Marktgespräch ... mit Ariane de Rothschild „Nachhaltigkeitsversprechen müssen sich an großen Zielen messen lassen“

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ESG und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Es scheint, dass ohne ESG-Siegel und Nachhaltigkeitsversprechen im Wealth Management nichts mehr geht. Wenn der Kunde sagt, dass ESG und nachhaltiges Verhalten nicht nur ein Produktkodex, sondern vor allem ein Verhaltenskodex meiner Berater sind ...

de Rothschild: ... würde ich antworten, oh ja! Nachhaltiges Verhalten bedeutet, bei Entscheidungen in der Gegenwart auch die Verantwortung für die Zukunft zu berücksichtigen. Dies sollte natürlich auch immer eine Selbstverpflichtung und Engagement von Person und Institution sein. Jedes nicht nachhaltige Verhalten, ob von einer Person oder Institution, ist fatalistisch. Nachhaltigkeit heißt für mich, Erhalt und Entwicklung durch Verantwortung, seit Generationen für Generationen. Dieser Fokus steht schon lange bei allen unseren Rothschild-Stiftungen im Mittelpunkt. Nachhaltigkeitsversprechen müssen sich an großen Zielen messen lassen. Nachhaltigkeit ist immer in einem globalen, nicht nur regionalen oder nationalen Kontext zu verstehen. The only way is the sustainable way.

Die qualitative und rentable Vermögensallokation im Niedrigzinsumfeld ist auch für vermögende Kunden herausfordernd. Wenn ein Institut sagt, dass Real Assets wie Wein, Käse und Parfüm sich nicht als Anlagealternativen eignen...

de Rothschild: ... würde ich das deutsche Sprichwort „Schuster bleib‘ bei deinen Leisten“ anführen. Es ist richtig, dass eine professionelle Investmentstrategie entsprechendes Know-how benötigt. Komplexe Kulturgüter sind besondere Assets und benötigen ein gehobenes Maß an Expertise, welches rar gesät ist. Deshalb würde ich auch niemandem empfehlen, sich unbedacht an dieser Anlageklasse auszuprobieren. Aber wenn man es doch tut und viel Zeit, Lernen und Liebe investiert, wird man vielfältig belohnt. Obwohl ich durch meinen beruflichen Werdegang eng mit den klassischen Finanzmärkten verbunden bin, gibt es keine Anlageklasse die den Namen „Wealth & Suistainability“ so sehr verdienen würde, wie eine Weinrebe, ein Käse dessen Herstellungen über Generationen verfeinert wurde oder die Entstehung eines Parfüms als natürliche Komposition von Blütenessenzen. Unser Kapitalmarkt basiert zu Recht auf den verschiedensten Anlageklassen. Geschichten von menschlichem, verantwortungsvollem Tun im Zusammenspiel von Natur, Handwerk und Kultur können jedoch nur die wenigsten erzählen. Durch unsere Engagements und Unternehmen in diesem Marktsegment wissen wir, dass besagter Wein, Käse oder ein besonderes Parfüm das können. Sowohl emotional als auch rational als werthaltige Anlage. Real Passion for Real Assets.


Der Eindruck entsteht, dass sich die Wealth- und Asset-Management-Angebote in Deutschland und der Schweiz weiter angleichen, die Bedürfnisse von privaten und institutionellen Kunden jedoch stärker individualisieren. Wenn ein Institut sagt, man müsse im Sinne der Homogenisierung das Produkt- und Dienstleistungsangebot vereinheitlichen, um es transparenter zu machen….

de Rothschild: …würde ich antworten, dass Transparenz notwendig ist, jedoch bei Wealth- oder Asset-Management-Dienstleistungen der Mehrwert für den Kunden, ob privat oder institutionell, im Mittelpunkt steht. Es ist dann sinnvoll, Anlagestrategien zu homogenisieren und Pragmatismus im Sinne der Effizienz und Rentabilität walten zu lassen, wenn regional oder anlegerspezifisch die gleiche Investmentstrategie Vorteile bietet. Ein gutes Anlageprodukt, eine erfolgreiche Anlagestrategie kann gleichermaßen für einen Kunden in Zürich und in Frankfurt erfolgreich sein. Nur aus Dogmatismus einem Produkt einen bestimmten, regionalen oder national Anstrich zu geben, ist ineffizient. Wichtig ist indes regionale und nationale Besonderheiten zu verstehen und diese im Sinne der Kunden umzusetzen. Gründe dafür können zum Beispiel Unterschiede in der Präferenz für die Anlageklassen, verschiedene regulatorischer Anforderungen oder der Umstand bestimmter Gesellschaftsstrukturen oder -zwecke sein. Weder eine sinvolle Standardisierung, noch eine zielgerichtete Individualisierung dürfen ein Tabu sein; der Nutzen und das Interesse des Kunden sind das Maß aller Dinge. If it’s good, just do it.


Über die Interviewte:

Ariane de Rothschild vertritt bei der Privatbank Edmond de Rothschild seit mehr als 13 Jahren die Interessen der Gründerfamilie. Seit 2015 ist sie Verwaltungsratspräsidentin des Genfer Instituts, das Kundengelder in Höhe von über 150 Milliarden Euro verwaltet. 2019 entschloss sich die Familie die Aktien von der Börse zu nehmen und sich damit stärker aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.

Über den Interviewenden:
Dr. Dražen Mario Odak ist Co-Mehrheitsgesellschafter und Vorstand der Stephan Unternehmens- und Personalberatung. Der Fokus des Unternehmens aus Bad Homburg liegt auf dem Private Banking/Wealth Management, Familienunternehmen, Family Office, Asset Management, Industrie und Immobilienwirtschaft. Alle zwei Jahre veröffentlicht er zusammen mit Peter Hannemann die Wealth-Management-Marktstudie.

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