3,8 Billionen Euro verwaltete Assets Wie Irland zu einem der wichtigsten Finanzstandorte Europas wurde

Blick auf die Docklands in Dublin: Dort schlägt das Herz der irischen Finanzbranche.

Blick auf die Docklands in Dublin: Dort schlägt das Herz der irischen Finanzbranche. Foto: Imago Images / Wirestock

Die Dublin Docklands sind von regem Treiben geprägt. Viele Banken, Asset Manager, Fintechs und andere Finanzdienstleister sind hier ansässig, oft handelt es sich um den europäischen Sitz der Unternehmen. Es wird Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch und Französisch auf den Straßen gesprochen, der Stadtteil ist international geprägt. Hier schlägt das Herz der irischen Finanzindustrie. 

Als Irland am 1. Januar 1973 Mitglied der Europäischen Union wird, sieht es ganz anders aus. Die Republik ist das ärmste Land Europas. Wie hat sich die Insel zu einem wichtigen Standort der Finanzindustrie gemausert? Das private banking magazin hat am Rande eines Medienevents von Mediolanum mit Michael D'Arcy gesprochen, dem ehemaligen Staatsminister der Finanzen und heutigem Vorsitzenden der Irischen Assoziation der Investment Manager.

Unternehmenssteuer als Startschuss

„Im Jahr 1987 ging alles los“, sagt D'Arcy. Damals entschied sich Irland dafür, die Unternehmenssteuer auf 12,5 Prozent festzulegen – ohne zusätzliche Kosten, Sondersteuern, Hürden oder Schlupflöcher. „Jeder weiß, was er tatsächlich zu bezahlen hat. Das macht es für Unternehmen bedeutend einfacher.“

Michael D'Arcy, ehemaliger Staatsminister der Finanzen und Vorsitzender der Irischen Assoziation der Investment Manager.
Michael D'Arcy, ehemaliger Staatsminister der Finanzen und Vorsitzender der Irischen Assoziation der Investment Manager. © Imago Images / Xinhua

Gerade Asset Manager, Fonds und ETF's haben Dublin für sich entdeckt. Stand Oktober 2023 werden laut D'Arcy 3,8 Billionen Euro Assets aus Irland verwaltet, das Gros davon in der Hauptstadt. Im Rest von Irland, sowie in Nordirland, das Teil des Vereinigten Königreichs ist, sei jedoch auch ein Wachstum festzustellen. 

Wachstum durch den Brexit 

Ein Faktor, der das Wachstum Irlands beschleunigt hat, kam im Januar 2013. „Damals hat der damalige Premierminister Großbritanniens, David Cameron, angekündigt, dass es ein Referendum über den Verbleib in der EU geben wird“, sagt D'Arcy.

Nach der Ansage habe man in Großbritannien ansässigen Finanzunternehmen das Angebot gemacht, bei Schwierigkeiten nach Dublin zu kommen. „Ich habe der britischen Regierung versichert, dass es nicht um Abwerbungen geht. Lediglich darum, diesen Unternehmen eine Alternative anzubieten – falls gewünscht“, versichert D'Arcy. Dass am Ende Großbritannien nicht nur die EU verlässt, sondern auch den europäischen Binnenmarkt, war zu dem Zeitpunkt nicht absehbar.

Welchen Effekt der Brexit dann hatte, lässt sich den Zahlen sehen: Innerhalb von fünf Jahren stiegen die verwalteten Assets von 1,3 Billionen Euro auf 3,1 Billionen Euro. Und dieser Trend hält an, wie die aktuellen 3,8 Billionen Euro zeigen.

Fintechs als zusätzliche Branche

Aufgrund der Unternehmenssteuer wurden nicht nur Finanzdienstleister nach Irland gezogen – sondern auch Tech-Firmen. Dadurch entstanden Synergien, von denen der Standort bis heute profitiert. Die Fintech-Branche wächst. „Irland ist ein Hub, wenn es um junge, qualifizierte Mitarbeiter im Technologiebereich geht“, sagt D'Arcy. Und sollten die Technologie-Unternehmen das Land irgendwann wieder verlassen, habe sich ein Wissensstandard etabliert. 

