Fondsboutique & Nachhaltigkeit „Wir wollen das ESG-Momentum rausfiltern“

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Warum dann kein AAA- oder AA-Rating?

Benner: Weil Amorim ein Familienunternehmen ist. Vor fünf Jahren waren lediglich 2 Prozent der Aktien im Streubesitz. Heute sind es immerhin 27 Prozent. Das BBB-Rating rührt also nicht aus dem E von ESG, sondern aus dem G, dem Governance-Bereich. Das Unternehmen hat ganz klar die Mission, in diesem Bereich besser zu werden, mehr zu dokumentieren et cetera. Aber so eine Familie dreht man auch nicht einfach um, auch wenn drei Familienmitglieder im Top-Management sitzen. Heißt: Wenn das Unternehmen gewisse Governance-Aspekt weiterentwickelt, wird das ESG-Rating von MSCI nachziehen. Das ist dann ESG-Momentum.

Wie wirkt sich ein höheres ESG-Rating denn auf die Wertentwicklung von Aktien aus?

Kirsch: Genau dieser Frage sind wir auch nachgegangen. Und ja, es gibt Muster. Steigt das ESG-Rating von Unternehmen, sind diese Upgrades je nach Ausgangspunkt und Rating-Kategorie relevant für die Wertentwicklung. Man sieht zudem seit dem Pariser Klima-Abkommen, wie die Mittelzuflüsse in ESG-Werte, ob nun Einzeltitel oder Fonds, stark zunehmen. Das ist die zweite Quelle, die sich ganz grundsätzlich als Performance-Treiber erwiesen hat.

Benner: Und man darf nicht vergessen, wie sehr wir noch am Anfang dieses strukturellen Wandels stehen. Je nach Messung stehen wir bei lediglich 5 Prozent im deutschen Markt, was ESG-Fonds angeht. In Europa ist die Verteilung zwischen ESG- und Nicht-ESG-Fonds bei 15 zu 85 Prozent. Alles immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.

Kirsch: Dritter Strukturtreiber ist der Rückenwind, den nachhaltiges Investieren durch die Regulierung der Europäischen Union erfährt. Stichwort European Green Deal und EU-Taxonomie. Da werden in Zukunft Berge an Investitionen versetzt.

Nun hat Chom Capital sich verstärkt seit drei Jahren mit dem ESG-Thema beschäftigt. Wie bekommt man das in die eigene Organisation eingeimpft?

Benner: Ein sehr wichtiger Punkt. Bei uns war es von Anfang an so, dass wir mit dem gesamten Team am Thema Nachhaltigkeit gearbeitet haben. Es gibt einen ESG-Beirat und mit Benedikt Kirsch auch einen ESG-Verantwortlichen, der sich des Themas fokussiert annimmt. Gleichzeitig erfolgt die ESG-Analyse und -Diskussion als integrierter Ansatz im gesamten Team und ist eng verzahnt. Dies ist aus unserer Sicht ein Vorteil der Fondsboutiquen gegenüber den großen Fondsanbietern: Bei uns gibt es keine Trennung zwischen ESG-Manager und Portfoliomanager.

Wie sieht denn ein vollintegrierter ESG-Investmentprozess aus?

Benner: Im Grunde genommen sehr einfach. Wie jedes andere Portfoliomanagement-Team haben auch wir einen Strang, wie wir uns Unternehmen anschauen. Geschäftsmodell, Management, Wertetreiber et cetera. Dafür nutzen wir verschiedene Instrumente. Wir nennen das unsere Werkzeugbox. Dazu gehören eine Länder-Sektor-Matrix, unsere jährlich rund 600 Management-Gespräch, ganz normale Unternehmensbewertungen und unser Qualitätsanspruch in Form des Fünf-Kräfte-Modells nach Michael E. Porter. Und der jüngste Baustein von Sechsen ist nun mal das ESG-Thema.

Zusammen nutzen wir all diese Werkzeuge, um uns eine Meinung über das Wertpotenzial eines Unternehmens zu erarbeiten – und da gehört die Nachhaltigkeit mittlerweile einfach integral dazu. Und da wir fundamental vorgehen und die Vergangenheitsbetrachtung der ESG-Ratings mit unserer eigenen Zukunftsbewertung zusammenbringen, können wir auch kleinere Unternehmen aus dem Small- und Mid-Cap-Bereich, die kein Rating besitzen, bewerten. Gerade in diesem Segment sehen wir ein deutliches fundamentales und ESG-Wertpotential, welches wir mit unserem Chom Capital Pure Small Cap Europe UI heben können. Ein größerer Kunde von uns hat unsere Vorgehensweise mal ganz schön als Geschäftsmodell „MSCI-Veredler“ beschrieben. Die Beschreibung finden wir ganz passend.


Über die Interviewten:
Christoph Benner ist geschäftsführender Gesellschafter von Chom Capital. Die Frankfurter Fondsboutique gründete er 2011 zusammen mit Martina Neske und Oliver Schnatz. Benner und Schnatz managen den Chom Capital Pure Small Cap Europe UI (ISIN: DE000A2JF7P0).

Benedikt Kirsch arbeitet seit Mai 2018  im Portfoliomanagement bei Chom Capital und ist seit Mai 2020 zudem Leiter ESG. In diesen Rollen unterstützt er den Investmentprozess durch fundamentale und quantitative Markt- und Nachhaltigkeitsanalysen sowie dem Sourcing von Investmentideen.

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