Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk Trump oder Biden: Schicksalswahl für Deutschland

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Abflachung des US-Wachstums – die „Wurzel-Formation“ 

Die Wurzelformation beschreibt eine schnelle V-förmige Erholung der Wirtschaft, die von einer längeren Stagnationsphase abgelöst wird. Die Daten zur Industrie und zum Arbeitsmarkt in dieser Woche signalisieren, dass die US-Wirtschaft im August tatsächlich in eine Stagnation übergegangen sein könnte, wie auch die Auftragseingänge zeigen dürften.

Der Konsum im Juli wurde noch von den staatlichen Einkommenshilfen befeuert, die aber im August signifikant gekürzt wurden, da sich die Republikaner und die Demokraten auf kein neues Hilfspaket einigen konnten. Dementsprechend könnte auch das Konsumentenvertrauen einen Rücksetzer erlitten haben. Der Konjunkturausblick für die USA ist somit immer noch maßgeblich von staatlichen Finanzhilfen abhängig.

Ein Lichtblick ist der Wohnimmobilienmarkt mit sehr starken Zahlen in dieser und voraussichtlich auch in der kommenden Woche; das dürften die Neubauverkäufe zeigen. Die privaten Haushalte reagieren auf die historisch niedrigen Hypothekenzinsen mit einer steigenden Nachfrage. Die dynamische Aktivität am Wohnimmobilienmarkt zeigt: Sobald das staatliche Geld wieder fließt, ist die Bereitschaft der Konsumenten hoch, das Geld auch auszugeben.

Anhaltend dynamisches Wachstum in Asien – die „V-Formation“ 

In Asien gibt es derzeit keine Anzeichen für eine Abflachung des Wachstums. Robuste koreanische Exporte und robuste Exportaufträge in Taiwan haben dieses Bild in dieser Woche untermauert. Nur Japan scheint sich nach wie vor sehr schwer zu tun, die Rezession zu überwinden.

Die zweite Infektionswelle scheint die japanischen Haushalte zu einer sehr großen Vorsicht bewegt zu haben – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Konsum. Dennoch lassen sich aus makroökonomischer Sicht kaum Gründe für die anhaltende Konjunkturschwäche in Japan finden.

Europa: Aufschwung zwischen „V“ und „Wurzel“

Die zweite Infektionswelle in Europa dämpft auch hier das Tempo des Aufschwungs. Er dürfte trotzdem intakt bleiben, da größere Lockdowns wahrscheinlich ausbleiben. Der ifo-Index sowie der Geschäftsklima-index der Europäischen Kommission sollten sich daher weiter verbessert haben.

Die Konjunkturdynamik in Europa ist vor diesem Hintergrund derzeit also etwas besser als in den USA. In Europa fließen die staatlichen Hilfen merklich stetiger als in den USA, und auch Kredite sind in Europa deutlich besser verfügbar, wie die Kreditdaten aus der Eurozone zeigen dürften, die am Donnerstag veröffentlicht werden.   

 


Über den Autor:
Edgar Walk ist Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management. Für die Privatbank ist er bereits seit 20 Jahren tätig.

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