Kommentar und Chronik Verliert das Private Banking seine Seele?

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Verliert das Private Banking seine Seele?
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Ralf Vielhaber vom Verlag Fuchsbriefe

Ralf Vielhaber vom Verlag Fuchsbriefe: Der Konsolidierungs- und Standardisierungsprozess in der Branche geht weiter. Foto: Fuchsbriefe

Der Berater war bis zur Jahrtausendwende häufig ein Aktien-Freak, der den Kunden beeindrucken wollte. Kundengespräche waren entweder Monologe, in denen der Vermögensverwalter sein Fachwissen über die Börsen und einzelne Aktien ausbreitete. Oder die Beratung bestand aus einem lockeren Plausch in plüschiger Umgebung mit anschließendem Mittagessen.

In die Schweiz und Liechtenstein reiste der Kunde aus Deutschland mehr als Bittsteller, denn als Umworbener. Er hatte ja meist etwas zu verstecken, von dem der heimische Finanzbeamte nichts wissen sollte. Die Performance kam nicht zuvorderst aus der Geldanlage, sondern aus der Steuerersparnis. Das Bemühen um den Kunden hielt sich folglich in engen Grenzen.

Private Banking im deutschsprachigen Ausland bis zur Jahrtausendwende mit starkem Steuerspar-Fokus

In Österreich war herausragendes Private Banking auf sehr wenige Adressen beschränkt. Auch dort hatte sich eine blühende „Steuerspar-Kultur“ etabliert, die vor allem in den an Deutschland grenzenden österreichischen Exklaven Jungholz und Kleinwalsertal spross und viele gute Ideen, die aber leider nicht immer steuerkonform waren, hervorbrachte.

 

Luxemburg, das ebenfalls auf „Steuersparen“ gesetzt hatte, um Kunden aus Deutschland anzuziehen, bot Beratung größtenteils ohne Niveau. Dann kam der Schwarzgeld-Skandal der CDU zu Ende des 20. Jahrhunderts und stürzte den Finanzstandort Liechtenstein in ein „dunkles Zeitalter“, aus dem man sich mühsam herauskämpfen musste. Die Schweiz brauchte noch etwas länger, bis auch sie erkannte, dass sie ins Fadenkreuz der europäischen und US-amerikanischen Steuerbehörden geraten war.

In diesem Umfeld begann die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz ihre Arbeit mit dem Ziel Qualität im Private Banking transparent zu machen.

Die Nuller-Jahre: Goldene Jahre fürs Private Banking

Die Nullerjahre brachten viel Bewegung ins Private Banking, insbesondere in Deutschland. Die Jahre von 2004 – mit dem Ausklingen der neue Markt-Krise und dem kräftigen Wiederaufschwung der Börsen – bis 2008, dem Beginn der Finanzkrise, waren goldene Jahre für die Branche. Die Financial-Planner-Bewegung verhalf der ganzheitlichen Beratung, die das Kundenanliegen und den Kunden selbst in den Mittelpunkt stellt, zum Durchbruch am deutschen Markt.

Ursprünglich noch als eigenständige Dienstleistung für Vermögende gedacht, etablierten sich die Beratungsgrundsätze der „CFPs“ (Certified Financial Planner) immer mehr in den Alltag des Private Banking. Die Depots wurden nun aus den Kundenbedürfnissen abgeleitet und nicht nach Erfahrung und Bauchgefühl des Beraters zusammengestellt. Risikoprofile des Kunden bekamen einen neuen Stellenwert. Das sorgfältige Abklopfen der Kundensituation und -bedürfnisse wurde zentraler Bestandteil eines qualitätvollen Beratungsgesprächs.

Kundengespräche wurden jetzt oft mit zwei Beratern geführt und es wurde hauseigene Expertise bei Fachfragen einbezogen. Das Beratungsniveau zog eindeutig an, der Vorteil lag beim Kunden. Die Hamburger Regionalbank Berenberg setzte neue Maßstäbe in Beratung und Anlagevorschlägen. Die Portfoliooptimierung nach dem Nobelpreisträger Harry Markowitz setzte sich immer mehr durch. Die Banken begannen, für ihre Anlagevorschläge „Stresstests“ zu entwerfen. Die Krise und die mit ihr einhergehenden Verluste am Neuen Markt und im Dax waren noch frisch in Erinnerung. Diese neuen Standards inspirierten auch den deutschsprachigen Private-Banking-Markt außerhalb Deutschlands.

