Inhaberstrategische Anpassungen Zeitenwende in der Asset Allocation von Family Offices

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Inhaberstrategische Anpassungen
Zeitenwende in der Asset Allocation von Family Offices
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Henning Schröer von Fidubonum

Henning Schröer von Fidubonum: Der ehemalige Single Family Officer verweist darauf, dass die Zeitenwende oft auch die inhaberstrategischen Vorgaben der Familie verändert. Foto: Fodubonum

In Zeiten, in denen in Europa wieder ein Krieg tobt, eine neue bi-polare Weltordnung zu entstehen scheint, De-Globalisierung und Energiewende in aller Munde sind, die Zinswende eingeleitet ist und die Inflation in die Höhe schießt, stellt sich sicherlich manch vermögende Familie die Frage, ob sie ihre bisherige strategische Asset Allocation (SAA) grundlegend überdenken muss. Viele der Familien haben in den letzten Jahren ihre Anleihequote zugunsten von Private-Equity-Investitionen zurückgefahren. Einige haben auf der Suche nach Diversifikation und Rendite auch Rohstoffe, Forst- oder Infrastrukturinvestments in ihr Portfolio aufgenommen. Für die Frage, ob das alles vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen Makulatur ist, lohnt es, einen Schritt zurückzutreten:

Eine gute SAA orientiert sich vorrangig an den inhaberstrategischen Entscheidungen der Eigentümer. Die Vorgaben, welche Renditeziele bei welchem Risikoappetit anzustreben sind und wofür in welcher Höhe Liquiditätsbedarf besteht, sind zum Beispiel wichtige Leitplanken für eine SAA. Im ersten Schritt ist daher zu klären, ob die Wende der Zeiten auch eine Wende dieser Vorgaben nach sich zieht. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Erlaubte zum Beispiel bisher das Ziel, das Vermögen jährlich um zwei Prozentpunkte über der Inflationsrate zu mehren, relativ risikoarme Investitionen, lässt es sich jetzt wegen des Inflationsanstiegs und der Renditekompression in doppelter Hinsicht schwerer erreichen. Vor diesem Hintergrund können die bisherigen inhaberstrategischen Vermögensziele durchaus revisionsbedürftig sein. Und auch über die Anlagepräferenzen, die Risikobereitschaft, die erlaubte Investmentqualität und die Verschuldungsquote darf in diesem Zusammenhang noch einmal nachgedacht werden.

Sind die Ziele und Leitplanken neu kalibriert, ist es sinnvoll, im eigentlichen SAA-Prozess in zwei Stufen zu denken: Auf der Gesamtvermögensebene ist zu entscheiden, mit welcher Gewichtung in welche Assetklassen investiert werden soll. Sofern noch ein Familienunternehmen vorhanden ist, kann hier insbesondere versucht werden, einen Risikoausgleich zu diesem oft übergewichteten Asset zu schaffen. Dabei ist dann auch festzulegen, welche Rendite-Risiko-Erwartungen an die einzelnen Anlageklassen gestellt werden. Damit ist dann der Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen auf der zweiten Stufe Vorgaben für die Vermögensaufteilung in den einzelnen Anlageklassen gemacht werden können.

Der SAA-Prozess hängt von Rendite- und Risikoerwartungen ab – die sich verändert haben

Für Wertpapiere wird dann zum Beispiel bestimmt, wie hoch die Quoten der einzelnen Wertpapierarten (zum Beispiel Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Private-Equity- oder Venture-Capital-Fonds) gewichtet werden sollen, wie regional zu investieren ist und inwieweit in aktive, passive Fonds oder Einzelwerte investiert werden darf. Bei Immobilien können Quoten für die einzelnen Nutzungsarten, Investmentstile und Regionen vorgesehen werden. Die Zweistufigkeit des Vorgehens hilft nicht nur bei der Strukturierung der Diskussion, sondern ist sogar zwingend notwendig, wenn die Steuerung des Gesamtvermögens einerseits und die der einzelnen Anlageklassen andererseits in unterschiedlichen Händen liegen.

Dieser eigentliche SAA-Prozess fußt in hohem Maße auf Einschätzungen zu Rendite und Risiko der einzelnen Vermögensanlagen. Dabei werden nicht einfach die Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben; das würde gerade jetzt – Stichwort: Zeitenwende – zu kurz springen. Vielmehr wird oftmals im Wege der sogenannten Monte-Carlo-Simulation versucht, aus einer fünfstelligen Anzahl von möglichen Entwicklungen für eine vorgegebene Vermögensallokation zu ermitteln, welche Rendite und welches Risiko (Volatilität, Value at Risk) für sie am wahrscheinlichsten sind.

