Marktgespräch ... mit Ariane de Rothschild „Nachhaltigkeitsversprechen müssen sich an großen Zielen messen lassen“

Ariane de Rothschild von der Genfer Privatbank Edmond de Rothschild

Ariane de Rothschild von der Genfer Privatbank Edmond de Rothschild: Die Verwaltungsratspräsidentin spricht im Interview Foto: Edmond de Rothschild Group

Die Fragen stellt Dražen Mario Odak, Studienautor der jüngsten PWM-Marktstudie der Stephan Unternehmens- und Personalberatung.

Sowohl in Führungspositionen als auch in der Kundenberatung sind Frauen in der Wealth- und Asset-Management-Branche unterrepräsentiert. Wenn der Kunde sich aber explizit eine „weiblichere Herangehensweise“ bei Anlageentscheidungen wünscht ...

Ariane de Rothschild: ... ist das eine kluge Entscheidung des Kunden. Dabei muss eine weiblichere Herangehensweise nicht zwingend nur von Frauen gewählt werden. Maßgeblich dabei ist es, die eigene Kompetenz, gepaart mit Empathie, für den Kunden und im Sinne der Kundenbedürfnisse einzusetzen. Charakteristisch für eine weiblichere Herangehensweise wäre, dass diese weniger auf einer vorgefassten Meinung beruht und dafür lösungsorientierter ist.

Die Digitalisierung hat die Wealth- und Asset-Management-Branche verändert. Wenn Marktteilnehmer sagen, dass die zunehmende Digitalisierung lediglich ein teurer Trend sei, den man aussitzen solle, um Geld zu sparen...

de Rothschild: ... könnte sich ein solches Aussitzen als ein sehr, sehr langer und teurer Trend erweisen. Das zielgerichtete und professionelle Investieren in Hochtechnologie und die Nutzung der neuartigsten Digitalisierungs-Tools im Wealth und Asset Management sollte eine Kernkompetenz und relevanter Teil der Dienstleistung sein. Natürlich ist die vernünftige und zielgerichtete Nutzung von digitalen Tools wichtig. Digitalisierung ist nicht darauf beschränkt das Notebook einzuschalten, sondern immer auch den eigenen Kopf. Sie ist Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Power is nothing without control.

Dienstleistung ist die Person hinter den Diensten. Soziale Veränderung und zunehmende Toleranz haben das Bild und Eigenbild der Wealth- und Asset-Management-Berater in Bezug auf Werte und Haltungen in den vergangenen Jahren verändert. Wenn Mitarbeiter sagen, dass „Diversity“ heutzutage das neue Normal ist ...

de Rothschild: ... würde ich hinzufügen, dass die Frage nach „Diversity“ keine Frage ist, sondern die einzige valide Antwort. Divers zu sein heißt Mensch zu sein. Diversität ist der natürlichste Zustand der Menschheit überhaupt und die Basis für deren Fortbestand. Es ist vor allem eine moralische Pflicht jedes Einzelnen, Minderheiten Brücken in die Mitte einer Gesellschaft zu bauen. Die positive Kraft der kulturellen, ethnischen, religiösen und individuellen Diversität zu nutzen bedeutet, uns vor zerstörender Intoleranz zu schützen. Jeder sollte bei dem Thema auf sich selbst schauen und die eigene Diversität zum Wohle des Ganzen einbringen. Ich zum Beispiel habe deutsch-französische Wurzeln, bin in Südamerika geboren, in Afrika und Asien aufgewachsen und habe in New York als Frau im Finanzwesen Karriere gemacht. Ich war gefühlt von Kindesbein an aufgrund meiner Herkunft, Religion und Geschlechts divers – immer und überall.


Das Homeoffice hat als Folge der Corona-Krise massiv an Bedeutung gewonnen. Wenn Mitarbeiter sagen, dass sie auch in Zukunft mehr im Homeoffice arbeiten möchten ...

de Rothschild: ... würde ich das grundsätzlich gutheißen. Man muss jedoch immer die spezifische Tätigkeit und die individuellen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Manche Aufgaben und Themen sind eher für das Homeoffice geeignet als andere – aus praktischen, regulatorischen, funktionalen oder familiären Gründen. Gerade die familiären Aspekte kommen in der Diskussion häufig zu kurz. Bei aller Flexibilität durch das Homeoffice, sollte man die immense Last, die dadurch bei Familien entstehen kann, bei jeder Modellrechnung miteinbeziehen und minimieren. Homeoffice ist also keine Entscheidung, des „nur ja“ oder „nur nein“.  Entsprechende Lösungen sind eine Facette der modernen, flexiblen Arbeitswelt, die man ausgewogen, fair und individuell umsetzen sollte. Außerdem sollte darin auch eine Chance gesehen werden ökologische und städtebauliche Themen miteinzubinden. Der kleinere ökologische Fußabdruck und weniger Verkehr in den Städten sind nur zwei Punkte, die noch viel mehr in eine solche Diskussion hineingehören und die wir im Übrigen auch bei Investmententscheidungen mitberücksichtigen sollten.