Stefan Rädler von Deutsche Oppenheim FO „Wir müssen der Rezession ihren negativen Beigeschmack nehmen“

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Stefan Rädler von Deutsche Oppenheim FO
„Wir müssen der Rezession ihren negativen Beigeschmack nehmen“
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Stefan Rädler vom Deutsche Oppenheim Family Office

Stefan Rädler vom Deutsche Oppenheim Family Office: „Die historischen Korrelationen helfen einem jedenfalls nicht unbedingt weiter.“ Foto: Deutsche Oppenheim Family Office

Hand aufs Herz: In den vergangenen zehn Jahren konnte man in der Kapitalanlage wenig falsch machen, oder?

Rädler: Da stimme ich Ihnen zu. Zumindest solange man nicht emotional auf Ereignisse wie den kurzfristigen Aktienmarkteinbruch des März 2020 reagiert hat.

Inwieweit müssen Sie sich im Portfoliomanagement des Family Offices nach so fetten Jahren nun rechtfertigen?

Rädler: Eigentlich gar nicht. Wir haben unsere Kunden schon in den vergangenen Jahren darauf eduziert, dass die Ertragserwartungen für die Portfolios sehr überschaubar und nach den überdurchschnittlichen Jahren mit entsprechenden Risiken verbunden sind. 

Warum? 

Rädler: Die exorbitant guten Realerträge der vergangenen Jahre wurden von den Zentralbanken subventioniert. Man könnte salopp sagen: Nach der Party folgt der Kater. Heißt: Auf so eine Phase hoher Erträge folgen eben niedrige Realerträge. Und: Die Inflation ist einfach nicht so transitorisch und damit einfach zu bekämpfen, wie es manche Zentralbank gerne hätte. Dass zu der Inflation auch noch andere Sorgen hinzukommen, ist unglückliches Timing, aber nicht unbedingt Zufall. 

 

Sie sprechen das unglückliche Timing an: Hat der Kriegsausbruch die dauerhafte Rückkehr der Inflation erst so richtig losgetreten?

Rädler: Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Inflation war speziell in den USA schon lange vor dem Krieg zurück. Zwar hat der Kriegsausbruch mehr Dynamik in die Teuerung gebracht, sie angeschoben und sie auf ein höheres Level gehoben, die Lohn-Preis-Spirale in den USA gab es allerdings schon vorher. Und auch in Europa lag die Inflation Anfang 2022 bereits bei 5 Prozent, und damit deutlich vom Inflationsziel 2 Prozent entfernt.

Was waren dann die Inflationstrigger?

Rädler: Auslöser waren drei Faktoren: zum einen die schon erwähnte expansive Geldpolitik. Schauen Sie sich etwa die europäische Überschussliquidität der Banken an: 4,5 Billionen Euro, die unverzinst bei der EZB angelegt werden, anstatt sie produktiv arbeiten zu lassen. Der zweite Auslöser sind die durch Corona unterbrochenen Lieferketten – bei einer auf „just-in-time“-Produktion angelegten Industrie. Und dazu kam dann noch eine äußerst expansive Fiskalpolitik, die zum Beispiel in den USA Steuerschecks an die Bürger verschickt hat und somit die Nachfrage beflügelte. Die Nachfrage ab 2021 konnte dann nicht bedient werden – was die Güterpreise getrieben hat. Das war der Katalysator, der die Lohn-Preis-Spirale ausgelöst hat.

„Die Märkte unterschätzen, wie lange die Inflation noch auf hohem Niveau verharrt“ 

Haben die Zentralbanken zu spät reagiert?

Rädler: Sie sind beide – also EZB und Fed – mindestens ein Jahr zu spät dran. Das liegt daran, dass 2020 wegen Corona sowohl von Fiskal- als auch Geldpolitik sehr viel Geld in den Markt geflossen ist. Anfang 2021 war die Unsicherheit deshalb noch sehr groß – und die Notenbanken haben erstmal die Füße stillgehalten. In den USA hatte das Verhalten der Fed auch politische Hintergründe wie die Vertragsverlängerung des Fed-Präsidenten. In Europa haben wir mit Frau Lagarde zudem eine Politikerin und Juristin an der Spitze der EZB und nicht mehr die klassischen Geldpolitik-Vertreter im EZB-Rat sitzen.

Die Inflation ist also zurück. Was ist nun entscheidend?

Rädler: In den USA wird es spannend, wenn wir eine wirkliche Rezession sehen, bei der auch der Arbeitsmarkt leidet. Die Frage ist: Ist die Fed dann bereit, die Zinsen hochzuhalten oder sogar weiter zu erhöhen? Bei der EZB ist es noch schwieriger, die Regionen innerhalb Europas unterscheiden sich ökonomisch sehr. Die EZB muss die Spreads südeuropäischer Länder beachten, die Inflation und die Wirtschaft, auf die sie viel mehr eingehen muss als die Fed. Das ist auch der Grund, warum wir davon ausgehen, dass die Märkte unterschätzen, wie lange die Inflation noch auf hohem Niveau verharrt – sie wird uns sicher noch einige Jahre erhalten bleiben.