3. Auflage des etwas anderen Marktausblicks Corona und der Personalmarkt im Private Wealth Management
Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit um die Private-Wealth-Branche in Deutschland?
Karin Schambach: Wir sehen eine Marktsituation, in der es kein einfaches „weiter so“ geben kann, wenn man in Zukunft noch stark positioniert sein möchte. Der Markt ist im Wandel, die Digitalisierung macht auch vor dem Private Wealth Management nicht Halt. Die Übertragung von Vermögen auf die Erbengeneration, auf jüngere Investoren, steht an, und es zeichnet sich bereits ab, dass sie andere Vorstellungen von Wealth Management haben. Dabei geht es auch, aber eben nicht nur um die Veränderung der Kommunikation, weg von persönlichen Beratungsgesprächen, hin zur virtuellen Interaktion und der Digitalisierung von Prozessen. Es geht vielmehr um das Angebot auf der Investmentseite selbst, um höhere Anforderungen an die Investmentprozesse, das Risikomanagement und die Vielfalt an renditestarken Investmentstrategien. Kurzum: Das heutige Angebot in der Private-Wealth-Branche kommt an seine Grenzen, das Vertrauen der Investoren in die Anbieter sinkt. Sie suchen sich Alternativen und gründen – wenn das Volumen entsprechend ist – gerne ihr eigenes Family Office, um den Strukturen zu entfliehen. Das bedingt eine hohe Nachfrage nach Expertinnen und Experten auf der Seite der Family Offices, auf die wir uns zunehmend fokussiert haben.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Personalmarkt?
Schambach: Der Lockdown im März und April diesen Jahres hat uns den Atem anhalten lassen. Sowohl der Appetit auf Neueinstellungen als auch die Wechselbereitschaft hielten sich in Grenzen. Das Aufatmen im Juni machte sich auch bei Neueinstellungen bemerkbar, aber wirklicher Schwung kam erst im September wieder in den Markt. Geholfen hat, dass die Märkte sich so schnell von ihrem Einbruch wieder erholt haben und damit das Vertrauen in das Geschäft zurückkehrte.
Im Unterschied dazu war der Personalmarkt im Family-Office-Segment nicht nur stabil, sondern gewinnt mit jedem Jahr weiter an Fahrt. Gerade dass Family Offices nicht in gleicher Weise dem Marktzyklus und äußeren Einflüssen unterliegen, sondern sich personell und damit auch in der Qualität ihrer Prozesse kontinuierlich weiterentwickeln, stärkt ihre Unabhängigkeit gegenüber den Banken.
Inwiefern ändert sich krisenbedingt das Arbeitsumfeld für Berater und Portfoliomanager?
Schambach: Das größte Thema im Vertrieb und in der Beratung ist die fehlende Möglichkeit, die Kunden zu treffen. Das erschwert den Aufbau von neuen Verbindungen erheblich. Auch Krisensituationen mit bestehenden Kunden zu meistern, ist deutlich anspruchsvoller, wenn man sich nicht persönlich sieht. Somit ist das Arbeitsumfeld herausfordernder geworden. Wir hören von vielen Beratern und Portfoliomanagern, wie sehr der Austausch untereinander angesichts der Homeoffice-Regelungen fehlt. Die Flexibilität an sich weiß man zu schätzen, aber der Preis ist im derzeitigen Umfeld hoch. Viele Arbeitgeber, die sich bislang gegen Home-Office-Möglichkeiten gewehrt und nun gegen ihren Willen hineingezogen wurden, sind positiv überrascht hinsichtlich der Disziplin ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch konservative Anbieter denken inzwischen über die Einführung von flexiblen Modellen nach.
Welche weiteren Anreize müssen Häuser den Kandidaten bieten, um sie für sich zu gewinnen?
Schambach: Der Wille zu wechseln ist definitiv auch in der Corona-Zeit vorhanden, wenn es sich dabei um einen echten Karriereschritt handelt. Ein reiner Seitwärtsschritt wird hingegen in der Regel nur erwogen, wenn die Plattform deutlich stärker und das Wechselrisiko mit einem ordentlichen Gehaltsaufschlag vergütet wird. Die meisten Kandidatinnen und Kandidaten fordern den Verzicht auf die Probezeit ein, zuweilen sogar den Ausschluss einer Kündigung innerhalb des ersten Jahres. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der erfolgreichen Rekrutierung ist, eine hohe Flexibilität bei der Arbeitsplatzgestaltung zu erhalten, sei es die Möglichkeit von Homeoffice mit entsprechender technischer Ausstattung oder weniger Arbeitszeit.
