Finanzierung der Corona-Politik Vermögensabgabe und deutsche Verfassung – wann passt das?

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Die Frage der staatlichen Notlage

Bisher hat der Staat eine einmalige Vermögensabgabe nur erhoben, um die Kosten eines Krieges zu decken. Die Beispiele dafür sind der „Wehrbeitrag“ von 1913, dass „Reichsnotopfer“ von 1919 und der „Lastenausgleich“ von 1952. Vor diesem Hintergrund vertreten manche Rechtswissenschaftler die Ansicht, dass nur eine existenzbedrohende finanzielle Notlage des Staates eine Vermögensabgabe rechtfertigen kann. Davon kann nur die Rede sein, wenn alle anderen Finanzinstrumente nicht mehr ausreichen. Nimmt man das als Maßstab, ist eine Vermögensabgabe verfassungsrechtlich in der nächsten Zukunft nicht zulässig.

Es stimmt: Die Corona-Maßnahmen sind teuer, die Staatsverschuldung steigt deutlich, eine schwere Rezession ist unvermeidlich. Trotzdem liegt keine existenzbedrohende finanzielle Notlage vor. Immerhin geht die Bundesregierung zurzeit davon aus, dass schon 2022 das Vor-Krisen-Niveau wieder erreicht ist.

Es wäre allerdings realistischer, sich vom dramatischen Vorbild der Kriegslasten zu lösen. Manche Rechtswissenschaftler ziehen deshalb die üblichen Finanzkennziffern entwickelter Industriestaaten heran, um die Frage nach einer Ausnahmelage zu beantworten. Die Staatsschuldenquote von Deutschland steigt durch die Corona-bedingten Ausgaben zwar deutlich, aber im Vergleich mit anderen Staaten ist sie nicht ungewöhnlich hoch. Rating-Agenturen attestieren Deutschland weiterhin eine sehr gute Bonität. Auch Bundesanleihen sind weiterhin gut nachgefragt.

Der langen Rede kurzer Sinn: Eine staatliche Ausnahmelage ist nicht gegeben – jedenfalls zurzeit. Aber selbst, wenn eine staatliche Ausnahmelage eintreten sollte, wäre eine Vermögensabgabe nur unter strengen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen machbar.

Die Grenzen des Grundgesetzes

Die Eigentumsgarantie in Artikel 14 des Grundgesetzes markiert die Grenzen einer Vermögensabgabe. Das Bundesverfassungsgericht sieht das Eigentumsgrundrecht als verletzt an, wenn Abgaben eine „erdrosselnde Wirkung“ haben. Eine einmalige Vermögensabgabe wäre deshalb nach Ansicht der Richter in Karlsruhe eine Verletzung des Eigentums, wenn sie die Betroffenen übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen.

Übermäßig belasten, grundlegend beeinträchtigen – wann wäre das konkret der Fall? Darüber ließe sich politisch und verfassungsrechtlich streiten. Hier lässt die Verfassung der Politik Spielräume. Eine quasi zentimetergenaue Festlegung der Grenzen einer Vermögensabgabe ist schwierig. Aber eine anerkannte Faustregel gibt es. Lässt sich eine Vermögensabgabe – eventuell über mehrere Jahre gestreckt zahlbar – aus den Erträgen des Vermögens finanzieren, hat sie eher keine „erdrosselnde Wirkung“ und ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Greift die Abgabe dagegen in die Substanz des Vermögens ein, muss sie sich an der Eigentumsgarantie der Verfassung messen lassen. Dann ist sie schnell eine übermäßige Belastung mit erdrosselnder Wirkung. Die Folge: Sie ist als Verletzung der Eigentumsfreiheit verfassungswidrig.

Was lässt sich also als Fazit festhalten? Zurzeit ist eine Vermögensabgabe verfassungsrechtlich nicht möglich. Trotz gestiegener Staatsverschuldung in der Corona-Krise kann man nicht von einer „staatlichen Ausnahmelage“ sprechen, die eine Vermögensabgabe notwendig machen würde. Niemand kann ausschließen, dass sich das ändert. Dann wäre eine Vermögensabgabe denkbar.

Verfassungsrechtlich unproblematisch wäre sie aber nur, wenn sie sich auf den Ertrag des Vermögens beschränkt. Sobald sie stärker in die Vermögenssubstanz eingreift, ist sie als Verletzung des Eigentums verfassungsrechtlich unzulässig.


Über die Autoren:
Prof. Dr. André Schmidt ist Geschäftsleiter Strategie beim Multi Family Office WSH tätig. Seit 2007 ist er Professor für Internationale Wirtschaftspolitik an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Ein Jahr später erfolgte dann die Ernennung zum Lehrstuhlinhaber für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft der Privaten Universität Witten/Herdecke.

Volker Boehme-Neßler ist seit 2014 Professsor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zuvor war er von 1998 bis 2014 Professor für Europarecht, öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) in Berlin. Bei der WSH ist er als wissenschaftlicher Beirat tätig.

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