3. Auflage des etwas anderen Marktausblicks Corona und der Personalmarkt im Private Wealth Management
Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit um die Private-Wealth-Branche in Deutschland?
Dražen Mario Odak: Es steht gut um die deutsche Private-Wealth-Branche – für Jene, die ein verantwortliches, zukunftsfähiges und tragfähiges Geschäftsmodell haben. Bei der Beschreibung des Geschäftsmodells sollte man zwei Blickwinkel unterscheiden: den, von „innen nach außen“ und den, von „außen nach innen“.
Beim „Innenbezug“ geht es darum, das Kosten-Ertrags-Verhältnis profitabel zu managen und Skaleneffekte zu „heben“, um entsprechende Rentabilitätsquoten zu erzielen. Eine Skalierung des Anlageprozesses sollte jedoch nicht zu einer zentralistischen Marktbearbeitung führen. Grund ist, dass der Private-Wealth-Markt in Deutschland ein Regionalmarkt ist, ein dezentraler Markt mit regional sehr unterschiedlichen Bedürfnissen bei BeraterInnen und Kunden. Sollte also das Versprechen einer qualitativen, individualisierten Beratung im Wealth Management das Ziel sein, kommt man, wenn man sich glückliche BeraterInnen und Kunden wünscht, an einem notwendigen Maß regionaler Freiheit und Unabhängigkeit nicht vorbei.
In Zeiten zunehmender Diversität von Kunden und Märkten sind beim Blick von „außen nach innen“ vorhandene Alleinstellungs- und Positionierungsmerkmale des einzelnen Instituts notwendig. Eine positive Einschätzung der Kunden und des Wettbewerbs im Hinblick auf die Dienstleistungsqualität, Image und Performance des eigenen Hauses sind für eine positive Marktwahrnehmung und den Erfolg, bei der Akquisition von Assets und neuen MitarbeiterInnen gleichermaßen das „A und O“. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass man sich nicht selbst im Markt positionieren kann, man wird von außen, von den Kunden und dem Markt, positioniert.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Personalmarkt?
Odak: Corona-bedingte Auswirkungen auf Neueinstellungen waren und sind nicht zu verzeichnen. Ende des ersten Quartals gab es eine kurze Phase der Reflexion in Bezug auf die Geschäftsmodelle der Wealth Manager. Hierbei wirkte Corona als Verstärker. Wealth Manager mit einem funktionierendem, erfolgreichen Geschäftsmodell behielten ihren Kurs konsequent bei. Institute und Vermögensverwalter, die schon vor Corona relevanten Verbesserungsbedarf hatten, mussten vereinzelte Aktivitäten einstellen oder strategische Neuanpassungen vollziehen. Kurz: Es scheint, dass Corona die starken Wealth Manager gestärkt und die schwächeren Marktteilnehmer geschwächt hat.
Welche langfristigen Folgen wird die Pandemie auf das Vermittlungsgeschäft im Private Wealth Management haben?
Die Corona Pandemie war und ist ein nicht planbarer, exogener Schock für Gesellschaft und Wirtschaft, so auch für das Private Wealth-Management. Im Vergleich zu vergangenen (Finanz)-Krisen war Corona für die Finanzwirtschaft jedoch nicht imageschädigend, man war in der öffentlichen Wahrnehmung nicht Krisenverursacher. Im Gegenteil, professionelle Wealth Manager konnten und können gerade in beratungsintensiven Krisenzeiten ihren Kunden helfen und zur Seite stehen, also ihre individuelle Beratungsqualität unter Beweis stellen. Dies wirkt gegenüber Kunden, Talenten und Professionals, die man für das eigene Wealth Management gewinnen möchte, imagefördernd.
Wealth ManagerInnen sind es mittlerweile gewohnt auch in Krisenzeiten Karriereentscheidungen zu treffen. Eine herausgehobene Auswirkung hat Corona lediglich dahingehend, dass im Rahmen eines Jobwechsels die Stärken und Schwächen des eigenen und potentiellen, neuen Arbeitgebers noch transparenter werden und dadurch Wechselargumente intensiviert oder relativiert werden.
Inwiefern ändert sich krisenbedingt das Arbeitsumfeld für Berater und Portfoliomanager?
Odak: Die Corona-Erfahrung hat die Akzeptanz von Homeoffice-Tätigkeit erhöht. Einerseits ist das Argument der Verfechter, dass erfolgreiche Kundenberatung und Portfoliomanagement nur durch Präsenzpflicht und -kontrolle zu gewährleisten ist, hinfällig. Andererseits wertschätzen auch Jene, die Wealth Management nicht als Teamsport, sondern als Einzelkämpfer betreiben, wie wichtig und fruchtbar eine kontinuierliche Sozialisation im Arbeitsumfeld für das eigene Knowhow und Wohlfühlen ist. Daraus folgend sind Trends einzelner Institute, bei denen Wealth ManagerInnen einerseits flexiblere Homeoffice-Regelungen zugestanden werden, andererseits aber die Präsenzzeit im Office in Gemeinschaftsbüros und gemeinsam arbeitend verbracht wird, nachvollziehbar.
Welche weiteren Anreize müssen Häuser den Kandidaten bieten, um sie für sich zu gewinnen?
Odak: Maßgebliche Anreize sind ein verantwortungsvolles, zukunftsfähiges und tragfähiges Geschäftsmodell sowie faire, ehrliche und glaubwürdige Führungskräfte.
