwei Drittel des institutionellen Vermögens in aktive Strategien investiert, und ebenso zwei Drittel der Befragten geben an, dass ihre aktiven Anlagen die passiven Anlagen übertrafen.
Abgesehen von der Wertentwicklung blicken viele der Investoren aus anderen Gründen skeptisch auf passive Anlagen. 59 Prozent glauben, dass sie Systemrisiken erhöhen, wobei 66 Prozent befürchten, dass starke Bewegungen bei Zu- und Abflüssen die Marktvolatilität verschärfen.