Julius-Bär-Deutschlandchef im Gespräch „Für Kunden und Berater sind das Entloyalisierungsprogramme“

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Man bekommt vermehrt den Eindruck, dass der Erfolg von Private-Banking-Geschäftsmodellen letztlich im Kostenmanagement entschieden wird.

Schlag: Auch das gehört dazu. Uns ist es glücklicherweise gelungen, die Marktfolgebereiche schlank aufzustellen. Von den knapp 200 Mitarbeitern der Julius Bär Europe stehen zwei Drittel im direkten Kundenkontakt. Lediglich ein Drittel hat gänzlich administrative Aufgaben. Ohne schlanke Prozesse wäre diese Relation nicht möglich.

Nochmal zu den schlanken Strukturen. Die Kundengelder von Julius Bär Europe verteilen sich auf Advisory- und Vermögensverwaltungsgeschäft 40 zu 60. Soll die Wertpapierberatung die Kunden lediglich binden oder verdient man damit trotz Mifid II Geld?

Schlag: Mifid II ist eine Regulierungsinitiative auf europäischer Ebene, die ein sehr hehres Ziel verfolgt, nämlich den Anlegerschutz durch mehr Transparenz zu verbessern. In der Umsetzung ist sie aber ein Regulierungsmonster –  das kann man nicht schönreden. Das Beratungsgeschäft werden wir trotzdem nicht einstellen. Dieses ist in unserer DNA fest verankert. Wir wissen, dass unsere Kunden das Beratungsgeschäft auch weiterhin nachfragen. Jetzt ist es an uns, die Dienstleistung im Rahmen der gesetzlichen Leitplanken praktikabel umzusetzen. Unser Vorteil ist auch hier wieder unsere Fokussierung. Sie hilft uns die internen Strukturen so zu organisieren, dass es noch beherrschbar für Betreuer und Kunden bleibt. Das ist kein Spaß und ist mit hohem Aufwand und Kosten verbunden.

Aber kann man damit auch Ertrag erzielen?

Schlag: Das geht. Letztlich muss sich jede Einzelkundenverbindung rechnen. Mit vielen kleinen Mandanten geht das kaum. Sie müssen sich auf die entsprechenden Größenordnungen konzentrieren. So traurig das ist, aber dadurch ist die Wertpapierberatung in gewisser Weise zum Luxusprodukt geworden.

Die Frage ist ja, welche Produktvielfalt, auch bei Einzeltiteln, man im Advisory kaufmännisch darstellen kann. Bei einigen Aktien- und Rentensegmenten wird auch Julius Bär passen müssen, oder?

Schlag: Unser Angebot ist schon recht umfassend – die Gründe dafür sind die Größe der Julius-Bär-Gruppe und die Tatsache, dass wir seit jeher im Bereich der Einzeltitelberatung zuhause sind. Das ist letztlich unsere Kerndisziplin, und da haben wir auch entsprechend komparative Vorteile. Aber auch hier gilt das Unternehmerische: Wenn wir in einem Bereich entsprechende Marktchance absehen können und sich eine Investition lohnt, dann erweitern wir unser entsprechendes Sortiment. Das gilt sowohl für das Research-Universum als auch generell für die Dienstleistungspalette. Anfangs haben wir in Deutschland auf das Wealth-Planning-Angebot des Mutterhauses zurückgegriffen. Damit inbegriffen waren Finanzplanung, Finanzstrukturierung, Erbschafts- und Stiftungsberatung. Heute decken wir all diese Dienstleistungen mit Kolleginnen und Kollegen in Deutschland ab und haben zudem auch das Effektenlombard- und Hypothekarkreditgeschäft aufgebaut.

Und neuerdings auch das Thema Family Office.

Schlag: Genau, seit rund einem halben Jahr. Dazu gehören die strategische Vermögensberatung sowie das Vermögensreporting und -controlling. Ich kann nur wiederholen: Wenn wir zukunftsweisende Marktpotenziale sehen, dann investieren wir und gehen in die Realisierung; teilweise in relativ kurzer Zeit. Bleiben wir bei dem Beispiel der Family-Office-Dienstleistungen: Diese haben wir innerhalb von wenigen Monaten aufgebaut.

Künftig wird aus Julius Bär Europe die Marke Julius Bär Deutschland. Einfach, weil es klarer für den Kunden ist?

Schlag: Das ist der schlichte Grund. Mitte dieses Jahres werden wir umfirmieren.


Über den Interviewten:
Heiko Schlag übernahm 2011 bei Julius Bär Europe als Vorstandsvorsitzender das Ruder. 2013 kam das EU-Custody-Geschäft von Merrill Lynch hinzu, dass jüngst nach Luxemburg verlagert wurde. Vor seiner Julius-Bär-Zeit war der 54-Jährige knapp 20 Jahre im Private Banking der Hypovereinsbank tätig.

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