Herr Sieg, welche Rolle spielen nachhaltige Sachwerte im Portfolio eines Anlegers, und warum sind sie gerade jetzt wichtig?
Michael Sieg: Die Erfahrung der letzten 18 Monate war für viele Anleger eine Achterbahnfahrt. Die Zinssätze für kurzfristige Anleihen sind immer noch negativ, traditionelle Rentenfonds bieten Renditen, die weit unter der Inflation liegen, und die Aktienmärkte sind stark vo...
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Herr Sieg, welche Rolle spielen nachhaltige Sachwerte im Portfolio eines Anlegers, und warum sind sie gerade jetzt wichtig?
Michael Sieg: Die Erfahrung der letzten 18 Monate war für viele Anleger eine Achterbahnfahrt. Die Zinssätze für kurzfristige Anleihen sind immer noch negativ, traditionelle Rentenfonds bieten Renditen, die weit unter der Inflation liegen, und die Aktienmärkte sind stark volatil. Kein Wunder also, dass Anleger ihre Portfolios überarbeiten wollen, vorzugsweise auch im Hinblick auf ihre ökologischen und sozialen Ergebnisse. Die Investition in börsennotierte Wertpapiere, egal ob Aktien oder Anleihen, kann durchaus ein sinnvoller Weg sein, um nachhaltiger zu werden, aber wir sollten uns im Klaren sein, dass es sich dabei um Geldwerte und nicht um Sachwerte handelt.
Selbst die Investition in einen „dunkelgrünen“ börsennotierten Aktienfonds oder der Kauf der Aktie des rennomiertesten Unternehmens führt der Realwirtschaft kein neues Geld zu, sondern verändert lediglich den Besitz eines Anteilsscheins. Gerade jetzt, wo die Länder versuchen, besser und stärker aus der Covid-Rezession hervorzugehen, werden Investitionen in nachhaltige reale Vermögenswerte der Haupttreiber des Wirtschaftswachstum sein. Angesichts der historisch sehr hohen Bewertung von Aktien, kann der Anleger von heute die wahren Vorteile von Infrastrukturinvestitionen – gute risikoadjustierte Renditen und Portfoliodiversifizierung durch nicht korrelierende Anlagen – am besten auf dem privaten Markt erzielen und sowohl von einer geringeren Volatilität als auch von höheren absoluten Renditen profitieren.
Thema Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation/SFDR) – geht die Verordnung weit genug?
Sieg: Wir begrüßen die SFDR-Verordnung. Sie ist ein notwendiger und wichtiger Baustein, um sicherzustellen, dass der europäische Grüne Deal bei der Transformation der EU-Wirtschaft hin zur Klimaneutralität bis 2050 erfolgreich ist. Alle unsere Investmentfonds werden dem „dunkelgrünen“ Artikel 9 SFDR-zugeordnet. Und obwohl wir stolz auf diese Errungenschaft sind, würden wir uns wünschen, dass die SFDR noch weiter geht. Insbesondere unterscheiden die Klassifizierungen nicht zwischen Finanzinvestitionen, die der Wirtschaft kein neues Geld zuführen und Investitionen in reale Vermögenswerte, die Wachstum und Beschäftigung vorantreiben, Gemeinden umgestalten und das Leben dort positiv verändern. Für einige Investmentmanager wird es immer noch zu einfach gemacht, bestehenden Aktienportfolios einen neuen Anstrich in Sachen ESG zu verpassen, damit sie sich unter SFDR-Artikel 8 oder 9 qualifizieren. Für Investoren wird es dadurch schwierig, die entsprechenden Vorteile dieser sehr unterschiedlichen Investmentansätze miteinander zu vergleichen.
Wie messen Sie Impact?
Sieg: Wir sind fest davon überzeugt, dass wir nur dort investieren, wo unser Geld einen Unterschied macht. Impact Investing ist zielgerichtet und überlegt und konzentriert sich darauf, das Richtige zu tun und gleichzeitig positive Ergebnisse zu erzielen – sowohl für den Investor als auch für das Unternehmen, in das investiert wird. Ein Konzept, von dem beide Seiten profitieren. Es geht über das sogenannte „ESG-Investment“ hinaus. Ein Fokus auf ökologische, soziale und Governance-Faktoren kann hilfreich sein, um die Werte, Prozesse und Richtlinien eines Unternehmens zu verstehen. Sie sollten als Wegweiser auf einer Reise betrachtet werden, nicht jedoch als die Ergebnisse am Zielort. ESG ist wichtig, aber Impact ist noch viel wichtiger. Wir erstellen jährlich umfassende Impact Reports, welche die sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen unserer Investitionen in erneuerbare Energien beleuchten. Dabei ist fundiertes lokales Wissen und ein tiefes Verständnis für die Länder und Gemeinden, in denen wir tätig sind unumgänglich. Nur dann können wir die Auswirkungen, die wir in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen, öffentliche Bauprojekte und Umweltverbesserungen erzielt haben, auf solide Weise belegen.
