Bei Schenkungen und Erbfällen Behördenschreiben stellt Kunstsammler steuerfrei

Rechtsanwalt und Steuerberater Iring Christopeit ist Fachanwalt für Erbrecht und für Steuerrecht sowie Berater für Unternehmensnachfolge beim Family Office der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner.

Rechtsanwalt und Steuerberater Iring Christopeit ist Fachanwalt für Erbrecht und für Steuerrecht sowie Berater für Unternehmensnachfolge beim Family Office der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner. Foto: Peters, Schönberger & Partner

Die Steuergesetzgeber hatten schon früh erkannt, dass Kunstsammlungen vor allem aus Leidenschaft und Begeisterung entstehen und so regelmäßig eine „eingeschränkte Ertragskraft“ haben. Wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip des deutschen Steuerrechts ernst zu nehmen ist, war es also schon immer sachgerecht, Kunst und Kunstsammlungen möglichst umfassend von Erbschaft- und Schenkungsteuer, die sogar auf die Substanz des Gesammelten zugreift, freizustellen. Dementsprechend alt ist der Befreiungstatbestand des Paragraf 13 Absatz 1 Nr. 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).

Erst 2016 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) aber die Chance, die Voraussetzungen für diese Steuerbefreiung praxisnah zu konkretisieren und lange umstrittene Rechtsfragen zu klären. Aber auch danach war noch nicht zu erkennen, wie sich die Finanzverwaltung zu den Urteilen stellen würde. Denn die Urteile bedeuteten erhebliche Erleichterungen für die Kunstsammler. Eine Veröffentlichung des maßgeblichen Urteils aus Mitte Mai 2016 im Bundessteuerblatt erfolgte bisher nicht, auch keine Einarbeitung in die neuen Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019.

Nun, 100 Jahre nach der Einführung des Steuerbefreiungstatbestandes, liegt mit dem Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 4. Dezember 2019 soweit erkennbar die erste Äußerung der Finanzverwaltung zu den Urteilen aus dem Jahr 2016 vor. Endlich wird klargestellt, wie die Rechtsprechung des BFH aus 2016 umgesetzt werden soll. Endlich wird die Übertragung von Kunstsammlungen planbarer.

Ausgangssituation

Der Erwerb von Kunst im Rahmen einer Schenkung oder im Erbfall unterliegt der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Selbst wenn sich die Beteiligten als Steuerausländer einschätzen, greift das deutsche Besteuerungsrecht in vielen Fällen zu. Denn es genügt, wenn Erblasser oder Schenker oder der Erwerber nur einen Wohnsitz in Deutschland haben. Der gewöhnliche oder ständige Aufenthalt in Deutschland ist also nicht notwendig. Und ein Wohnsitz in Deutschland ist schnell begründet, zum Beispiel schon mit einer stets zugänglichen Ferienwohnung. Selbst in Steuerklasse I werden dann Steuersätze von bis zu 30 Prozent fällig – in der Steuerklasse III bis zu 50 Prozent.

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Besteht der Nachlass oder das Geschenk nur aus Kunst, droht die Veräußerung einzelner Kunstwerke und das Auseinanderreißen einer mühsam über Jahrzehnte aufgebauten Sammlung, um die Steuern begleichen zu können. Auch Bewertungsfragen können die steuerliche Abwicklung einer Schenkung oder eines Erbfalls erheblich erschweren. Denn nicht selten haben Finanzämter ganz eigene Auffassungen von einer sachgerechten Bewertung, die den Steuerpflichtigen in einen Gutachtenstreit zwingen können.

Das Thema der Paketzu- oder abschläge bei Sammlungen gehört hierher. Eine niedrige Bewertung ist in jedem Fall von hoher Bedeutung. Denn der Befreiungstatbestand kennt eine an die Bewertung anknüpfende Nachsteuer, die ausgelöst wird, wenn man steuerfrei übertragene Kunst innerhalb von zehn Jahren weiterveräußert oder aber die nachfolgend geschilderten Voraussetzung der Befreiung wegfallen. Eine niedrige Bewertung bedeutet also Vorsorge für eine etwaige Nachsteuer. Und: Sollte die Vermögensteuer kommen, dürften erbschaft- und schenkungsteuerliche Wertdeterminationen eine dankbare Quelle von Bemessungsgrundlagen für die Finanzämter sein.