Julius-Bär-Deutschlandchef im Gespräch „Für Kunden und Berater sind das Entloyalisierungsprogramme“

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Dabei dürften die zahlreichen Neueinstellungen und die Standorteröffnung in Hannover kostspielig sein.

Schlag: Wir sind definitiv nicht im deutschen Markt angetreten, um Niederlassungen zu sammeln. Stattdessen haben wir eine unternehmerische und vorsichtig kalkulierte Zellteilung vorgenommen. Wenn am 1. Juli die Niederlassung in Hannover ihre Türen öffnet, sind wir dort vom ersten Tag an profitabel. Unsere Kollegen in Hannover haben zunächst am Hamburger Standort gearbeitet. Die damals vier neuen Mitarbeiter konnten so in die Julius-Bär-Welt eintauchen, unsere Kundenlösungen kennenlernen und haben von Hamburg aus den Großraum Hannover betreut. Die vier Kollegen sind im Durchschnitt weniger als ein Jahr bei uns, haben aber in der Zeit mehr als 300 Millionen Euro an Kundenvermögen in Niedersachsen gewonnen. Wir setzen erst das A vor dem B, gewinnen Kunden, bauen eine Asset-Basis auf und generieren Erträge, bevor wir eine Niederlassung eröffnen.

Insgesamt haben Sie die Betreuermannschaft in den vergangenen Jahren von 40 auf bald 80 Mitarbeiter ausgebaut. Julius Bär wird teilweise als aggressiver Marktteilnehmer wahrgenommen, der mit hohen Gehältern winkt.

Schlag: Man macht es sich zu leicht, wenn man sagt, Julius Bär zahlt ein höheres Gehalt und holt darüber die Berater an Bord. Es stimmt auch nicht. Vielmehr müssen doch zwei Faktoren zusammenkommen, der Push- und der Pull-Effekt. Verändern sich die Rahmenbedingungen beim aktuellen Arbeitgeber und ein Betreuer fühlt sich nicht mehr wohl, zeigt er sich wechselbereit. Der Pull-Effekt betrifft uns. Als ich 2011 bei Julius Bär anfing, haben sich viele abwartend verhalten. Man stellte in Frage, ob die Bank am deutschen Markt langfristig Erfolg haben wird. Zudem sprechen alte Kollegen miteinander. So erhalten Interessierte aus erster Hand Informationen über unser Haus, erfahren, dass der Kunde im Mittelpunkt steht und unsere Berater entsprechend beteiligt werden.

Anhand der Kundenzufriedenheit?

Schlag: Genau. Denn die Kundenzufriedenheit und Weiterempfehlungen bilden die Grundlage für den Erfolg des Beraters. So unterliegt der Bonus einem klaren Modell, bei dem jeder nachvollziehen kann, wie eine Leistung honoriert wird. Diese Gesamtkomposition aus einer ehrlichen, nachhaltigen Strategie resultiert dann irgendwann zum besagten Pull-Faktor.

Wann kommt das große Aussieben?

Schlag: Gar nicht. Die Einstellungsgespräche führe ich alle persönlich und wir nehmen uns viel Zeit für den Einstellungsprozess. Wenn wir dann jemanden an Bord nehmen, dann stehe ich zu ihm, in guten wie in schlechten Tagen. Dazu betreue ich selbst viel zu lange Kunden, um zu wissen, dass unser Geschäft nicht mathematisch programmierbar ist. Die Berater, die sich uns in den vergangenen Jahren angeschlossen haben, haben mehrheitlich ihre Ziele nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt. Insofern gibt es bei Julius Bär bislang keine Fluktuation.

Sie setzen also auf die Konstanz ihres Teams.

Schlag: Das ist auch ein ganz wichtiger Differenzierungs- und Erfolgsfaktor im Markt. Unser Geschäft lebt vom Vertrauen unserer Kunden. Daher kann ich nicht verstehen, dass in anderen Häuser häufig in Prozessen, Strukturen und Kundensegmenten gedacht wird. Mitunter hat das für Kunden zur Folge, dass sie von links nach rechts, von oben nach unten umsegmentiert werden. Das sind meines Erachtens systematische Entloyalisierungsprogramme für Kunden und für Berater.

Was kann, was muss man anders machen?

Schlag: Es ist heute kein Widerspruch, eine Bank modern aufzustellen und gleichzeitig klassische Private-Banking-Tugenden zu leben. Ich bringe dabei gerne das Begriffspaar High Tech / High Touch zur Sprache. Wir brauchen einen hohen Technikeinsatz, um diese Informationsflut an den Kapitalmärkten, zu strukturieren. Und dann bedarf es High Touch durch Beraterpersönlichkeiten, denen die Kunden mit Überzeugung folgen. Diese Berater haben eine sehr hohe, enge Kontaktfrequenz zu ihren Kunden – ein wichtiger Grundstein für eine wachsende Vertrauensbasis. Wenn Sie diese Nähe mit einer hohen Qualität in der Beratung kombinieren, ist das der Schlüssel zum Erfolg.