Andreas Zingg von Vanguard über Mischfonds-Strategien „Gleichzeitige Kursrückgänge bei Aktien und Anleihen sind gar nicht so ungewöhnlich“

Andreas Zingg von Vanguard

Andreas Zingg von Vanguard: „Bis auf Weiteres dürften Anleihen höhere Erträge abwerfen als in den vergangenen zehn Jahren." Foto: Vanguard

Multi-Asset Portfolios sind bei Investoren seit jeher beliebt, da sie durch breite Diversifikation über mehrere Anlageklassen das Risiko der Kapitalanlage senken und für verlässliche Erträge auch in turbulenten Marktphasen stehen. Dieses Verständnis wurde 2022 jedoch in arge Zweifel gezogen. Die gleichzeitig fallenden Kurse von Aktien und Anleihen haben praktisch allen Multi-Asset-Investoren Verluste beschert. Deshalb stellt sich die Frage, ob Multi-Asset-Strategien – insbesondere solche, die nur in Aktien und Anleihen investieren – ausgedient haben und ob es neue Konzepte braucht.  

Die klare Antwort lautet: Nein. Kurzfristige Marktentwicklungen ändern nichts an den Grundprinzipien erfolgreichen Anlegens. Dazu zählt insbesondere, auch in schwierigen Phasen an seiner Strategie festzuhalten. So schwer es mitunter auch fallen mag, Disziplin zu wahren, bleibt entscheidend für den langfristigen Erfolg.

2022 war sehr schwierig, aber kein Einzelfall

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Jahre, in denen es für die meisten Investoren kaum möglich war, eine positive Rendite zu erzielen. Wir erinnern uns nach den zahlreichen aufeinanderfolgen Boomjahren möglicherweise nicht mehr an solche Jahre, doch es gab sie in regelmässigen Abständen.

 

 

 

2022 ist mit Sicherheit dazuzurechnen. Inflationsraten, wie sie zuletzt in den 1980er Jahren zu verzeichnen waren, und aggressive Zinserhöhungen der wichtigen Notenbanken – nach der langen Phase der Nullzinspolitik – bescherten Aktien- und Rentenmärkten das schlechteste Jahr seit Jahrzehnten. Hinzu kamen Corona-Spätfolgen und die Auswirkungen des Krieges von Russland gegen die Ukraine, die die Wachstumsaussichten in vielen Regionen der Welt zusätzlich belastet haben.

Die zuletzt außergewöhnlich schlechte Performance der Rentenmärkte mag viele Investoren dazu veranlassen, die Rolle von Anleihen in einem Multi-Asset-Portfolio infrage zu stellen. In erster Linie dienen Anleihen in einem Multi-Asset Portfolio dazu, das Risiko zu diversifizieren und Schwankungen an den Aktienmärkten abzufedern. In zweiter Linie sollen Anleihen eine positive und stabile Ausschüttungsrendite liefern. Hintergrund sind die in der Regel geringeren Kursausschläge bei Anleihen und eine langfristig negative Korrelation zu Aktien.

Analysen zeigen indessen, dass gleichzeitige Kursrückgänge bei Aktien und Anleihen gar nicht so ungewöhnlich sind: Seit 1995 mussten Anleger im Durchschnitt jeden siebten Monat negative Renditen sowohl von Aktien als auch von Anleihen hinnehmen (siehe Grafik „Zeiträume mit negativer Gesamtrendite in Prozent“). Das scheint die Zweifel an Anleihen als strategisches Gegengewicht zu Aktien in einem Multi-Asset-Portfolio zunächst zu bestätigen.

 

Betrachtet man jedoch Zeithorizonte von mehr als einem Monat, werden solche positiven Korrelationen immer seltener; zu zeitgleichen Kursverlusten am Aktien- und Anleihemarkt über einen Zeitraum von drei Jahren gibt es in der Vergangenheit keine Beispiele, über einen Zeitraum von einem Jahr nur äußerst wenige. Das bedeutet: Ein diversifiziertes Portfolio aus Aktien und Anleihen ist nach wie vor eine gute Wahl für langfristig orientierte Investoren.

Gemischte Portfolios machen Verluste schnell wett

Das gilt umso mehr, da sich Multi-Asset-Portfolios nach solchen Verlustphasen in der Regel schnell erholt haben, 60/40-Portfolios im Durchschnitt schon nach neun Monaten. In Anbetracht der deutlichen Kursverluste im vergangenen Jahr dürfte die Erholungsphase jedoch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.