Noch wenige Vorreiter Wirkung im Blick: Wie Family Offices Impact Investing integrieren

Eine Schülerin in einer Schule in Ghana: Eine hochwertige Bildung und Geschlechtergerechtigkeit sind zwei der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die mit Impact Investing adressiert werden können.

Eine Schülerin in einer Schule in Ghana: Eine hochwertige Bildung und Geschlechtergerechtigkeit sind zwei der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die mit Impact Investing adressiert werden können. Foto: imago images/phototek

Die Billionengrenze ist überschritten. Auf 1.164 Milliarden US-Dollar schätzt das Global Impact Investing Network (GIIN) in 2022 die Größe des weltweiten Markts für Impact Investing. 2019 waren es noch 502 Milliarden Dollar. Klimanotstand, Gesundheitskrisen und wirtschaftliche Ungleichheit sind exemplarische Herausforderungen, die Impact-Investoren angehen. Ihnen ist klar: Ohne enorme Summen privaten Kapitals wird es nicht möglich sein, diese drängenden globalen Probleme zu meistern.

Hier kommen Family Offices ins Spiel. Sie sind aus mehreren Gründen besonders gut aufgestellt, um als Kapitalgeber im Impact Investing zu fungieren. Erstens haben sie im Vergleich zu vielen anderen institutionellen Anlegern keine strikten Anlagebegrenzungen. Zweitens sind sie in der Regel trotzdem mit dem notwendigen Kapital ausgestattet, um auch an den Privatmärkten zu agieren. Drittens drängt oftmals die jüngere Familiengeneration darauf, finanzielle Ziele mit sozialen und ökologischen zu vereinen.

Family Offices: Einige wenige Vorreiter im Impact Investing

Elena Eberle wurde zur neuen Vorständin beim Multi Family Office 4L Capital bestellt.
4L-Capital-Vorständin
Elena Eberle. ©4L Capital

„Wir merken, dass die Nachfrage nach Impact Investments bei der nachfolgenden Generation ein deutlich größeres Thema ist. Die jüngere Generation fragt aktiv nach – und dies auch expliziter“, sagt Elena Eberle, Vorständin des Multi Family Offices 4L Capital. Das Unternehmen mit Sitz in Ettlingen entstand 2021, als die Bardusch Vermögensmanagement mehrheitlich durch das Single Family Office 4L Vision des IT-Unternehmers Ralph Suikat übernommen wurde.

„Vorher waren wir eine klassische Vermögensverwaltung mit den klassischen Parametern. Heute sind wir auf Impact Investments spezialisiert und beschäftigen unter anderem auch eine eigene Analystin für diesen Bereich“, so Eberle. 4L Capital hat sich dem Impact Investment über alle Anlageklassen hinweg verschrieben und setzt dies auch in einem eigenen Aktienfonds um. Mit diesem Fokus gehört das Multi Family Office zu einer kleinen Gruppe von Pionieren.

Dass Family Offices bereits flächendeckend wirkungsorientiert investieren, davon kann keine Rede sein. Yvonne Brückner vom Forschungsinstitut Resfutura hat eine der bislang umfangreichsten Untersuchungen zu Hochvermögenden und Nachhaltigkeit im Dach-Raum durchgeführt, deren Ergebnisse im April veröffentlicht werden.

Nachholbedarf beim Verständnis von Impact Investing

Mehr als 100 Vermögensinhaber und ihre Family Officer hat Brückner dafür befragt. Ihr Eindruck: Beim Verständnis von Impact Investing gibt es sowohl aufseiten der Hochvermögenden als auch bei Verwaltern, Beratern und Betreuern Nachholbedarf. „Ich erlebe, dass auch Multi Family Offices mit nicht nur drei oder vier, sondern deutlich mehr Mandanten, sich erst noch erarbeiten müssen, was der konkrete Unterschied zwischen ESG und Impact ist.“

Tatsächlich ist das einer der Bremsklötze für Impact Investing: eine fehlende, hinreichend scharfe Definition, die zugleich niedrigschwellig genug ist, um professionelle Investoren zu ermutigen, ihre Impact-orientierten Allokationen zu erhöhen. Nach dem Verständnis des GIIN werden Impact-Investitionen mit der Absicht getätigt, neben einer finanziellen Rendite positive, messbare soziale und ökologische Wirkung zu erzielen.

Impact Investing: Anderes Mindset als ESG-Investing

Aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, das ist der Anspruch und Unterschied zum ESG-Investing, das vor allem mit Ausschlusskriterien arbeitet. „ESG führt vor allem zu Verbots- und Kompensationslogiken und damit zu noch mehr Bürokratie und Regeln. Das ist ein ganz anderes Mindset“, sagt Stefan Fritz, Partner der Investmentgesellschaft Primepulse. „Eigentlich sollten wir aber eine positive Stimmung erzeugen, sich mit neuen Technologien und Abläufen auseinanderzusetzen.“

SDG investititions-Schwerpunkte von Impact-Investoren
©Bundesinitiative für Impact Investing

Primepulse versucht genau das. Die Gesellschaft investiert schwerpunktmäßig in Unternehmen im Bereich Deeptech, tätigt die Investments bisher vor allem mit eigenem Kapital und managt Anlagen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Fritz sieht sich selbst als Impact Investor, hat einen knapp 200-seitigen Impact-Investing-Leitfaden geschrieben. Ausgangspunkt bei der Entwicklung einer Impact-orientierten Anlagestrategie sind in der Regel die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.

Die erste Frage, die ein Family Office stellen muss: Wünscht die Familie einen generalistischen Ansatz oder gibt es spezielle Bereiche, in denen Wirkung erzielt werden soll? „Dabei sollte es keine Fremdsteuerung durch externe Berater geben, da die gemeinsame Erarbeitung an sich auch eine sinnstiftende Funktion hat“, betont Fritz. Elena Eberle beschreibt den Ablauf so: „Wir definieren zunächst die individuelle Ausrichtung. Hat die Familie eigene Parameter, die berücksichtigt werden sollen? Dann werden Negativ- und Positivkataloge erstellt.“

Die Selektion durchläuft einen mehrstufigen Prozess. Möchte eine Familie beispielsweise besonders die Meere schützen, wird ergründet, was das konkret bedeutet: Geht es nur um technologische Lösungen? Oder spielen auch Ernährungsunternehmen, Stichwort Überfischung, eine Rolle? „Daraus ergeben sich eine individuelle, kundenspezifische Allokation und Selektion, die wir erstellen.“