3. Auflage des etwas anderen Marktausblicks Corona und der Personalmarkt im Private Wealth Management
Wo sehen Sie derzeit die Private-Wealth-Management-Branche und speziell das Thema Family Office in Deutschland?
Beate Stelzer: Family Officer agieren aktuell in einem Kapitalmarktumfeld, das extrem anspruchsvoll ist. Bei der Abwägung zwischen Chancen und Risiken kommt es auf die Ausgewogenheit in der Asset-Allokation an. Das anhaltend niedrige Zinsniveau, sinkende Margen, zunehmende regulatorische Anforderungen, komplexe Steuergesetzgebung und nicht zuletzt die Digitalisierung bestimmen aktuell die Arbeit im Private-Wealth-Management-Umfeld. Allgemein gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. Bei sinkenden Renditen auf herkömmliche Anlagen zählen zukunftsorientierte und renditeoptimierte Asset-Klassen wie Private Equity oder Renewables, die im Niedrigzinsumfeld den Vermögenserhalt sicherstellen. Große Aufbruchstimmung herrscht besonders bei direkten Unternehmensbeteiligungen. Hier dominieren Themen wie die Venture-Capital-Beteiligung in wachstumsstarke Unternehmen aus E-Commerce, Fintech, Software und Technologie deutschland- und europaweit. Aber auch Immobilieninvestitionen rücken zunehmend in den Fokus.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Personalmarkt?
Stelzer: Die ersten zwei Monate nach Beginn der Pandemie herrschte große Verunsicherung in Klienten- und Kandidatenkreisen. Seither hat die Nachfrage an Führungskräften im Private Wealth Management wieder stark angezogen. Die Situation hat sich stabilisiert. Doch die Anforderungen bleiben unverändert hoch. Unternehmen müssen auf die aktuelle Situation adäquat reagieren, um handlungsfähig zu bleiben. Dazu braucht es hochqualifiziertes Personal.
Welche langfristigen Folgen wird die Pandemie auf das Vermittlungsgeschäft im Family-Office-Geschäft haben?
Stelzer: Gerade jetzt ist die Nachfrage der Endkunden nach objektiver und bankenunabhängiger Beratung besonders hoch - verlässliche Partner sind gefragt. Dieser Trend beeinflusst den Kandidatenmarkt: Sie wählen noch stärker nach Häusern und professionellen Adressen aus, die auf hohem Niveau einen langfristigen Ansatz verfolgen und deren Werte ihren persönlichen Werten entsprechen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Häuser dringend mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell aufstellen und ihr Alleinstellungsmerkmal und Werteorientierung schärfen müssen. Auch werden neue Ansätze von digitalen Lösungen für gewisse Segmente deutlich an Bedeutung gewinnen, etwa sogenannte Robo-Advisors.
Inwiefern ändert sich krisenbedingt das Arbeitsumfeld für Family-Office-Berater?
Stelzer: Das Interesse und die Bereitschaft für flexible Arbeitslösungen seitens der Mitarbeiter sind hoch. Dennoch ist man in diesem Umfeld eher vorsichtig. Diskretion ist schließlich das höchste Gut. Kunden durch Präsenz vor Ort zu zeigen, dass ihre Interessen mit der gleichen Verbindlichkeit wahrgenommen werden, ist gerade in diesen Zeiten extrem wichtig. Auf der anderen Seite steht die nachhaltige Sicherstellung der Betriebsfähigkeit. Häufig setzen Family Offices auf die Teilung des Teams. So agieren die gleichen Kollegen gemeinsam im Wechsel mit der zweiten Gruppe von Kollegen im Office vor Ort. Die Offenheit gegenüber einer reinen Homeoffice-Kultur ist also eingeschränkt.
In welchen Branchensegmenten der Finanzindustrie – und anderswo – findet man erfahrungsgemäß am ehesten potenzielle Family Officer?
Stelzer: Neben der Herkunft aus dem klassischen Banken-, Vermögensverwaltungs- und Family Office Umfeld sind interessante Kandidaten in der Strategie- und Transaktionsberatung, Private Equity, Venture Capital, dem Real Estate Umfeld oder sogar der Industrie zu finden. Führungskräfte mit Erfahrung in einem M&A-nahen Umfeld verfügen über einen anderen unternehmerischen Blickwinkel. Sie bringen die erforderlichen Markt- oder Brancheninsights in Kombination mit einem strategischen Ansatz und Corporate Finance Knowhow mit. Dadurch können sie im Unternehmen entscheidende Impulse setzen. In der Branche braucht es mutigere und konsequentere Entscheidungen hinsichtlich der künftigen Aufstellung, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Jobprofile: Welche Fähigkeiten müssen Family Officer mitbringen und wie haben sich die Anforderungen verändert im Vergleich zu den Vorjahren?
Stelzer: Durch die große Bandbreite an Anforderungen in Family Offices ist der richtige „Fit“ entscheidend. Kandidaten müssen zur Kultur des Unternehmens, zu den inhaltlichen Herausforderungen des Anforderungsprofils und zum Mindset des bestehenden Managements passen. Hierbei stellen Family Offices besondere Anforderungen an das Management. Neben fachlich-analytischen Kompetenzen und einem tiefen inhaltlichen Know-how zählen persönliche Stärken wie Integrität, Vertrauenswürdigkeit, aber auch Entscheidungsstärke und Stressresistenz. Großes Fingerspitzengefühl und eine ausgeprägte Vertrauensbasis ist im Umgang mit dem Vermögensinhaber gefragt. Insgesamt rückt die Passung zur Unternehmenskultur noch stärker in den Vordergrund. Demut vor den Märkten, dem Weltgeschehen im Allgemeinen, aber auch gegenüber dem von den Kunden anvertrauten Vermögen sind Qualitäten, die an Bedeutung gewinnen.
Für welche Jobprofile lassen Family Offices derzeit vor allem suchen?
Stelzer: Neben den hochanspruchsvollen Rollen wie die eines gesamtverantwortlichen Chefs, eines Finanzchefs, eines Investmentchefs werden insbesondere auch Profile in der Direktbeteiligung/Direct Equity, im Fundraising und Portfoliomanagement stärker nachgefragt. Auch sehen wir eine Tendenz zur Spezialisierung auf bestimmte Asset-Klassen, in der Know-how gebündelt wird. Häufig schließen sich Family Offices, die nicht über die erforderliche Expertise verfügen, der Betreuung auch in Form eines Club Deals anderen Family Offices an.
Wie haben sich die Gehälter in der Family Office-Branche in den vergangenen zwei Jahren entwickelt ?
Stelzer: Grundsätzlich vergütet die Family-Office-Branche adäquat. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings erleben wir, dass die Nachfrage nach Spezial-Know-how deutlich zunimmt. Dies lassen sich Kandidaten durchaus vergüten.