Der versuchte Erstürmung des deutschen Marktes durch die Schweizer Banken

Die Schweizer Banken setzten dazu an, den deutschen Markt im Sturm zu erobern. Auch Liechtensteinische Häuser, wie insbesondere die Bank des Fürstenhauses, die LGT Bank, wagten den Sprung über die Grenze. Ganze Teams wurden bei anderen Banken abgeworben, zahlreiche regionale Standorte aufgemacht. UBS, Credit Suisse, Julius Bär, Pictet, Vontobel, einige Kantonalbanken – sie alle wagten sich aufs glatte deutsche Parkett – und zahlten viel Lehrgeld am zersplitterten, durch regionale Einheiten und immer noch von Sparkassen und Volksbanken dominierten Markt. Sie wollten den Unternehmer als Kunden gewinnen und sich vom schweizerischen Steuerhinterziehungs-Image absetzen.

 

Viel Geld floss in den Aufbau der Niederlassungen. Doch schnell zeigte sich, wie schwierig es war, unterschiedliche Beratungskulturen unter einem Dach zu vereinen und ein einheitliches Qualitätsniveau zu etablieren. Gute Beratung wurde für den Kunden zur Glückssache – je nachdem, an welchem Standort er anklopfte und welchen Berater er antraf. Gerade auch bei den Großbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank oder Hypovereinsbank erwies sich das als Nachteil für Kunden, die Qualität in der Beratung suchten.

Die Finanzkrise als Wendepunkt und der Eingriff des Staats in den Beratungsprozess

Dann kam das Jahr 2008 und mit ihm die Finanzkrise, an der die Bankenwelt mitschuldig war. Die Reputation des Sektors insgesamt litt schwer. Der bis dahin gesuchte Beruf des (Private) Bankers hatte plötzlich bei jungen Menschen ein Schmuddel-Image. Viele Kunden verloren enorm viel Geld, weil ihnen Banken teure Beteiligungsprodukte und unverständliche Zertifikate ins Portfolio gelegt hatten. Über das Risiko eines möglichen Totalverlustes war nicht aufgeklärt worden. Oft hatten die Berater die von ihnen verkauften Produkte selbst nicht richtig verstanden.

Der Staat griff in den Beratungsprozess ein und entwickelte neue Standards für die Beratung, die vor allem an den Bedürfnissen von Kleinkunden ausgerichtet sind. Die Reformbemühungen mündeten in der 2018 in Kraft getretenen Brüsseler „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“. Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) ist seitdem das regulatorische Rahmenwerk für Wertpapiergeschäfte in Europa.

Telefonate mit Kunden müssen seit 2018 mitgeschnitten werden, standardisierte Protokolle erstellt werden. Sie machen den Beratern immer Arbeit, aber für den individuelle Beratung und Betreuung suchenden Private-Banking-Kunden in der vorgeschriebenen standardisierten Form selten Sinn. Die Umsetzung beschäftigt die Banken zum Teil noch heute. Das kostet(e) enorme finanzielle und personelle Ressourcen und lenkte den Blick vom Wesentlichen ab: vom Kunden und seinen Bedürfnissen.

Die Qualität am deutschen Private-Banking-Markt lässt wieder nach

In Deutschland, lange Jahre Qualitäts- und Innovationsvorreiter im Private Banking, schlug das besonders stark durch. Die Qualität entwickelte sich zurück. Der Expansionsprozess der Schweizer kam ins Stocken, der deutsche Markt verlor damit einen Wettbewerbsimpuls. Immer mehr Häuser zogen sich vom deutschen Markt zurück oder dampften ihr hiesiges Geschäft ein. Fusionen und die Schließung vielfach erst vor kurzer Zeit eröffneter Niederlassungen prägten die Branche.