Welche Arbeitgeber profitieren von der Abkehr von den Banken?
Odak: Als Arbeitgeber sind Institute gefragt, deren Geschäftsmodell als verantwortungsvoll, zukunftsfähig und tragfähig wahrgenommen wird und die über faire, ehrliche und glaubwürdige Führungskräfte verfügen. Dies ist unabhängig von Fragen wie großes oder kleines Institut, Bank oder unabhängiger Vermögensverwalter und regional oder international.
Aus welchen Gründen verharren unzufriedene Berater weiterhin in ihren alten Jobs?
Odak: Gründe für das Verharren in einem alten Job sind häufig die individuelle Risikoscheu, Angst vor dem Verlust des Status Quo und der Umstand: „Effizienz ist eine Frage der Alternative“ (Douglas C. North). Das im alten, häufig „ungeliebtem“ Job Verharren, sich passiv dem Schicksal ergeben und auf fremdbestimmte Veränderung hoffend, geht nicht selten einher mit einer inneren „Abnablung“ vom Unternehmen und Kollegen, einer zunehmenden Gleichgültigkeit und erduldeter und stetig wachsender Unzufriedenheit. Ein unproduktiver, perspektivloser und nicht selten psychisch und physisch schmerzhafter Zustand.
Jobprofile: Welche Fähigkeiten müssen Bewerber mitbringen und wie haben sich die Anforderungen verändert im Vergleich zu den Vorjahren?
Odak: Wealth ManagerInnen müssen seit jeher persönlich und fachlich glaubwürdig sein, Kunden durch ihre Beratungstätigkeit einen signifikanten Mehrwert bieten und mit eventuellen Interessenskonflikten zwischen Kunde, Berater und Bank umgehen können. Weiter zunehmend wird sich das Thema ESG und Nachhaltigkeit auf die Anforderung an BeraterInnen auswirken. Nicht nur in Bezug auf den Produktvertrieb, sondern auch in Bezug auf deren individuelles Verhalten.
Attribute wie Nachhaltigkeit und ESG sind, wie oft unterstellt, ursächlich kein Produktmerkmal oder Produktkodex, sondern ein Verhaltenskodex, der auf individuellem Verhalten Einzelner beruht. Deshalb können sich BeraterInnen vermutlich darauf einstellen, dass Kunden bei der Entscheidung über eine Zusammenarbeit die Frage nach Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit nicht nur darauf runterbrechen, ob das Institut generell ESG-Produkte anbietet. Produkt- und Marketingversprechen von ESG-Produkten könnten sich mehr und mehr als irreführend und unglaubwürdig erweisen, da sie auf verschiedensten Definitionen von Begrifflichkeiten und einer Flut unterschiedlichster Labels zu beruhen scheinen. Die Warnung relevanter Marktteilnehmer, dass eine rein marketing- und vertriebsgetriebene ESG-Zertifizierung kein Maß für Nachhaltigkeit von Finanzprodukten, den darin gelisteten Unternehmen oder gar dem „anständigen Verhalten“ von Führungskräften und Mitarbeitern ist, scheint daher nachvollziehbar. Ebenso wie die Warnung vor einem „toxischen Potential“ der ESG-Welle, welche zu einem „Dieselgate der Finanzbranche“ führen könne.
Nachhaltigkeitsversprechen von Finanzprodukten und Finanzdienstleistern, wenn sie nicht ausschließlich vertriebs- und marketinggetrieben sind, bedürfen deshalb neben einem Produktversprechen konsequenter Weise auch ein Verhaltensversprechen aller beteiligten Akteure. Sie unterscheiden sich hier von klassischen Performanceversprechen. Es scheint also sehr wahrscheinlich, dass die durch die ESG- und Nachhaltigkeitswelle geöffnete „ethisch, moralische Büchse der Pandora“ neue, persönlichere Anforderungen an BeraterInnen stellt. Diese könnten dazu führen, dass Wealth ManagerInnen die Nachhaltigkeit im Produktvertrieb „predigen“, auch über den Job hinaus, an ihrem individuellen ESG-konformen und nachhaltigem Verhalten gemessen werden, um als BeraterIn und Person glaubwürdig zu sein. Nachhaltigkeitsversprechen, mittelbar oder unmittelbar, bedingen nachhaltiges Verhalten.
In welchen Abteilungen wird verstärkt eingestellt?
Signifikante Trends im Wealth Management sind Themen wie ESG und Digitalisierung. Damit erhöht sich auch die Nachfrage nach entsprechender Expertise und Knowhow. Darüber hinaus sind Wachstumsambitionen in Bezug auf die verwalteten Assets bei nahezu allen Instituten zu verzeichnen. Kundenberater, am liebsten mit entsprechendem verwalteten Vermögen im Gepäck, werden fast überall sehr gern an Bord geholt.
Wie haben sich die Gehälter im Private Wealth Management in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?
Das Fixeinkommen für Private Banker beträgt im Schnitt 124.000 Euro pro Jahr und ist damit im Vergleich zu 2018 gestiegen (108.000 Euro pro Jahr). Das variable Einkommen hingegen ist gesunken: Von durchschnittich 21.000 Euro per annum vor zwei Jahren auf aktuell 15.000 Euro im Schnitt pro Jahr.