Fondsboutique & Nachhaltigkeit „Wir wollen das ESG-Momentum rausfiltern“

Christoph Benner (li.) und Benedikt Kirsch von Chom Capital

Christoph Benner (li.) und Benedikt Kirsch von Chom Capital: ESG und fundamentales Portfoliomanagement gehen bei der Fondsboutique Hand in Hand Foto: Chom Capital

private banking magazin: Kaum ein Tag, an dem nicht ein neuer Nachhaltigkeitsfonds startet. Die großen Asset Manager bauen ESG-Teams auf, kaufen gleich mehrere ESG-Datensätze und schaffen damit große Datenräume. Wie kann da eine Fondsboutique wie Chom Capital mithalten?

Christoph Benner: Bei dem Thema muss jeder seiner Überzeugung und seinem Weg folgen. Wir vergleichen unseren ESG-Ansatz gerne mit einer fundamentalen Herangehensweise im Portfoliomanagement. ESG ist da nicht groß anders. Wir haben uns 2017 gefragt: Was heißt das, ein ESG-Rating auf unsere Fonds zu haben, was passiert da? Das war dann unser Startpunkt, uns mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen.

Inwiefern ähneln sich denn ESG- und fundamentaler Ansatz?

Benner: Bei beiden Analysen hat man zunächst eine Historie und Gegenwart. Bei der fundamentalen Analyse einer Aktie beziehungsweise des Unternehmens hat man die Bilanz und deren Entwicklung. Darauf aufbauend stellt man sich die Frage, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen könnte. Und darauf trifft man dann Investitionsentscheidungen. Allein auf der Vergangenheit und Gegenwart wird man nie ein Wertpotenzial eines Unternehmens feststellen können. Sehr ähnlich sollte auch ein ESG-Ansatz aussehen und deswegen können Fondsboutiquen tatsächlich auf Augenhöhe mit den großen Asset Managern sein – vorausgesetzt sie gehen das ESG-Thema richtig und ernsthaft an.

Was wäre denn nicht so glaubhaft?

Benedikt Kirsch: Beispielsweise, wenn man einfach ESG-Ratings mehrerer Datenanbieter miteinander vergleicht oder abmischt. Da ginge es ja nur um die Vergangenheitsbetrachtung. Was fehlen würde, wäre der Blick nach vorne. Bei Chom Capital nähern wir uns der Zukunft, indem wir rund 600 Management-Gespräche mit ausgewählten Unternehmen durchführen. Da konfrontiert man die Verantwortlichen zum Beispiel mit dem ESG-Rating der Firma und fragt: Was macht ihr in diesem Feld genau? Wie wollt ihr euch weiterentwickeln? Welches sind eure wichtigsten Themen?

Begegnet einem da nicht viel Greenwashing?

Benner: Das kommt natürlich vor. Negativ-Kriterium wäre, wenn man vom Unternehmen zu hören bekommt, dass es in der Firma „irgendwo“ ein zweiköpfiges Team für Nachhaltigkeitsthemen gibt, wenn der Finanzvorstand oder andere Vorstände dazu nicht sprechfähig sind. Das Thema muss heutzutage auf der höchsten Management-Ebene angesiedelt sein. Ansonsten ist das ein starker Indikator für Greenwashing. Und: Sind deren Nachhaltigkeitsziele in irgendeiner Form verankert? Im Management, und zwar performance-relevant für eine Zielerreichung und den Bonus.

Wonach sucht Chom Capital denn?

Kirsch: Einerseits natürlich nach den Qualitätsführern unter den Unternehmen – wie gesagt gilt das für die Fundamental- als auch ESG-Analyse. Bei letzterem unterscheiden wir zwischen ESG-Stars und Unternehmen mit ESG-Momentum. ESG-Stars sind diejenigen, die bereits ein hohes ESG-Rating von AAA oder AA haben, also sehr gut bewertet werden. Andererseits gibt es aber sehr, sehr viele Unternehmen, die im BB-, BBB- oder A-Bereich angesiedelt oder gar nicht bewertet sind, aber hohes Nachhaltigkeitspotential besitzen. Das ESG-Rating ist der Startpunkt unserer Analyse.  

Benner: Ein wichtiger Punkt ist, dass es auch im ESG-Universum wie in der normalen Rating-Welt einen sogenannten Neglected Effect gibt. Ähnlich wie bei Small Caps: Je kleiner das Unternehmen, desto weniger beobachten und raten es die Analysten. Im Bereich von einer halben bis anderthalb Milliarden Marktkapitalisierung haben rund ein Drittel der Unternehmen überhaupt kein Rating. Es sagt aber nichts über die ESG-Qualität der Unternehmen aus, kein Rating zu haben. Das hat eher mit der Limitierung der Rating-Agenturen zu tun.

Kirsch: Hinzu kommt, dass die großen Konzerne natürlich mehr Ressourcen haben, das Nachhaltigkeitsthema organisatorisch besser abzubilden. Dort wird in der Regel viel mehr dokumentiert, was eine wesentliche Grundlage für die ESG-Ratings ist. Die Großen haben also einen strukturellen Vorteil.

  Quelle: Chom Capital, Factset, MSCI (November 2020)

Kann man einen klaren Zusammenhang zwischen ESG-Momentum und Performance-Beiträgen erkennen?

Benner: Absolut. Wir beschäftigen uns mit europäischen Aktien und dort gibt es einen klaren Trend zur Rating-Verbesserung, da passiert etwas. Und dort, wo Unternehmen dieses Upgrade-Potenzial heben, schlägt es sich in Wertbausteinen, für uns als Investor in Performance nieder. Deswegen sind wir so stark bemüht, dieses ESG-Momentum rauszufiltern.

Ein Beispiel?

Benner: Nehmen wir Corticeira Amorim aus Portugal, Weltmarktführer bei der Korkproduktion, zweimal größer als die Nummer 2. Das ESG-Rating von MSCI liegt aktuell bei lediglich BBB, und dass bei einem Naturprodukt. Das Unternehmen hat sogar einen negativen CO2-Fußabbdruck bei der Korkproduktion. Zusammen mit der Glasherstellung wird eine Weinflasche so klimaneutral.