 

Der Standort Luxemburg verabschiedete sich bis 2015 als Anlaufstelle für deutsche Kunden aus dem Geschäft. Schade eigentlich… Denn zuvor hatten die Private-Banking-Abteilungen der dortigen Banken qualitativ deutlich zugelegt, zumindest die in Luxemburg ansässigen deutschen Adressen. Einziger, aber gravierender Nachteil: Sie waren im Vergleich zu den Mutterhäusern zu teuer und boten, da auch im europäischen Rechts- und Währungsraum beheimatet, keinen signifikanten Vorteil mehr.

Der Weißgeld-Ruck geht durch Österreich, Liechtenstein und die Schweiz

Durch die Schweiz, Österreich und Liechtenstein ging nach 2008 ein „Weißgeld“-Ruck. Die Schließung des Bankhauses Wegelin und das harte Vorgehen der US-Steuerbehörde gegen die schweizerischen Banken zwang diese zu einem konsequenten Abschied von Steuerspar-Strategien und einer stärkeren Fokussierung auf beraterische Tugenden und Stärken.

Die Schweiz hat für Kunden aus aller Welt bis heute ihre Attraktivität als unabhängiger Finanzplatz mit starker Währung. Das wird sie auch weiter stark im Bewusstsein deutscher Kunden halten. Vor allem je mehr Europa und der Euro abrutschen. Der Qualität in der Beratung selbst war das aber bis heute nicht zuträglich. Der Standortvorteil nimmt Qualitätsdruck aus dem Markt.

Die 2010er Jahre: Das Jahrzehnt der Standardisierung

Das zweite Jahrzehnt ist somit das Jahrzehnt der Standardisierung im Beratungsprozess und bei den Anlageprodukten. Für den Kunden, der individuelle Beratung und Anlagekonzept sucht, ist das keine gute Nachricht. Das Niveau im Beratungsprozess hatte sich zwar in der Breite deutlich gesteigert. Beratungsprotokolle waren lange Zeit State-of-the-art, Anlagevorschläge nahmen immer häufiger Punkte auf, die die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz in ihren Markttests als Best Practice aus Kundensicht herausgestellt hatte. Doch auch hier wurde und wird unter dem Eindruck von Kosteneinsparnotwendigkeiten das Rad wieder zurückgedreht.

 

Und das, obwohl die Notenbankpolitik einen Anlagenotstand provoziert hatte. Das Gelddrucken spülte enorme Anlagevermögen an die Strände der Vermögensverwaltungen, aus denen sie Provisionen abschöpfen konnten. Doch das rückläufige Zinsgeschäft lastete schwer auf den Banken insgesamt und so hatten nur wenige Häuser die Mittel, weiter in Qualität zu investieren.

Qualitätsaufschwung im österreichischen Private Banking

Auffällig ist hier der Qualitätsaufschwung, den die Österreicher genommen haben. Obwohl die Anbieter vergleichsweise klein waren (und noch sind), ist es ihnen gelungen, das in einen Vorteil umzumünzen. Denn die Teams sind überschaubar und Qualität lässt sich viel besser über die Breite der Beraterschaft implementieren.

Kunden nehmen das an einer Riege zum Teil herausragender Adressen wahr, die ihren Beratungsprozess neu aufgesetzt und in Top-Form gebracht haben und auch erstklassige, kundengerechte Anlagekonzepte liefern. Die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz benennt sie Jahr für Jahr in ihren Markttests. Daran können sich vor allem Schweizer Adressen eine dicke Scheibe abschneiden.

Erneute Zeitenwende: Nachhaltigkeit als Muss in der Beratung

Das neue Jahrzehnt steht unter dem Eindruck der Nachhaltigkeitsdebatte. Die Entscheidung der EU, Milliarden für den Umbau der Wirtschaft locker zu machen und Nachhaltigkeit zum Muss für die Beratung zu erklären, war für zahlreiche Häuser der endgültige Startschuss, das Thema konsequent in den Beratungsprozess zu integrieren. Doch es ist so komplex, dass viele Anbieter in der Theorie der praktischen Umsetzung in der Beratung weit vorausgeeilt sind.

