Die Digitalisierung als Megatrend im Banking hat auch die Privatbanken erfasst. Während einzelne Institute wie Quirin oder Hauck Aufhäuser Lampe die Möglichkeiten der Expansion ihrer Geschäftsmodelle durch neue digitale Angebote ambitioniert nutzen, verfolgen andere Privatbanken einen behutsameren Ansatz.
Digitalisierung ist – neben ESG – seit einigen Jahren der Megatrend im Bankgeschäft. War die Bankenbranche im 20. Jahrhundert Vorreiter bei der Nutzung von IT-Systemen und der digitalen Abwicklung von Buchungen und Transaktionen, so hat sie im 21. Jahrhundert gefühlt etwas den Anschluss verloren – zumindest im Hinblick auf Look-and-Feel der Kundeninteraktion. Dies hat neuen Wettbewerbern wie Direktbanken oder Fintechs Raum gegeben, in eine Lücke vorzustoßen und mit nutzerfreundlichen Angeboten Kunden zu gewinnen.
Längst haben die Banken diese Herausforderung angenommen und halten ihrerseits mit neuen digitalen Angeboten dagegen, beteiligen sich an jungen Finanztechnologieunternehmen oder schaffen neue organisatorische Strukturen wie die Position eines Chief Digital Officer (CDO) zur digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Keine Bilanzpressekonferenz und kein Geschäftsbericht einer Bank kommt mehr ohne ausführliche Ausführungen zur verfolgten Digitalisierungsstrategie aus.
Zehn Privatbanken untersucht: Wie weit ist die Digitalisierung?
In diesem Beitrag wollen wir – jenseits der Investorenkommunikation – der Frage mithilfe von öffentlich verfügbaren Informationen über insgesamt zehn Institute wie Jahresabschlüsse, Webseiten und der medialen Berichterstattung nachgehen, wie weit die digitale Transformation im Teilsegment deutscher Privatbanken tatsächlich fortgeschritten ist und wo Digitalisierung mehr Kommunikation als reales Handeln ist.
Es gibt drei Stoßrichtungen, die mit Digitalisierung verfolgt werden können: Zum ersten die Verbesserung der Effizienz interner Prozesse und damit die Steigerung der Produktivität eines Instituts, zum zweiten die Digitalisierung der Kundeninteraktion und damit die Steigerung der Attraktivität des Angebots für (potenzielle) Kunden und zum dritten der Aufbau neuer digitaler Ökosysteme, mit denen Erlösquellen beyond (traditional) Banking erschlossen werden können.
Annäherung über die Cost-Income-Ratio
Von außen ist es schwierig, direkt zu beurteilen, welche Fortschritte Banken bei der Verbesserung der Effizienz interner Prozesse durch Digitalisierung machen. Indirekt kann man sich der Frage durch die Betrachtung der Cost-Income-Ratio nähern, die wiedergibt, wie viele Cent an Kosten aufgewendet werden müssen, um einen Euro an Erlösen zu generieren. Je geringer dieses Verhältnis, desto effizienter arbeitet das Institut. Gute Werte von unter 80 Prozent haben unter den betrachteten Banken haben im Geschäftsjahr 2021 Fürst Fugger, Berenberg, Quirin und Hauck Aufhäuser Lampe erreicht (vgl. Abbildung 1).

Als weiteren Indikator haben wir in Abbildung 1 für das Geschäftsjahr 2021 ausgewertet, welchen Anteil die Personalaufwendungen am Gesamtaufwand eines Instituts ausmachen. Zunächst fallen relativ große Unterschiede auf, die von Bethmann (43 Prozent) bis Berenberg (65 Prozent) reichen. Zudem erkennt man einen tendenziell negativen Zusammenhang mit der Cost-Income-Ratio – Unternehmen mit einer geringen Cost-Income-Ratio wenden einen höheren Teil ihres Gesamtaufwands für Personalkosten auf als solche mit einem hohen Aufwand-Ertrag-Verhältnis.
Persönliche Beratung lässt sich kaum automatisieren
Dieser Zusammenhang ist zunächst überraschend, denkt man bei Digitalisierung und Effizienzsteigerung doch eher an einen Abbau von Personal und damit geringere Personalkosten. Im Geschäftsmodell der Privatbanken spielt Relationship-Banking unverändert eine große Rolle, das heißt hochwertige persönliche Beziehungen zwischen Berater und Kunde, was einen weitgehenden Ersatz des Menschen durch eine digitale Maschine (zumindest bisher) ausschließt.
Banken wie Fürst Fugger, Berenberg, Quirin und Hauck Aufhäuser Lampe mit einer niedrigen Cost-Income-Ratio gelingt es offenbar, ihre Mitarbeiter mit hocheffizienter Prozessunterstützung auszustatten, so dass neben den Personalkosten nur vergleichsweise geringe Sachkosten für IT oder Räume anfallen. Am anderen Ende des Spektrums müssen Institute wie Donner & Reuschel, Bethmann oder Warburg sowohl insgesamt mehr Kosten aufwenden, um ihre Erlöse zu erwirtschaften als auch einen höheren Teil ihres Aufwands für Sachkosten ausgeben.