Bilanz-Check Warburg nach Aufräumarbeiten mit negativer Eigenkapitalrendite

Stefanie Hehn und Gösta Jamin

Stefanie Hehn und Gösta Jamin: Die Bilanz-Analysten des private banking magazins nehmen die Bilanz der Warburg-Gruppe in den Blick, die mit 2022 ein Jahr der Umstrukturierung hinter sich hat. Foto: Gösta Jamin / Stefanie Hehn

Das seit 1798 bestehende Bankhaus Warburg hat ein weiteres turbulentes Geschäftsjahr hinter sich. Die Warburg-Gruppe, zu der nach dem endgültigen Anteilsverkauf der Warburg Hypothekenbank unter anderem noch die Privatbank M.M. Warburg & CO und das Family Office Marcard, Stein & Co gehören, hat das Geschäftsjahr 2022 im Zuge von Aufräumarbeiten mit einem Jahresfehlbetrag von 34,6 Millionen Euro abgeschlossen – nach einem leicht positiven Jahresergebnis von 0,1 Millionen Euro in 2021. 

Zum Vergleich mit dem Bilanz-Check des Vorjahres ist zu beachten, dass im Geschäftsbericht 2022 nur noch die Werte für die Privatbank M.M. Warburg & CO KGaA angegeben werden und nicht mehr wie in den Vorjahren auch übergreifende Werte für die Warburg-Gruppe, wobei letztere nach der endgültigen Veräußerung der Hypothekenbank, der Veräußerung der Warburg Invest sowie dem Verkauf der Beteiligung an der W&Z FinTech zum 1. Januar dieses Jahres weiter verschlankt wurde.

Eigenkapitalrendite und Aufwand-Ertrag-Verhältnis verfehlen Zielwerte

Die Eigenkapitalrendite des Instituts fällt mit -13,3 Prozent deutlich negativ aus, nachdem im Vorjahr mit 0,02 Prozent eine schwarze Null stand. Ein für Banken angemessener Zielwert von 8 bis 10 Prozent ist damit weit entfernt. Die Cost-Income-Ratio hat sich 2022 mit 105,2 Prozent im Vergleich zum Wert des Vorjahres von 106,3 Prozent immerhin leicht verbessert, verfehlt aber ebenfalls einen adäquaten Wert von etwa 80 Prozent. Die Eigenmittelquote hat sich mit 21,2 Prozent Ende 2022 im Vergleich zu 2021 mit 23,0 Prozent leicht verschlechtert. Die Liquiditätsdeckungsquote (Liquidity Coverage Ratio) weist indes einen hervorragenden Wert von 171,7 Prozent auf (Vorjahr 165,9 Prozent), ebenso wie die Net Stable Funding Ratio mit einem Wert von 198,1 Prozent (Vorjahr 194,8 Prozent). 

Wichtiger Treiber für den Ergebnisrückgang war der Provisionsüberschuss mit einem Rückgang von 13,4 Prozent auf nur noch 83,5 Millionen Euro 2022 im Vergleich zu 96,4 Millionen Euro 2021. Diese Entwicklung ist ein Spiegelbild der als Folge des Krieges in der Ukraine angespannten Lage an den internationalen Kapitalmärkten. Zumindest im ersten Halbjahr 2023 sollte die positive Entwicklung der Kapitalmärkte dem Provisionsüberschuss wieder Rückenwind verleihen.

Zinsüberschuss steigt, Geschäftsvolumen weiter rückläufig

Im Gegenzug konnte der Zinsüberschuss um 83,3 Prozent deutlich auf 70,8 Millionen Euro 2022 im Vergleich zu 38,6 Millionen Euro 2021 gesteigert werden. Hier profitiert Warburg einerseits von der strukturellen Wende hin zu höheren Zinsen und damit besseren Möglichkeiten zur Generierung von Margen und andererseits von unternehmensspezifischen Sondereffekten wie der Auflösung von Zinsswaps und erhöhten Ausschüttungen verbundener Unternehmen, was die Frage nach der mittelfristigen Nachhaltigkeit dieser positiven Entwicklung aufwirft.

Das Geschäftsvolumen von Warburg war weiter rückläufig, abzulesen zum Beispiel am Rückgang der Bilanzsumme um 7,1 Prozent von 4,3 Milliarden Euro 2021 auf 4 Milliarden Euro 2022. Deutlich sichtbar ist auch der Rückgang der Forderungen an Kunden um 30,2 Prozent von 822 Millionen Euro 2021 auf 573,7 Millionen Euro 2022. Verlustbedingt sank auch das Eigenkapital 13,3 Prozent von 260,1 Millionen Euro 2021 auf 225,5 Millionen Euro 2022.


Weitere Bilanz-Analysen zum Geschäftsjahr 2022:


Der Personalaufwand der Warburg stieg 2022 deutlich um 8,6 Prozent auf 78,7 Millionen Euro im Vergleich zu 72,4 Millionen Euro 2021, trotz eines Rückgangs der Anzahl der Mitarbeiter von 698 auf 688. Laut Geschäftsbericht handelt es sich dabei um einen außerordentlichen Effekt im Zusammenhang mit dem Abbau von Stellen im Rahmen eines Freiwilligenprogramms, für das Abfindungen zu bezahlen sind, wofür wiederum Rückstellungen gebildet werden mussten.