Die Berater sind oft nur rudimentär im Thema ausgebildet. Sich beständig auf dem Laufenden zu halten, erfordert große Eigeninitiative bei den Beratern. Da es zu einem Imageverlust führen würde, nachhaltiges Private Banking mit dem eigentlich notwendigen Preisaufschlag zu belegen, versuchen die Banken, das Gebührenniveau insgesamt anzuheben. Außerdem schieben sie die Einstiegsgrenzen für die Einzeltitelanlage immer weiter nach oben. Für nachhaltige Portfolios sind Volumen von 5 Millionen Euro keine Ausnahme mehr.

Inflation! Die Banken erkennen den Paradigmenwechsel erst sehr spät

Und schon kommt die nächste Krise auf Private Banker und ihre Kunden zu. An den Märkten findet mit dem Aufkommen einer massiven Inflationswelle der nächste Paradigmenwechsel statt. Hier haben sich die Anbieter nicht mit Ruhm bekleckert. Viele folgen in ihren Inflationsprognosen der Europäischen Zentralbank wie der Hund dem Herrchen. So haben auch die Privatbanken die Hartnäckigkeit und Intensität der Inflationswelle erst sehr spät erkannt und somit auch deren Folgen für die Anlagevermögen der Kunden.

 

Die Notenbanken müssen die Geldvergabe straffen, die Zinsen steigen wieder, Umbauten im Anlageportfolio werden nötig, die Produkte und Portfoliostrategien müssen allesamt scharf angeschaut werden. Zumal eine Stagflationsphase und ein Bärenmarkt an der Börse begonnen haben.

In der Krise gilt es sich als Berater zu bewähren. 2008 war das oft nicht der Fall. Der Kontakt zum Kunden wurde zu spät aufgenommen, Portfolios nicht rechtzeitig überprüft. Inzwischen haben die Private-Banking-Institute hierzu eindeutige Prozesse aufgesetzt, wann sie spätestens ihre Kunden kontaktieren und mit ihnen beraten, wie man sich aufstellen sollte. Ob das von der ausgedünnten Manpower bewältigt werden kann, muss sich noch zeigen.

Die Standardisierung geht weiter – verliert das Private Banking seine Seele?

Absehbar ist: Der Konsolidierungs- und Standardisierungsprozess in der Branche geht weiter. Doch gerade die Standardisierung von Produkten und Prozessen kommt den kostengünstigen Robo Advisern entgegen, die seit einem Jahrzehnt auf dem Markt sind und zunehmend Aufmerksamkeit erfahren. Die Private-Banking-Kundschaft wird jünger und technik-affiner. Die Geldhäuser und unabhängigen Vermögensverwalter müssen beides klug miteinander verbinden, um am Markt gebraucht zu werden und ihre deutlich höheren Kosten rechtfertigen zu können. Mit immer mehr Standardisierung, bei der der Kunde zum Angebot und nicht zuvorderst das Angebot zum Kunden passen muss, droht Private Banking seine Seele zu verlieren. Denn die besteht darin, individuell auf die persönlichen Wünsche und Ziele des Kunden einzugehen und ihm maßgeschneiderte Anlagekonzepte zu erarbeiten.

Ganzheitliche, den Kunden in den Mittelpunkt stellende Beratung und individuelle Anlagekonzepte, werden weiterhin das entscheidende Qualitätskriterium für gutes Private Banking bleiben – denn das können die Maschinen bislang nicht leisten. Die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz wird auch im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens reichlich zu tun haben, „Qualität im Private Banking transparent“ zu machen.

Über den Gastautor:
Ralf Vielhaber ist seit 2007 Geschäftsführer des Verlags Fuchsbriefe. Nach Studium der Germanistik und Geschichter volontierte er beim Weser Report in Bremen und war seit 1995 Chefredakteur und Verlagsleiter bei Fuchsbriefe. Zusammen mit Jörg Richter vom Institut für Qualitätssicherung und Prüfung von Finanzdienstleistungen (Dr. Richter | IQF) bildet er als Partner die Fuchs | Richter Prüfinstanz.

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