Andreas Zingg von Vanguard über Mischfonds-Strategien „Gleichzeitige Kursrückgänge bei Aktien und Anleihen sind gar nicht so ungewöhnlich“

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Neben dem in den meisten Marktphasen stabilisierenden Charakter von Anleihen spricht ein weiteres Argument für Anleihen als Kernbestandteil gemischter Portfolios. So haben steigende Zinsen zwar in aller Regel fallende Kurse bei laufenden Anleihen zur Folge. Aber zum einen zeigt die historische Betrachtung, dass Investoren auch in Phasen schneller Zinserhöhungen von einer globalen, währungsgesicherten Anleihe-Allokation profitieren konnten. Beispiel USA: Auch als die Zinsen zwischen Juni 2004 und Juli 2005 um 4,25 Prozentpunkte stiegen, gehörten währungsgesicherte globale Anleihen zu den besten Risikodiversifikatoren.

Jetzt kommt ein weiterer Faktor hinzu: Aufgrund der höheren Ausschüttungsrenditen der Anleihen – bei bestehenden Anleihen aufgrund der fixen Coupons bei tieferen Renten-Kursen und bei neuen Anleihen aufgrund der höheren Renditen auf Verfall – sind auch die erwarteten zukünftigen Gesamtrenditen von Rentenportfolios deutlich gestiegen. Bis auf Weiteres dürften Anleihen höhere Erträge abwerfen als in den vergangenen zehn Jahren.

Langfristig sind Zinserträge entscheidend

Ganz grundsätzlich gilt für langfristig orientierte Anleger: Ausschüttungsrenditen von Anleihen sind wichtiger für die Gesamtrendite von Rentenportfolios als steigende Anleihekurse (siehe Grafik). Den kurzfristigen Verlusten stehen also langfristige Gewinne gegenüber, doch selbst kurzfristig müssen Investoren nicht unbedingt weitere Verluste fürchten. Die Märkte haben steigende Zinsen bereits eingepreist und globale Anleihen erscheinen deshalb auch auf kurze Sicht attraktiv bewertet.

Die Kernthemen für Multi-Asset-Investoren sind trotz der Marktturbulenzen im vergangenen Jahr die gleichen geblieben: Entscheidende Faktoren bleiben Wirtschaftswachstum, Inflation, Zinspolitik und die daraus resultierende Kursentwicklung von Aktien und Renten. Allerdings haben sich die Fragestellungen in Bezug auf diese Einflussgrößen im Vergleich zum vergangenen Jahr verändert (siehe Grafik).

 

Bildunterschrift

Die Inflationsraten sind zwar gesunken, aber nach wie vor hoch. Die Zentralbanken werden die Zinsen deshalb noch bis in den Sommer weiter erhöhen, wenn auch mit gedrosseltem Tempo. Die von vielen Marktteilnehmern erwartete und teilweise eingepreiste Zinswende mit bereits wieder sinkenden Leitzinsen in der zweiten Jahreshälfte erscheint angesichts des aktuellen Inflationsniveaus und der Aussagen der führenden Zentralbanken nicht realistisch.

 

 

Sehr wahrscheinlich ist hingegen eine globale Rezession, die jedoch deutlich milder ausfallen dürfte als frührere Rezessionen wie zum Beispiel 2008 oder 2020. Die allenfalls nicht erfüllte Erwartung sinkender Zinsen in der zweiten Jahreshälfte und die Verschlechterung der Konjunkturdaten könnte zu einem kurzfristigen Anstieg der Volatilität an den Aktien und Rentenmärkte führen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Renditeaussichten für langfristig orientierte Multi-Asset-Investoren gut sind wie schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr.

Market-Timing ist keine Alternative

Mit Blick auf die weiterhin bestehenden Unsicherheiten mag es einigen Anlegern richtig erscheinen, nach der jüngsten Erholung aus den Märkten auszusteigen und von der Seitenlinie aus zu beobachten, wie sich die Märkte weiterentwickeln. Sie sollten jedoch berücksichtigen, dass Market-Timing erwiesenermaßen schwierig ist. Denn es ist und bleibt herausfordernd, die richtigen Ausstiegs- und Wiedereinstiegszeitpunkte zu identifizieren. Hinzu kommt, dass die besten und schlechtesten Handelstage oft dicht beieinanderliegen, sodass Anleger mit Timing-Strategien Gefahr laufen, die besten Handelstage und mögliche Gewinne durch Kurserholungen zu verpassen.

Unabhängig von kurzfristigen Marktprognosen, sind Multi-Asset-Investoren mit einer langfristigen Perspektive und Geduld gut aufgestellt. Erfahrungsgemäß lassen sich mit einem diversifizierten Multi-Asset-Portfolio, das auf die eigenen Ziele und das eigene Risikoprofil abgestimmt ist, auch schwierige Marktphasen gut überstehen.

Über den Autor:

Andreas Zingg ist Head of Multi-Asset Solutions bei Vanguard Europe. Zuvor war er Country Head und Managing Officer für Vanguard in der Schweiz und Liechtenstein. Bevor er 2016 zu Vanguard kam, war Zingg Vertriebsleiter für das iShares-Geschäft von Blackrock, für den Nahen Osten, Afrika und Teile der Schweiz. Er begann seine Karriere als Projektleiter bei McKinsey & Co. in Zürich, wo er für die Leitung von Projekten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Unternehmensstrategie, Business Transformation und Vertriebsstrategien für Kunden aus dem Finanzsektor verantwortlich war.

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