3. Auflage des etwas anderen Marktausblicks Corona und der Personalmarkt im Private Wealth Management
Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit um die Private-Wealth-Branche in Deutschland?
Klaus Biermann: Die Private-Wealth-Branche befindet sich in einem fast schon dramatischen Umbruch – das Corona-Virus ist der digitale Beschleuniger. Beratungsprozesse haben sich quasi über Nacht verändert, was den Alltag im Private Banking der Zukunft weiter beeinflussen wird. Nach anfänglichem Schock über geschlossene Büros und ausfallende persönliche Besuche nimmt die Branche nun die Vorteile der digitalen Prozesse wahr. Viel Zeit, die der Berater sonst im Auto, der Bahn und im Flugzeug verbracht hat, wird eingespart – Kosten ebenso. Wertvolle Zeit lässt sich dadurch gezielter für den Kunden nutzen. Privatbanken und Vermögensverwaltern, die aktives Management betreiben, bot das Jahr 2020 eine riesige Chance, wirkliche Mehrwerte für ihre Kunden bezüglich der Anlagepolitik zu schaffen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Personalmarkt?
Biermann: Der „Impact“ im März und April war groß. Bestehende Projekte und Suchprozesse wurden noch erfolgreich abgewickelt, aber viele bereits diskutierte, potentielle neue Suchen wurden „on hold“ gesetzt. Die Fragezeichen vor dem, was noch kommt, waren auch in unserer Branche sehr groß. Ab Sommer hat die Aktivität erfreulicherweise merklich zugenommen und wir befinden uns heute bezüglich der Aufträge auf, wenn nicht sogar über, dem Niveau der vergangenen Jahren.
Welche langfristigen Folgen wird die Pandemie auf das Vermittlungsgeschäft im Private Wealth Management haben?
Biermann: Die Digitalisierung, Homeoffice und andere Arbeitsmuster werden eine wesentliche Auswirkung auf unser Vermittlungsgeschäft haben. Suchprozesse sind digitaler, teils aber auch schon erkennbar schneller und effizienter. Die Vernetzung zwischen Kunde, Kandidat und Vermittler erfolgt besser. Moderne Tools und Plattformen werden ein wesentlicher Bestandteil der Suchprozesses und einer neuen „Candidate Journey“ sein. Die verständlicherweise etwas verhaltene Wechselbereitschaft vieler Mitarbeiter im ersten Lockdown hat sich merklich aufgehellt und wir sehen eine ähnlich hohe Bereitschaft für einen Wechsel wie 2019 und zuvor. Wir vermuten, dass mit einer gewissen Beruhigung der Lage und einem erhöhten Homeoffice-Anteil die generelle Bereitschaft für einen Arbeitgeberwechsel eher noch höher sein wird, da die Bindung an das Unternehmen massiv sinken könnte. Das erste und zweite Quartal 2021 und die Bonuszahlungen werden sicherlich sehr viel Bewegung bringen.
Inwiefern ändert sich krisenbedingt das Arbeitsumfeld für Berater und Portfoliomanager?
Biermann: Die Akzeptanz für Homeoffice-Lösungen ist nun einfach da – Firmen diskutieren sogar Varianten, in denen Homeoffice ein verpflichtender Bestandteil des zukünftigen Arbeitens sein wird. Wir müssen aber abwarten, wie sich die Abläufe final darstellen, wenn sich die Lage durch Impfungen etwas normalisiert. Wahrscheinlich werden wir gewisse Mischformen aus „alter und neuer Arbeitswelt“ sehen. Zu wenig Beachtung in der Diskussion um Homeoffice findet die Entwicklung und Pflege einer Unternehmenskultur. Ebenso wird in der gesamten Home-Office-Diskussion zu wenig an junge Talente und neue Mitarbeiter gedacht, die nicht auf bestehende Netzwerke und Erfahrungen zurückgreifen können.
Welchen weiteren Anreize müssen Häuser den Kandidaten bieten, um sie für sich zu gewinnen?
Biermann: Flexibilität und Vertrauen sind die entscheidenden Faktoren. Homeoffice wird ein fester Bestandteil sein, aber das Pendel wird auch wieder in die andere Richtung „ausschlagen“. Perspektive, Nachhaltigkeit, Service- und Produktqualität, Freiräume, Entwicklungspotential und Vergütungssysteme rücken als Faktoren wieder mehr in den Vordergrund.
Welche Arbeitgeber profitieren von der Abkehr von den Banken?
Biermann: Es ist kein absoluter Trend hin zu kleinen oder großen Instituten ersichtlich. Wichtig ist sicherlich, wie flexibel die jeweiligen Häuser in der Krise auf die Situation reagiert und ihren Mitarbeitern Vertrauen geschenkt haben. Zusätzlich ist die Qualität der Produkte und des Services der entscheidende Faktor. Hier dürfte sich die Entwicklung, entweder ein kleiner Spezialist oder eine große Plattform und breiter Anbieter zu sein, fortsetzen. Eine generelle Abkehr von den Banken würden wir nicht final bestätigen. Das klassische Private-Banking-Geschäft ist durch eine einzelne Fintech-Plattform nicht ersetzbar – die Tools erleichtern dem Private Banker eher das Tagesgeschäft und schaffen Freiräume und ein moderneres Umfeld.
Aus welchen Gründen verharren unzufriedene Berater weiterhin in ihren alten Jobs?
Biermann: Hier hat und wird sich nichts verändern: Viele Berater verharren in ihren goldenen Käfigen. Soziale Errungenschaften, bestehende Beziehungen und Netzwerke sowie marktgerechte Bezahlungen drängen eine mögliche Unzufriedenheit in den Hintergrund.
Jobprofile: Welche Fähigkeiten müssen Bewerber mitbringen und wie haben sich die Anforderungen verändert im Vergleich zu den Vorjahren?
Biermann: Mitarbeiter fordern Flexibilität von ihren Arbeitgebern ein – diese dürfte auch von ihnen erhöht eingefordert werden. Dies bietet natürlich für alle Seiten immense Potentiale, aber auch Risiken. Sehr wichtig ist auch die Bereitschaft in Fortbildung zu investieren und sich bezüglich Produkten und Marktthemen weiterzuentwickeln. Wer etwa mit digitalen Medien nicht umgehen kann oder die Blockchain und Kryptowährungen als kurzfristige Laune betrachtet, wird es in Zukunft sehr schwer haben.
In welchen Abteilungen wird verstärkt eingestellt ?
Biermann: Wir erkennen, dass im Vergleich zu vergangenen Jahren die Bereiche Portfolio- und Produktmanagement mehr Aufmerksamkeit erhalten und wir haben in den letzten Monaten sehr spannende Mandate in diesem Segment diskutiert. Unser Fokus und bereits bestehende langjährige Netzwerke erleichtern uns das Geschäft sehr.
Wie haben sich die Gehälter im Private Wealth Management in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?
Biermann: Die Gehaltsdiskussion wird immer sehr gerne geführt. Dabei wird oft auf die angeblich zu hohen Gehälter verwiesen. Sicherlich gibt es hier noch Anpassungsbedarf, insbesondere für Mitarbeiter, die nicht wirklich einen Mehrwert liefern und die hohen Gehälter durch hohe Leistungen rechtfertigen. Durch neue Marktteilnehmer gibt es immer wieder leichte Verschiebungen, aber keine nachhaltige und absolute Steigerung. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Gehälter auch für 2020 auf recht hohem Niveau bleiben. Wir gehen allerdings von einer wesentlich größeren Spreizung bei der Höhe der Boni aus.