Warum sind Schwellenländer für Sachwertanlagen interessant?
Sieg: Wir investieren dort, wo unser Kapital einen Unterschied macht und glauben, dass wir in den asiatischen Schwellenländern den größten Unterschied machen können. Dafür gibt es zwei unterschiedliche Gründe. Der erste bezieht sich auf die Kaufkraft der Anlagegelder. Obwohl Wohlstand, Einkommen und Bruttoinlandsprodukt in den letzten 20 Jahren enorm gestiegen sind, ist es immer noch so, dass man mit einem Dollar oder Euro, der in den Schwellenländern ausgegeben wird, mehr Land und Arbeitskraft kaufen kann als in entwickelten Märkten wie Westeuropa. Das bedeutet, dass wir mehr bewirken können; wir können mehr Menschen beschäftigen, ihre Gemeinschaften verändern, ihr Wachstum unterstützen und an ihrem Erfolg teilhaben. Gemeinsam mit den Unternehmen, in die wir investieren, können wir die Standards in den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit sowie Unternehmensführung anheben und positive Veränderungen in der gesamten Zuliefererkette herbeiführen.
Der zweite Grund ist der Umweltschutz. In Asien lebt derzeit die Hälfte der Weltbevölkerung und die „Kohlenstoffkosten“ des Wirtschaftswachstums – die wir als CO2-Emissionen pro Billion Dollar des Bruttoinlandsprodukts berechnen – sind mehr als viermal so hoch wie in den größten Ländern Europas. Wir haben heute neue Technologien, die helfen können, die Luftverschmutzung und den Klimawandel zu reduzieren und abzuschwächen. Aufgrund ihrer Geografie sind die asiatischen Länder mit dem höchsten Anstieg des Energiebedarfs auch am besten für eine Versorgungskette geeignet, die ihre enorme Sonneneinstrahlung und ihr Biomasse-Brennstoffpotenzial nutzt. Es gibt nur einen Planeten und eine Lösung der globalen Umweltproblematik, und diese wird beträchtliche Investitionen erfordern, um das Emissionsspektrum in Asien zu verschieben. Dies ist eine enorme Chance für Investoren.
Die Förderbanken, wie die KfW, sind in vielen Staaten der Schwellenländer aktiv. Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihnen aus?
Sieg: Die Institutionen für die Entwicklungsfinanzierung und Entwicklungsbanken spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Investitionen des Privatsektors und der Festlegung strenger Governance-Standards auf lokaler und internationaler Ebene. Wir sind ein akkreditierter Partner der Europäischen Investitionsbank als auch der Weltbank über deren International Finance Corporation. Die Partnerschaft mit diesen Organisationen ist nicht nur für die Kapitalbeschaffung wichtig, sondern auch wegen des höheren Bekanntheitsgrades und der Anerkennung, die sie uns verleiht. Das offizielle „Gütesiegel“ einer nationalen oder supranationalen Entwicklungsinstitution hilft den Investoren bei ihrer Due-Diligence-Prüfung und dient der Validierung unserer Investitionsphilosophie und -prozesse.
Wie definieren Sie konkret den Bereich der Infrastruktur und welche Themen zählen Sie zu den erneuerbaren Energien?
Sieg: Es gibt keine allgemeingültige Definition von Infrastruktur, aber bei der Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung weist sie gemeinsame Merkmale auf, von denen das bemerkenswerteste ein längerfristiger Investitions- und Ertragshorizont ist. Der Bau und die Entwicklung von Anlagen kann viele Jahre dauern, und ihre Betriebsphase ist ebenfalls von wesentlich längerer Dauer als bei der Produktion von Investitions- oder Konsumgütern. Infrastruktur umfasst eine breite Palette von Anlagen in vielen Sektoren: Straßen, Häfen, Eisenbahnen, Rohrleitungen, Tunnel und Flughäfen. Sie beinhaltet die Stromübertragung und -erzeugung – ob konventionell oder erneuerbar –, bodengebundene oder orbitale Telekommunikation, Rechenzentren, Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und kann auch Wohnungen, Bildungseinrichtungen, Gefängnisse, Stadien und Gesundheitseinrichtungen umfassen.