Antwort auf US Inflation Reduction Act „Europa hat nur ein kurzes Zeitfenster, um zum Vorreiter für Climate Tech zu werden“

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Antwort auf US Inflation Reduction Act
„Europa hat nur ein kurzes Zeitfenster, um zum Vorreiter für Climate Tech zu werden“
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Danijel Viševic

Danijel Viševic: „Um neue Klimatechnologien schneller einzuführen, muss der Zugang zu Kapital sowie Verfahren für den Schutz des geistigen Eigentums beschleunigt und vereinfacht werden.“ Foto: Privat

Europa hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt und verfügt über viele der weltweit besten Talente, Forschungseinrichtungen und Start-ups im Bereich Climate Tech. Dennoch kämpft die Europäische Union immer noch damit, die richtigen Anreize zu setzen und diese zu vereinfachen. Dabei wird die Transformation hin zum Null-Emissionsziel die globale Verteilung von Wohlstand und Wertschöpfung so stark verändern wie zuletzt die digitale Disruption. Laut Umweltbundesamt haben die deutschen ⁠Treibhausgas⁠- und Luftschadstoff-Emissionen in den Bereichen Straßenverkehr, Strom- und Wärmeerzeugung im Jahr 2020 Kosten in Höhe von mindestens 217 Milliarden Euro verursacht.

China und die USA haben als große Wirtschaftsblöcke die Relevanz der Dekarbonisierung für die Wertschöpfung erkannt. Die USA haben mit dem US Inflation Reduction Act eines der größten Industrieförderprogramme ihrer Geschichte aufgelegt – mit klarem Fokus auf die grüne Transformation. Mindestens 337 Milliarden Dollar sollen unter anderem in die Dekarbonisierung des Energiesektors und der Logistik fließen.

Die ersten europäischen Greentechs wollen bereits abwandern. Und auch China ist gut aufgestellt: Die Volksrepublik hat eine lange Tradition mit einer Kombination aus staatlicher Förderung und einfacher Regulierung, die eigene Wirtschaft bis zur Weltmarktdominanz aufzupäppeln und wendet diese Strategie nun auch systematisch auf grüne Technologien an.

Wie kann die Europäische Union darauf reagieren?

Um neue Klimatechnologien schneller einzuführen, muss der Zugang zu Kapital sowie Verfahren für den Schutz des geistigen Eigentums beschleunigt und vereinfacht werden. Die Finanzierung von Großprojekten wie Batteriefabriken, E-Fuel-Produktionsanlagen oder umweltfreundlichen Zementwerken kann durch staatliche Kreditgarantien erleichtert werden, die Kreditgebern Sicherheit geben, um die Finanzierungslücke vieler Clean-Tech-Projekte zu schließen.

 

 

 

Öffentliche Bürgschaften sind weit verbreitete, äußerst wirksame industriepolitische Instrumente, um riskante Projekte kreditfähig zu machen. Auch die Tech for Net Zero Alliance spricht sich daher dafür aus, existierende Bürgschaftsprogramme der Bundesregierung auf innovative Start-ups auszuweiten, deren Technologien noch nicht die Marktreife erreicht haben, ab der Banken üblicherweise finanzieren.

Noch wichtiger ist allerdings, sicherzustellen, dass die wirkungsvollsten Technologien, die die meisten Emissionen vermeiden können, angemessen finanziert werden. Das Herzstück für einen solchen Marktmechanismus hat die EU schon geschaffen, es muss nur noch konsequent umgesetzt werden: Das EU-Emissionshandelssystem (ETS) wurde 2005 eingeführt und war damals ein Meilenstein. Theoretisch sorgt das Handelssystem dafür, dass sich über den Markt die jeweils günstigste und effizienteste Lösung zur Emissionsminderung durchsetzt – ein wunderbarer Treiber für Innovationen.

In der Praxis sorgten Schlupflöcher dafür, dass große Klimasünder geschont wurden.  Das hat nicht nur den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft verhindert, sondern den Wirtschaftsstandort insgesamt gefährdet. Das Europäische CO2-Grenzausgleichssystem, das seit kurzem schrittweise ausgerollt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung: Er soll verhindern, dass Unternehmen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern, um den Kauf von Emissionszertifikaten zu umgehen.

Es wird ein fairer Preis für die Emissionen festgelegt, die bei der Herstellung von kohlenstoffintensiven Gütern entstehen, die in die EU eingeführt werden. Damit werden Unternehmen außerhalb der EU genauso behandelt wie EU-Unternehmen und Anreize geschaffen, ihre verarbeitende Industrie zu dekarbonisieren. Das sorgt für Fairness und Augenhöhe zwischen EU- und Nicht-EU-Unternehmen und verhindert, dass Klimaschutzziele untergraben werden.

Doch das reicht nicht aus. Im nächsten Schritt sollte die EU-Regulierung transparenter, einfacher und einheitlicher werden. Dazu gehören auch die Vereinfachung und Beschleunigung des Zugangs zu Kapital sowie beschleunigte Verfahren zum Schutz geistigen Eigentums, um eine schnellere Entwicklung und Einführung von Klimatechnologien zu ermöglichen. Was in einem EU-Land funktioniert, um Emissionen einzusparen, muss auch in einem anderen EU-Land sofort eingesetzt werden können.

 

 

 

Europa kann von den USA auch lernen, dass neben der Regulierung auch finanzielle Anreize helfen. In den Vereinigten Staaten gibt es klare sektorale Prioritäten, die das Investitionsvolumen in den einzelnen Sektoren transparent machen. Zudem sind die Regeln und Kriterien für den Zugang zu diesen Finanzmitteln sehr einfach und vor allem für die Investoren klar berechenbar, was langfristige strategische Investitionen ermöglicht. Der Ansatz zahlt sich aus: 45 von 81 der Climate-Tech-Einhörner sind US-Unternehmen, verglichen mit nur 19 beziehungsweise 17 Einhörnern in China und Europa.

Angesichts des globalen Wettbewerbs hat Europa jedoch nur ein kurzes Zeitfenster, um zum weltweiten Vorreiter für Climate Tech zu werden und seine technologische Souveränität zu wahren. Die digitale Revolution wurde aus den USA und China getrieben – noch könnte Europa bei der grünen Disruption unserer Wirtschaft dank Spitzenforschung und exzellenten Unternehmen wieder zur Speerspitze gehören. Entscheidend hierfür ist aber, dass die Politik die Chance nun durch eine einfache, kohärente und kluge Regulierung unterstützt.

Über den Autor:

Danijel Višević ist Gründungspartner des World Fund, einem Anfang 2021 gegründetem Klima-Wagniskapitalfonds. World Fund investiert in Startups, die Klimatechnologien mit großem Emissionseinsparpotenzial entwickeln. Vor dieser Zeit war er unter anderem bei Project A Ventures und war für Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel tätig.

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