Warburg wechselt Kernbankensystem in 2023

Die anderen Verwaltungsaufwendungen sind um 10 Prozent auf 86 Millionen Euro 2022 im Vergleich zu 78,2 Millionen Euro des Vorjahres noch stärker angestiegen. Diese deutliche Erhöhung steht im Zusammenhang mit dem angestrebten Wechsel des Kernbankensystems. Positiv entwickelt hat sich die Risikovorsorge mit noch 2,3 Millionen Euro 2022 im Vergleich zu 3,6 Millionen Euro 2021, was auf eine deutlich reduzierte Nettovorsorge für Einzelrisiken im Kreditgeschäft zurückzuführen ist. 

Einen erheblichen Einfluss auf das Gesamtergebnis hat der Saldo aus sonstigen betrieblichen Erträgen und Aufwendungen mit -6,3 Millionen Euro 2022 im Vergleich zum deutlich positiven Wert von 17 Millionen Euro 2021. In beiden Jahren dominieren signifikante Einmaleffekte: 2022 wurde der Wert durch eine Zuführung zu den Rückstellungen für mögliche Schäden im Zusammenhang mit einem im Jahr 2012 aufgelegten und bereits liquidierten Spezialfonds, für den die Warburg Bank als Verwahrstelle fungiert hat, belastet. 2021 gab es noch einen positiven Einmalertrag aus dem Verkauf von Schiffen. Problematisch hierbei ist der große, die operative Kerngeschäftsentwicklung überzeichnende, Einfluss solcher einmaligen Effekte.

Das Zahlenwerk von Warburg ist das numerische Spiegelbild von Konsolidierung, Fokussierung und Konzentration der Geschäftsaktivitäten nach den turbulenten Jahren der Cum-ex-Affäre. So wurden die ursprünglich vier Geschäftsfelder zu dreien zusammengefasst – Private Banking, Asset Management sowie Corporate- und Investment-Banking. Weiterhin wurden beziehungsweise werden wie zuvor erwähnt Unternehmensbeteiligungen verkauft wie die Anteile an der Warburg Hypothekenbank, die Warburg Invest AG oder die W&Z FinTech GmbH. Zudem wurden mit Osnabrück und Braunschweig zwei von ursprünglich zehn physischen Standorten geschlossen.

Rückgang des verwalteten Vermögens bei Warburg-Tochter

Unter den verbleibenden Tochtergesellschaften berichtet die Warburg Invest KAG von einem wegen des Ukraine-Kriegs herausfordernden Marktumfeld, das einen deutlichen Rückgang des verwalteten Vermögens von 9 Milliarden Euro Ende 2021 auf 7,7 Milliarden Euro Ende 2022 zur Folge hatte. Als Konsequenz dieser rückläufigen Geschäftsentwicklung sanken die Provisionserlöse von 46,3 Millionen Euro 2021 auf 38,3 Millionen Euro 2022 und der Jahresüberschuss vor Steuern von 6 Millionen Euro 2021 auf 2,9 Millionen Euro 2022. Das Family Office Marcard, Stein & Co wiederum berichtet von einer positiven Geschäftsentwicklung, neuen Family-Office-Mandaten und einem gesteigerten Jahresüberschuss.

 

Trotz aller Herausforderungen, Aufräum- und Restrukturierungsarbeiten gelang es der Hamburger Privatbank weiterhin, an für die künftige Entwicklung der Branche wichtigen Zukunftsthemen zu arbeiten. Zu erwähnen ist hier die geplante Umstellung auf ein neues Kernbankensystem, die im Jahr 2026 erfolgen soll. Weiterhin betreibt Warburg mit dem Warburg Navigator einen eigenen Robo Advisor, der das Ziel verfolgt, über einen digitalen Zugangsweg Neukunden aus einer jüngeren Zielgruppe zu akquirieren und diese Kunden dann perspektivisch zu „vollwertigen“ Private-Banking-Kunden zu entwickeln.

Gut aufgestellt, doch operatives Ergebnis bleibt ausbaufähig

In der Branche der Privatbanken verfolgen nur die Quirin Privatbank AG mit quirion und Hauck Aufhäuser Lampe mit Zeedin einen vergleichbaren Weg. Zu nennen ist im Zusammenhang mit Zukunftsthemen auch die Positionierung Warburgs im Bereich nachhaltiger Kapitalanlagen mit der Produktlinie für nachhaltige Fonds W.I.R. Warburg Invest Responsible.

Nach Abschluss ihrer Restrukturierung und mit dem auf die mittelständische Wirtschaft fokussierten Geschäftsportfolio ist die Warburg gut aufgestellt, um künftig von der Vermögensbildung in Unternehmerfamilien und der Weiterentwicklung von deren Unternehmen zu profitieren. Die operative Performance muss allerdings deutlich verbessert werden, um einen Swing von einem negativen Jahresüberschuss hin zu nachhaltig positiven Werten sowie eine dauerhaft auskömmliche Rentabilität zu erreichen.


Über die Autoren:

Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.

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