Climate-Tech Right Raus aus dem Blindflug: Die Klimawirkung von Portfolios in Grad Celcius messen

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Raus aus dem Blindflug: Die Klimawirkung von Portfolios in Grad Celcius messen
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Hannah Helmke, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Right

Hannah Helmke, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Right: Das Unternehmen hat ein Modell entwickelt, mit dem sich komplexe Klimaauswirkungen von Finanzportfolios auf eine Gradzahl reduzieren lassen. Foto: Günther Bayerl Fotografie

Was ist der Unterschied zwischen einem Portfolio, das nur auf Klimaneutralität ausgerichtet ist, und einem, das paris-konform ist? Hannah Helmke genügen wenige Striche, um diese Konzepte abzugrenzen. Sie zeichnet zwei Achsen und zwei Kurven, die beide am selben Punkt starten und enden. Die eine flacht schnell ab, hängt durch, als hätte man eine Schnur ohne Spannung an zwei Enden befestigt. Die Zweite, aufgebläht wie ein dicker Bauch, fällt erst spät zum Zielpunkt „Net Zero“ ab.

„Die Maßeinheit für Temperatur lautet eben Grad Celsius, nicht Tonnen CO2-Äquivalente“

„Die Erderwärmung entsteht durch die kumulierte Menge an Emissionen, die über die Zeit die Atmosphäre erreicht“, erklärt Helmke mit Blick auf das Papier vor ihr. „Ein Unternehmen kann auf dem Weg zur Klimaneutralität so viele Emissionen ausstoßen, dass es zu einer 4-Grad-Welt beiträgt.“ Sie zeigt auf die zweite Kurve, bei der die kumulierte Menge bedeutend höher ist. „Aber um auf das 1,5-Grad-Ziel einzuzahlen, muss ein Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität sein 1,5-Grad-Emissionsbudget einhalten.“

CO2-Emissionspfade eines 1,5-Grad-Portfolios und eines 4-Grad-Portfolios im Vergleich
CO2-Emissionspfade eines 1,5-Grad-Portfolios und eines 4-Grad-Portfolios im Vergleich: Beide erreichen 2050 das Net-Zero-Ziel, doch der kumulierte CO2-Ausstoß ist im rechten Diragram ungleich höher. © right°

Damit dieser Pfad erkennbarer wird, hat Helmke 2016 gemeinsam mit Sebastian Müller Right. Based on Science – kurz Right – gegründet. Das Climate-Tech-Start-up setzt die Klimawirkung wirtschaftlicher Aktivitäten von Unternehmen, Finanzportfolios oder Immobilien ins Verhältnis zum 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens – mittels einer Gradzahl, über alle Assetklassen hinweg. Die Idee: Maß- und Zielgröße werden eins. „Das Pariser Klimaziel ist ein Temperaturziel, kein Emissionsziel. Und die Maßeinheit für Temperatur lautet eben Grad Celsius, nicht Tonnen CO2-Äquivalente“, so Helmke.

Dreh- und Angelpunkt von Right ist das X-Degree-Compatibility-Modell (XDC-Modell), das die Klimawirkung – den Effekt der kumulierten Menge von Emissionen über die Zeit – in einer Gradzahl misst. Sie beantwortet die Frage: Um wie viel Grad würde sich das Klima erwärmen, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie die betrachtete wirtschaftliche Einheit? „Ich kann mit dieser Zahl auch die Geschwindigkeit abbilden, mit der ich auf Net Zero komme. Je schneller, desto niedriger die Temperatur und desto steiler meine Transition“, erklärt Helmke.

Portfoliomanager erkennen, ob sie von der „Carbon Bubble“ betroffen sind

XDC soll die Unschärfe in der Beurteilung von Klimawirkung auflösen, den Blindflug beenden – und dadurch den Veränderungsdruck bei Unternehmen oder Fondsmanagern erhöhen. Unternehmen könnten sich durch das XDC-Modell nicht mehr hinter abstrakten CO2-Kennzahlen verstecken, was auch die Möglichkeiten des Greenwashing einschränkt. „Die Gradzahl ist maximale Transparenz, knallhart ins Gesicht.“

Investoren bräuchten genau diese Transparenz, um Transformationsprozesse anzustoßen und Unternehmen zu identifizieren, die unter Klimagesichtspunkten zukunftsträchtig sind. „Wer möchte noch in ein 2,9-Grad-Portfolio investieren, wer Partner eines 3,5-Grad-Unternehmens sein?“, fragt Helmke. Denn der Klimawandel stellt auch ein finanzielles Risiko dar, das in Unternehmenswerten bislang kaum eingepreist ist. Stichwort: Kohlenstoffblase.