Dem stimmt auch Jennifer Carroll MacNeill, aktuelle Staatsministerin der Finanzen, zu: „Irland ist ein sehr agiler Finanzplatz, mit großen Synergien. Durch die kurzen Wege sind der Austausch und Ideen immer willkommen – auch zum Finanzministerium.“

Finanzsektor als Säule der Regierung – inklusive Regulierungen

Dass Irland zum zweitgrößten Finanzplatz in Europa gewachsen ist, wenn es um verwaltetes Vermögen geht, ist laut MacNeill kein Zufall. Allein 60 Prozent aller europäischen ETFs werden hier verwaltet. „Es ist unsere Regierungsstrategie“, erklärt MacNeill. 

MacNeill ist zwar lediglich Staatsministerin der Finanzen, verantwortet jedoch unter anderem Finanzdienstleistungen. Eine Unterscheidung zu anderen europäischen Staaten. Die Staatsministerin ist zudem eine Unterstützerin eines einheitlichen, europäischen Marktes. Irland habe daher als Vorstoß eingebracht, die Unternehmenssteuer auf 15 Prozent zu erhöhen, obwohl dies ein Nachteil für Irland wäre im Vergleich zur aktuellen Situation. Die Aussichten Irlands seien trotzdem gut, betont MacNeill.

Jennifer Carroll MacNeill, aktuelle Staatsministerin der Finanzen.
Jennifer Carroll MacNeill, aktuelle Staatsministerin der Finanzen. © Flickr

Nicht London, nicht Paris, nicht Genf: Einfach Dublin

Und wie sieht die Zukunft Irlands aus? „Wir werden nicht das nächste London, Paris oder Genf“, erklärt D'Arcy im Gespräch mit diesem Medium. Man profitiere zwar stärker als gedacht durch den Brexit. Reines Wachstum sieht er jedoch nicht als Schlüssel des Finanzsektors in Irland. „Alles muss stabil sein. Ohne Stabilität funktioniert nichts“, findet D'Arcy. Den Vorstoß zu einem einheitlichen europäischen Markt unterstützt er daher.

Die Verbindungen des irischen zum deutschen Finanzmarkt sieht D'Arcy als Vorteil für sein Land. „Es gibt einen kleinen und einen großen Partner. Beide sollte voneinander profitieren“, erläutert D'Arcy. Dies sieht er zwischen Deutschland und Irland. Immerhin rechne man mit einem verwalteten Vermögen von 4,4 Billionen in den kommenden Jahren. Ein stabiles, prosperierendes Deutschland sei von Europa von Vorteil. Für ein kleines Land wie Irland umso mehr.

Regulierung als Anker 

„Irland ist besser aufgestellt als je zuvor“, sagt D'Arcy. Nun gehe es trotz des herausragenden Wachstums darum, Dublin und Irland als Finanzplatz zu ankern. Stabilität sei der entscheidende Faktor. Weshalb sich Irland laut dem Ex-Staatsminister auch für Regulierungen in Europa starkmacht. Wenn alle dieselben Regeln hätten, sorge dies für Gerechtigkeit – der Hauptgrund, warum er und seine Nachfolgerin sich für den einheitlichen Markt starkmachen.

 

Einheitliche Regeln würden für einen fairen Umgang innerhalb Europas sorgen, glaubt MacNeill. Gleiche Grundvoraussetzungen seien ein Teil davon. Daher setze sich Irland auch für die Unternehmenssteuer von 15 Prozent in Europa ein.

Für D'Arcy ein weiterer wichtiger Punkt: „Wir hatten bisher häufig nur das Backend in Irland. Wir wollen verstärkt auch das Frontend bei uns haben.“ Denn die nächste Krise komme sicherlich. Und in dem Fall soll der Finanzsektor stark genug sein, um Widrigkeiten zu überstehen. Da bringe alles Wachstum nichts, wenn es im Handstreich wieder verschwindet. 

In den vergangenen Jahren sehe man immer häufiger, dass genau dieser Effekt eintrete. Und je mehr Frontend in den Docklands ankomme, desto stabiler präsentiere sich Irland. D'Arcy: „Einst bestand die Gegend aus Steinhaufen, die Bands für Albumcover benutzt haben.“ Heute undenkbar, an einem der wichtigsten Finanzmärkte Europas.

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