Die Entscheidung für eine Multi Asset-Strategie fällt in der Regel wegen möglicher Diversifikationseffekte – also in Anbetracht unterschiedlicher Verhaltensweisen verschiedener Anlageklassen in bestimmten Marktsituationen. Dazu ein Beispiel: Eine Anlage in europäische Aktien (dargestellt am MSCI Europe Net TR Index) wird mit Euro-Unternehmensanleihen gleichgewichtet kombiniert. Diese Aufstellung wird dann mit einem Portfolio verglichen, in dem europäische Aktien mit chinesischen Staatsanleihen gleichgewichtet gemischt werden (siehe dazu auch Grafik 3).
Betrachtet man das Aktienrisiko isoliert (Standalone Risk), ist es für beide Portfolien gleich hoch. Denn die Kombination mit chinesischen...
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Die Entscheidung für eine Multi Asset-Strategie fällt in der Regel wegen möglicher Diversifikationseffekte – also in Anbetracht unterschiedlicher Verhaltensweisen verschiedener Anlageklassen in bestimmten Marktsituationen. Dazu ein Beispiel: Eine Anlage in europäische Aktien (dargestellt am MSCI Europe Net TR Index) wird mit Euro-Unternehmensanleihen gleichgewichtet kombiniert. Diese Aufstellung wird dann mit einem Portfolio verglichen, in dem europäische Aktien mit chinesischen Staatsanleihen gleichgewichtet gemischt werden (siehe dazu auch Grafik 3).
Betrachtet man das Aktienrisiko isoliert (Standalone Risk), ist es für beide Portfolien gleich hoch. Denn die Kombination mit chinesischen Staatsanleihen zeigt vor allem auch durch die zusätzliche Fremdwährung bei der Addition aller Risikofaktoren ein höheres isoliertes Risiko. Betrachtet man das Ergebnis hingegen auf Portfoliolevel (Risk Contribution), ergibt sich ein niedrigeres Gesamtrisiko für das Portfolio mit chinesischen Staatsanleihen und eine geringere Risikokontribution von der Aktienseite (über 7 Prozent geringer im Vergleich zu dem Portfolio mit Euro-Unternehmensanleihen). Dies ist unter anderem auch auf die niedrigere Korrelation zwischen europäischen Aktien und chinesischen Staatsanleihen im Vergleich zu Euro-Unternehmensanleihen zurückzuführen.
Grafik 3: Isoliertes Risiko pro Anlagenklasse im Vergleich zu dem Portfoliorisiko in einer Multi Asset-Allokation
Neben der Risikozusammensetzung darf auch die Ertrags- und Renditeseite nicht vernachlässigt werden. Der Ertrag, den man aus der Aktienseite erwarten kann beziehungsweise die Rendite, die man tatsächlich erreicht, ist in beiden Portfolien gleich hoch – bei geringerem Risiko.
Um Chancen und Risiken umfassend zu analysieren, lassen sich Portfolios aus verschiedenen Perspektiven durchleuchten. Dabei sind die folgenden drei Sichtweisen hilfreich:
- Blick in die Vergangenheit (Ex-Post-Betrachtung): ermöglicht eine Einschätzung des Risiko-Renditeverhaltens über vergangene Zeiträume, meist unter Annahme eines jährlichen statischen Rebalancings
- Aktuelle Sichtweise (Ex-Ante-Betrachtung): konzentriert sich auf Risiken sowie Risikofaktoren und ermöglicht dank klar herausgestellter Renditetreiber eine effizientere Verwaltung (siehe Grafik 4)
- Strategischer Weitblick: Die strategische Anlagenallokation ist mit 90 Prozent der wesentliche Treiber des Portfoliorisikos und damit der Risikoprämien. Um diese effizient aufzustellen, werden langfristige Kapitalmarkterwartungen, die neben Rendite, Risiko und Korrelationen auch Unsicherheit beinhalten können, verwendet. Eine der neuesten Weiterentwicklungen ist es, Nachhaltigkeit als Investmentchance und -risiko einfliessen zu lassen.