Welche Arbeitgeber profitieren von der Abkehr von den Banken?
Schambach: Ins Hintertreffen drohen große Institute zu geraten, mit komplexen Strukturen, viel interner Politik und häufig hohem administrativen Aufwand. Demgegenüber verkaufen sich kleine, flexible und nach Möglichkeit unternehmerische Gesellschaften sehr gut. Beweglichkeit und Innovationskraft sind bei Kandidatinnen und Kandidaten gefragt, sie möchten selbst eine Stimme haben. Vermögensverwalter und Multi Family Offices sind im Aufwind, profitieren klar im derzeitigen Umfeld, was sich nicht zuletzt in Neugründungen niederschlägt.
Aus welchen Gründen verharren unzufriedene Berater weiterhin in ihren alten Jobs?
Schambach: Die Gründe sind vielfältig und individuell. Sie reichen von privaten Gründen bis hin zu Bequemlichkeit oder der Sorge, eine falsche Entscheidung zu treffen. Es ist auch eine Altersfrage: Wie viele Jahre habe ich noch vor mir, möchte ich wirklich noch einen Schritt unternehmen, oder verharre ich lieber in der alten Position und finde mich mit den Unzulänglichkeiten ab?
Jobprofile: Welche Fähigkeiten müssen Bewerber mitbringen und wie haben sich die Anforderungen verändert im Vergleich zu den Vorjahren?
Schambach: Mit zunehmender Professionalisierung auf der Kundenseite steigen auch die Anforderungen an die Bewerber. Nicht von einem Jahr auf das andere, aber sukzessive. Im Portfoliomanagement ist der Unterschied vom institutionellen Asset Manager zum Private Banker häufig nicht mehr gegeben. Der Investmentprozess und das Risikomanagement stehen dem eines institutionellen Hauses hinsichtlich des systematischen, risikobewussten Investierens nicht mehr nach. Das spiegelt sich eins zu eins in den Anforderungen an die Portfoliomanager selbst, von denen eine gute akademische Ausbildung und, je nach Senioritätsgrad, einschlägige Erfahrungen erwartet werden.
Auf Beraterseite ist unverkennbar, dass angesichts fehlender Präsenztermine in der Corona-Krise die Qualität der Kundenbeziehung doppelt und dreifach hinterfragt wird. Vernetzung neu aufzubauen, fällt in dieser Phase so viel schwerer, dass die Überzeugungskraft um so höher sein muss, um Beziehungen auch unter erschwerten Bedingungen zu unterhalten und neu aufzubauen. Das sieht auch der Kunde. Hier kann gezieltes Vertriebs-Coaching helfen, in dieser besonderen Situation eine gute Performance zu liefern.
Wenn wir noch einmal auf die generelle Entwicklung hinsichtlich der Anforderungen reflektieren, sind neben der akademischen Ausbildung CFP, CFA, aber auch CIIA durchaus gefragt. Internationale Erfahrungen werden heute höher geschätzt denn je. Digitalkompetenz steht noch nicht im Zentrum, aber ein Mindestmaß an Souveränität in der Anwendung ist zwingend.
In welchen Abteilungen wird verstärkt eingestellt?
Schambach: In meiner Beratungspraxis bei Indigo stelle ich fest, dass die Nachfrage im Private Wealth-Management traditionell in kundennahen Funktionen am höchsten ist. Hier sind die höchste Fluktuation und der stärkste Wettbewerb zu finden. Kompensiert wird das Defizit der Nachfrage auf der Anlageseite durch Family Offices, die starke Investmentspezialistinnen und -spezialisten rekrutieren und damit auch Bewegung in den Markt bringen.
Wie haben sich die Gehälter im Private Wealth Management in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?
Schambach: Die Gehälter im Private Wealth Management sind stabil. Dagegen steigen sie im Family-Office-Segment aufgrund der Nachfrage an. Das gilt sowohl für Gehälter in der Geschäftsführung als auch für die der Investmentspezialisten. Insbesondere im illiquiden Bereich – Private Equity, Private Debt, Venture Capital und Immobilien – wird sehr kompetitiv bezahlt, um starke und erfahrene Spezialisten zu gewinnen.