Die Simulationsfälle werden aus der graduellen Veränderung bestimmter Einflussparameter gewonnen; ihre hohe Anzahl ergibt sich aus der Kombination der verschiedenen Veränderungsmöglichkeiten. Ausgewählt wird diejenige Vermögensallokation, deren wahrscheinliche Rendite- und Risikokennziffern den inhaberstrategischen Vorgaben am ehesten entsprechen. Die tatsächlichen Jahresergebnisse werden von diesen Werten durchaus erheblich abweichen, aber je länger der betrachtete Zeitraum ist, desto mehr werden sich die tatsächlichen Werte den wahrscheinlichen annähern.

Dies ist zumindest die Erwartung der Befürworter dieses Verfahrens. Andere vermissen die Transparenz hinsichtlich der den Simulationsfällen zugrunde gelegten Parameter und bezweifeln, dass durch sie die in der Wirklichkeit auftretenden Überraschungen wirklich adäquat abgedeckt werden. Sie bevorzugen als Anstoß für die SAA Daten, die aus Erfahrungswerten für ähnliche Wirtschaftsperioden wie die zu erwartende abgeleitet werden. Diese müssen dann zu einer Vermögensaufteilung modelliert werden, die sowohl auf der Rendite-, als auch auf der Risikoseite die strategischen Vorgaben erfüllt. Das geschieht auf der Gesamtvermögensebene und den Ebenen der einzelnen Anlageklassen separat, wobei erstere letzteren den Rahmen vorgibt.

Inhaberstrategische Vorgaben sollten überprüft werden – in einer quantitativen Asset Allocation

Angesichts der vielfältigen Veränderungen, denen die Kapitalmärkte derzeit ausgesetzt sind, würde es nicht überraschen, wenn das Durchlaufen dieses vielschichtigen SAA-Prozesses zu anderen Ergebnissen führen würde, als noch vor ein paar Jahren. Daher spricht viel dafür, eine in die Jahre gekommene SAA zu überarbeiten. Dass der Prozess als solcher angesichts der mit dem Begriff der Zeitenwende umschriebenen Veränderungen hinterfragt werden müsste, ist hingegen nicht ersichtlich.

Diese Veränderungen könnten aber noch mehr als bisher den Abgleich der vermögensstrategischen Festlegungen mit den inhaberstrategischen Vorgaben erfordern. Dieser von mir als quantitative Asset Allocation (QAA) bezeichnete Prozess kalkuliert die Entwicklung des gemäß der SAA zusammengesetzten Vermögens für die nächsten 10 Jahre. Dazu werden individuelle Annahmen für die Entwicklung der Vermögenswerte und einiger gesamtwirtschaftlicher Parameter getroffen. Außerdem werden Kosten, Steuern und Liquiditätsflüsse berücksichtigt.

Die QAA ist geeignet, mit vertretbarem Aufwand die SAA in einem entscheidenden Punkt abzurunden: Sie verifiziert, ob die SAA wie von ihr erwartet die inhaberstrategischen Vermögensziele tatsächlich realisieren kann. Das gilt nicht nur für die Frage, ob ein festgesetztes Renditeziel nach Kosten erreicht wird. Wichtiger ist noch, dass auch versprochene Investitionen, Ausschüttungen und gegebenenfalls außerplanmäßige Steuerzahlungen sicher abgedeckt werden können. In Zeiten, in denen nicht mehr eine von den Notenbanken gespeiste Geldflut alle Boote anhebt, wird das noch wichtiger. Bleibt die tatsächliche Entwicklung nämlich hinter den Erwartungen zurück, könnte es am nötigen Geld für eine notwendige Investition fehlen oder müsste gegebenenfalls zum Ausgleich die Fremdkapitalquote über die inhaberstrategisch festgelegte Grenze angehoben werden.

Um solche Risiken transparent zu machen, können im Rahmen der QAA auch alternative Szenarien berechnet werden. Damit wird den zukünftig in vielerlei Hinsicht größeren Unsicherheiten Rechnung getragen. Nicht selten führen die in der QAA gewonnenen Erkenntnisse zu einer Anpassung der SAA und manchmal sogar der inhaberstrategischen Vermögensziele, wenn und weil diese in der vorgegebenen Kombination nicht realistisch erreichbar erscheinen. Oder es zeigt sich, dass sich in einer Assetklasse die Inflation bei den Kosten viel stärker niederschlägt, als die Erträge erhöht werden können. Das könnte zum Beispiel bei einzelnen Immobilien-Nutzungsarten der Fall sein, bei denen die Mieten nicht oder nicht in der Geschwindigkeit erhöht werden können, wie die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und ESG-Investitionen steigen. Sie sollten dann in der SAA möglicherweise geringer gewichtet werden.

Insofern könnte die vielfach zitierte Zeitenwende tatsächlich auch eine Zeitenwende für die Asset Allocation bedeuten, und zwar insofern, als zukünftig standardmäßig die SAA durch eine QAA ergänzt wird.

Über den Gastautor:
Henning Schröer ist geschäftsführender Gesellschafter der Familienvermögensberatung Fidubonum. Vor dem Schritt in die Selbstständigkeit war Schröer jahrelang Leiter des Single Family Office der Unternehmerfamilie Merz in Frankfurt am Main.

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