VC-Investorin Daria Saharova im Interview „Wir müssen uns nicht zwischen Planet und Profit entscheiden“

World-Fund-Mitgründerin Daria Saharova

World-Fund-Mitgründerin Daria Saharova: „In Deutschland und Europa konzentrieren sich Investoren oft auf digitale Geschäftsmodelle, die möglichst schnell Rendite bringen.“ Foto: World Fund

private banking magazin: Mit dem World Fund wollen Sie den größten Venture-Capital-Fonds für Climate Tech auflegen. Was können neue Technologien im Kampf gegen den Klimawandel leisten?

Daria Saharova: Für eine klimaneutrale Wirtschaft müssen wir die Dekarbonisierung der Industrie voranbringen. Wir sind davon überzeugt, dass Technologien dazu den größten Beitrag leisten können. Die Hälfte aller Technologien, die wir dafür brauchen, gibt es bereits und sie benötigen Geld, um zu wachsen. Die andere Hälfte muss noch entwickelt werden. Mit unserem Fonds wollen wir beide Bereiche abdecken.

Konzentrieren Sie sich auf bestimmte Branchen?

Saharova: Es gibt unterschiedliche Definitionen von Climate Tech, aber wir legen ganz klar den Fokus auf Dekarbonisierung. Jedes Unternehmen, in das wir investieren, muss ein CO2-Ersparnis-Potenzial von mindestens 100 Megatonnen pro Jahr haben. Das entspricht ungefähr der jährlichen Leistung von 20 Millionen Solardächern. Wir konzentrieren uns auf die fünf Branchen mit dem größten CO2-Ausstoß in Europa. Das sind Lebensmittel und Landwirtschaft, die Baubranche, Energietechnik, Verkehrsmittel sowie die Industrie.

Sie sprechen vom „Climate Performance Potential“ als Ihre Finanzkennzahl. Was ist damit genau gemeint?

Saharova: Das „Climate Performance Potential“ misst, welches CO2-Ersparnis-Potenzial eine Technologie bis 2040 pro Jahr ermöglicht. Diese Betrachtung geht über die Analyse nach Umwelt- und Sozialkriterien sowie der Unternehmensführung hinaus. Gemeinsam mit unserem wissenschaftlichen Beirat und Industrie-Partnern haben wir eine Methodologie entwickelt, um dieses Portenzial zu messen. Wir schauen uns dabei auch das Umfeld an und bewerten, wie sich eine Technologie im Vergleich zu Alternativen entwickelt. Entscheidend ist für uns zudem, wie groß das Problem ist, das ein Start-up lösen möchte. Diese Analyse erlaubt uns eine erste Einschätzung, ob ein Investment für uns infrage kommt. 

Sie haben sich zum Ziel gesetzt, 350 Millionen Euro einzusammeln und 35 bis 40 Unternehmen ins Portfolio zu holen: Wie ist der aktuelle Stand?

Saharova: Wir befinden uns mit dem Fundraising auf der Zielgeraden. Investiert haben wir bislang in elf Start-ups. In den nächsten vier Jahren sollen knapp 30 weitere hinzukommen.

 

Können Sie Beispiele nennen?

Saharova: Ich nenne Ihnen zwei ganz gegensätzliche Unternehmen, die unsere Bandbreite zeigen – Juicy Marbles und Space Forge. Juicy Marbles, der weltweit erste rein pflanzliche Premium-Steak-Hersteller ohne jegliche Zusatzstoffe, ist ein gutes, sehr plakatives Beispiel für Climate Tech. In das slowenische Start-up haben wir gemeinsam mit einem Foodtech-Fonds aus den USA investiert. Mit 2,3 Gigatonnen pro Jahr ist das CO2-Einsparpotenzial von Juicy Marbles sehr hoch.

Gibt es im Bereich Fleischersatzprodukte nicht bereits sehr viele Firmen?

Saharova: Es gibt viele Produkte, aber ein Steak nachzubauen – quasi die höchste Disziplin – das hat bisher noch keiner gemacht. Schaut man sich die erste Generation dieser Produkte an, stellt man außerdem fest, dass Beyond Meat und andere mit sehr vielen Zusatzstoffen arbeiten. Bei Juicy Marbles ist das nicht so. Die Gründer haben eine Tesla-Strategie verfolgt und erst einmal das Premium-Produkt auf den Tisch gebracht.

Aus welcher Branche kommt das zweite Portfoliounternehmen?

Saharova: Space Forge baut Fabriken im Weltall. Es klingt verrückt, aber wir stecken mitten in einer weiteren Erschließung und Kommerzialisierung des Weltalls. Mindestens ein Drittel der gesamten Produktionsmenge der Erde könnte ins All verlegt werden. Space Forge ist eine der wenigen Firmen in diesem Bereich. Der erste Anwendungsfall ist die Halbleiterindustrie. Eine Produktion im All spart nicht nur sehr viel Energie, sondern macht auch die Herstellung ganz anderer Materialien möglich. Das CO2-Einsparpotenzial – allein in der Halbleiterindustrie – liegt bei weit über 120 Megatonnen pro Jahr. Der erste Test im All ist bereits geplant.