 

 

Auf die „Carbon Bubble“ stieß Helmke während ihres Studiums. Der Begriff beschreibt eine Spekulationsblase, eine angenommene Überbewertung von Unternehmen, die daraus resultiert, dass in einer Unter-zwei-Grad-Welt 75 Prozent aller im Markt eingepreisten fossilen Brennstoffe nicht verbrannt werden dürfen. 2013 veröffentlichte die HSBC eine Studie, nach der Ölkonzerne wie Shell, BP oder Statoil demnach 40 bis 60 Prozent ihres Unternehmenswertes verlieren würden. Durch das XDC-Modell können Portfoliomanager erkennen, ob sie von einem Platzen der Carbon Bubble betroffen wären. Ein 4-Grad-Portfolio wäre beispielsweise einem erheblichen Risiko von Wertverlusten ausgesetzt.

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Die Berechnung der XDC-Kennzahl ist „nicht ganz trivial“, wie es die Right-Geschäftsführerin ausdrückt. Allein 35 Leute sind im Unternehmen damit beschäftigt, Emissionen in eine Gradzahl umzurechnen, die auch über Branchengrenzen und verschiedene Asset-Klassen hinweg Vergleichbarkeit schafft – die Klimawirkung eines kleinen IT-Unternehmens oder großen Stahlherstellers, einer Immobilie oder Staatsanleihe.

Hannah Helmke im Gespräch mit Redakteur Clemens Behr
Hannah Helmke im Gespräch mit Redakteur
Clemens Behr in der Redaktion des private
banking magazins. © private banking magazin

„Dafür braucht es Klimamodelle und Parameter aus anderen Modellen, die noch nicht lange verfügbar sind. Jetzt ist es möglich, CO2-Emissionen robust umzurechnen“, so Helmke, die das klare Ziel hat, dass das XDC-Modell der Standard wird, mit dem man die Klimawirkung einer wirtschaftlichen Einheit misst, steuert und kommuniziert. Und dabei spielt Right auch der Regulator in die Karten: Ab 2024 müssen Unternehmen ihren Transitionspfad in Richtung 1,5-Grad-Konformität berichten. Dadurch werden Daten verfügbar, die auch die Skalierung des Modells vereinfachen.

Noch mangelt es an evidenzbasierter Messung der Klimawirkung

Datenverfügbarkeit zur rechten Zeit, denn laut Helmke kämen viele Unternehmen gerade in eine entscheidende Phase. „Die Firmen haben in den vergangenen Jahren viele Klimaziele formuliert, die jetzt überprüft werden. Erstens, ob sie überhaupt im Einklang mit dem 1,5 Grad Ziel sind? Und zweitens, ob sie erreicht werden?“ Oft laute die Antwort auf beide Fragen allerdings noch „nein“. Nach ihrer Einschätzung sind viele Unternehmen kaum evidenzbasiert bei der Messung ihrer Klimawirkung aufgestellt.

Investoren dürften es allerdings nicht darauf beruhen lassen, dass Unternehmen, in die sie investiert sind, ein Klimaziel haben. Sie müssen fragen, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel erreicht werden soll. „Wir merken, wie die Gradzahl diesen Veränderungsdrang triggert und für alle Seiten transparent macht, welche Schritte eigentlich was bringen. Und genau das ist beispielsweise für institutionelle Investoren und Family Offices entscheidend.“ 

Right-Kundenliste wächst: institutionelle Investoren, Vermögensverwalter, Family Offices

Zu den Kunden von Right gehören inzwischen zahlreiche institutionelle Investoren, wie die GLS Bank, Evangelische Bank, Berliner Ärzteversorgung, der Versicherungsverein des Bankgewerbes (BVV), die Vermögensverwaltung Salm-Salm & Partner, verschiedene Stiftungen und Family Offices.

„Wir haben häufig mit Family Offices zu tun. Da kommt der Impuls, oft von der nächsten Generation, die jetzt eingeführt werden in die Vermögensverwaltung. Die sagen: Ich möchte mit meinem Vermögen positiven Impact erzielen.“ Die Auseinandersetzung zwischen den Generationen, das Infragestellen alter Handlungsweisen finde in den Familien intensiv statt – und das werde an die Family Offices weitergetragen, so Helmke. „Deswegen steckt da auch so viel Potenzial drin, weil da so viel Vermögen ist, was jetzt aus Überzeugung in diese Transformation geleitet wird.“

An ihrer Überzeugung, dass die Transformation der Wirtschaft in Richtung paris-konformität gelingen kann, lässt die Unternehmerin keinen Zweifel. Überzeugung, die sich auch in einer aktuellen Stellenanzeige von Right zeigt. Das Gesuch nach einem Softwareentwickler auf Linkedin beginnt Helmke so: „Ich bin überzeugt, dass 1,5-Grad immer noch möglich ist, wenn wir es richtig machen: Skalierbar, wissenschaftlich fundiert, technisch versiert und menschenzentriert.“

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