Welche der drei Sichtweisen im Fokus stehen sollte, ist unter anderem abhängig vom Anlagehorizont. Geht es beispielsweise um eine Interimslösung im Zuge einer Portfolioumstellung – etwa bei einer Transformation zu nachhaltigen Anlagen –, ist eine strategische Betrachtung nicht notwendig. Stattdessen sollte der Blickpunkt dann auf der Ex-Ante-Risikoanalyse liegen, auch aufgrund der komplexeren Verwaltung kurzfristiger Performance. Anders beim langfristigen Management unter anderem von Pensionsvermögen: Dort ist ein Schwerpunkt auf der strategischen Optimierung des Rendite- und Risikoprofils angebracht.
Grafik 4: Ex-Ante-Risikobetrachtung ermöglicht effizientere Portfolioverwaltung
Eine ex ante-Betrachtung hilft zum einen dabei, die Risikoprofile bestehender Portfolien besser zu verstehen. Zum anderen ermöglicht sie, Risikoverschiebungen bei Portfolioänderungen einzuschätzen. Tauscht man beispielsweise vorhandene regionale Aktienbausteine (bei indexorientierten Produkten meist kapitalmarktorientiert) in Vehikel mit ESG-Fokus, verschieben sich implizit die Stilfaktoren im Portfolio. Denn bei ESG-Ansätzen unterscheidet sich sowohl die Auswahl als auch die Gewichtungsmethode der Aktientitel oft signifikant vom Ausgangsindex.
Dabei stehen drei Ziele im Blickpunkt:
- Risikomessung auf Gesamtportfolioebene: Obwohl das Risiko weitaus deutlicher in den Vordergrund von Investmententscheidungen gerückt ist, ist eine Ex Ante-Risikoevaluierung ohne professionelle Technologie schwierig. Gerade dieser „Blick unter die Motorhaube“ ermöglicht es, das Portfoliorisiko anlageklassenübergreifend besser zu verstehen. Auch ein aktiver Vergleich bei Portfolioveränderungen ist damit möglich.
- Faktorenzerlegung: Analyse, wie stark verschiedene Risikofaktoren im Portfolio ausgeprägt sind – sowohl insgesamt als auch auf granularer Ebene, einschließlich Aktien, Anleihen und alternativer Anlageklassen.
- Szenario-Test: Verständnis davon, wie sich Portfolios in verschiedenen Szenarien verhalten könnten, inklusive Ereignissen mit geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten (Tail Risks).
Unter dem Strich lässt sich festhalten: Verschiedene Perspektiven zum Aufbau widerstandsfähigerer Gesamtportfolios sind bei professionellen Anlegern nicht nur zunehmend willkommen, sondern notwendig. Denn Widerstandsfähigkeit wird zum einen dadurch geschaffen, dass implizite oder versteckte Risikofaktoren aufgedeckt und besser verstanden werden. Und zum anderen dadurch, dass Szenarioanalysen die Allokation auch unter Extremsituationen auf Herz und Nieren prüfen. Damit hilft eine umfassende Betrachtungsweise, Portfolien erfolgreich durch makroökonomische Verschiebungen zu navigieren – sowohl taktisch als auch strategisch. Dies gilt insbesondere auch angesichts der Auswirkungen, die strukturelle Entwicklungen wie die Digitalisierung oder Nachhaltigkeit auf Finanzmärkte und Kapitalanlagen haben.
Über die Autorin: Stephanie Lang arbeitet seit beinahe 13 Jahren in verschiedenen verantwortungsvollen Positionen für Blackrock. Seit Anfang 2017 ist sie Leiterin der Portfoliostrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa. Bevor sie 2008 zu der Investmentgesellschaft kam, war Lang unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Regensburg und war bei Siemens und Daimler tätig.