Der seit mehreren Monaten andauernde Erbstreit im Hause der Milliardärsfamilie Thiele hat bis auf Weiteres ein Ende gefunden. Trotz anhängiger Klagen hat die Regierung von Oberbayern die Heinz Hermann Thiele Familienstiftung am 6. April anerkannt. Nun hat diese ihre Arbeit aufgenommen – mit Stephan Sturm, ehemaliger Finanzvorstand und Vorstandsvorsitzender der Fresenius Gruppe, an der Spitze.
Zweck der Stiftung ist es, 42 Prozent am Zug- und Lastwagenzulieferer Knorr-Bremse und gut 50 Prozent Bahntechnikkonzerns Vossloh zu verwalten. Damit umfasst sie gut 15 Milliarden Euro und damit einen Großteil des 17 Milliarden Euro schweren Erbes, das 2021 verstorbene Unternehmers Heinz Hermann. Die Stiftungsgründung war Wunsch des Patriarchen, ist jedoch seit einem knappen Jahr in seiner Familie umstritten.
In erster Linie Tochter Julia Thiele-Schürhoff und Thieles zweite Ehefrau Nadia waren sich uneinig darüber, wie die Machtverteilung auszusehen hat. Thiele hatte es zu Lebzeiten versäumt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Stiftung zu fixieren. Formal ist Witwe Nadia zwar sogenannte Vorerbin, soll laut „Business Insider“ bereits Immobilien im Wert von rund einer Milliarde Euro geerbt haben, darf als besagte Vorerbin aber nur eingeschränkt darüber verfügen. In der Stiftung ist sie bisher weder im Vorstand noch im Beirat vertreten.
Nach Thieles Tod übernahm dessen Steuerberater Robin Brühmüller als Testamentsvollstrecker Verantwortung über das Erbe. Nadia hatte gegen die Einrichtung der Stiftung und gegen Brühmüller geklagt – unter anderem, weil dieser ein Honorar über 225 Millionen Euro für seine Dienste erhalten soll. Das Verfahren dazu vor dem Oberlandesgericht München läuft noch. Auch Thieles Sohn Henrik hatte gegen den Testamentsvollstrecker geklagt, war damit aber im Februar vor dem Landgericht München gescheitert.
Trotz allem: Da Brühmüller auch in den Vorstand einziehen soll, ist durch die Anerkennung seitens der Regierung der Weg für die Arbeit der Stiftung nun frei. Die Stiftung soll ihren Sitz zunächst in Grünwald bei München haben. Neben Stephan Sturm als Vorsitzender des Stiftungsvorstands und Bruhmüller, gehört dem Gremium noch Julia Thiele-Schürhoff an.
Anwälte von Nadia Thiele wollen Anerkennungsbescheid anfechten
Nadia Thiele wollen dagegen vorgehen und Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Brühmüller beim Generalstaatsanwalt einlegen. Außerdem kündigen sie an, den Anerkennungsbescheid des Regierungspräsidenten von Oberbayern für die Stiftungssatzung beim Verwaltungsgericht München anzufechten. Nadia Thiele stehe weiterhin für ein Mandat im Stiftungsrat zur Verfügung, hieß es.
„Heinz Hermann Thiele war eine der herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten Deutschlands. Sein Lebenswerk langfristig abzusichern und im Interesse der Familie und der Unternehmen erfolgreich fortzuführen, ist Aufgabe der Familienstiftung“, erklärte Sturm. Begünstigte der Stiftung sollen Mitglieder der Familie Thiele sein. Darüber hinaus will sich die Stiftung für gemeinnützige Zwecke in Wissenschaft und Forschung sowie Kunst, Kultur und Bildung engagieren.
„Mit der Gründung der Heinz Hermann Thiele Familienstiftung sind nun ganz im Sinne meines Vaters die Voraussetzungen für die Fortführung seines unternehmerischen Lebenswerks geschaffen“, wird Thiele-Schürhoff zitiert.
Über Stephan Sturm
Sturm war seit 2005 bei Fresenius tätig, zuletzt als Vorstandsvorsitzender. Erst im Sommer 2021 wurde sein Vertrag um fünf Jahre verlängert, doch Management-Missgeschicke häuften sich, weshalb Sturm im August 2022 frühzeitig das Unternehmen verlassen musste.