DZ-Bank-Analyst zum Regierungswechsel Wie Joe Biden die USA aus der Krise führen will

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So dürfte sich die neue Regierung auch in diesem Punkt an die wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen. Eine schlagartige Verdoppelung des Mindestlohns wird sie wohl kaum vornehmen, um dem von der Pandemie geschwächten Arbeitsmarkt nicht noch mehr zuzusetzen. Realistisch ist eine Anhebung des Mindestlohns über mehrere Jahre. So war es auch schon in dem Gesetzesvorstoß des Repräsentantenhauses im Jahr 2019 vorgesehen, das nun als Grundlage dienen könnte: Um 1,10 US-Dollar wäre der Mindestlohn jährlich gestiegen, wenn das Gesetz auch die Zustimmung des Senats erhalten hätte. Ein Mindestlohn von 15 US-Dollar wäre so erst 2025 erreicht worden. Die Unternehmen dürften also etwas Zeit bekommen, um sich auf die Kostensteigerungen einzustellen. Ohnehin ist die Zahl der Beschäftigten, die nur den bundesweiten Mindestlohn oder aufgrund von Ausnahmeregeln weniger verdienen eher gering. 2019 waren es laut dem Bureau of Labor Statistics 1,6 Millionen Arbeitnehmer oder rund zwei Prozent der auf Stundenbasis bezahlten Beschäftigten.

Der Arbeitsmarkt sollte eine stufenweise Anhebung des Mindestlohns also verkraften können. In vielen Bundesstaaten gilt zudem schon jetzt eine höhere Lohnuntergrenze als landesweit vorgeschrieben. So haben aktuell 20 der 50 Bundesstaaten sogar einen gesetzlichen Mindestlohn von über 10 US-Dollar. Die Unternehmen in diesen Regionen wären von einer Anhebung des nationalen Mindestlohns wohl vorerst nicht betroffen. Mittel- bis Langfristig dürfte der Lohndruck landesweit zwar steigen, für die Wirtschaft muss das aber nicht schlecht sein. Damit könnte schließlich auch die Konsumtätigkeit angeregt werden.

Wirtschaftlicher Ausblick hellt sich ab dem Frühjahr deutlich auf

Priorität hat aber zunächst die Bekämpfung der Pandemie. Joe Biden hat sich klar von der Corona-Politik seines Amtsvorgängers Trump distanziert und will entschlossen gegen das Virus vorgehen. Allerdings wird sein Handlungsspielraum begrenzt sein, weil der Umgang mit der Pandemie vor allem den Bundesstaaten obliegt. Und diese halten sich trotz der sehr hohen Zahl von Neuinfektionen mit Lockdown-Maßnahmenstark zurück, vielerorts gibt es nur im Gastronomiebereich sowie für Freizeit- und Kultureinrichtungen Beschränkungen. Daran wird sich wohl auch nach dem Machtwechsel im Weißen Haus nicht viel ändern. Die wirtschaftlichen Schäden, die mit neuen Corona-Restriktionen einhergehen würden, werden von den Gouverneuren offenbar als zu groß angesehen.

Die Hoffnungen der neuen Regierung ruhen daher wohl vor allem darauf, dass ein eindringlicher Appell zum Maske-Tragen zusammen mit einer besseren finanziellen Ausstattung des Gesundheitssektors sowie letztlich mit höheren Test- und Impfkapazitäten die Ansteckungsrate bald deutlich senkt. Bevor sich die Pandemie im Frühling aber auch witterungsbedingt zurückzieht, wird das wohl nicht gelingen.

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Im ersten Quartal 2021 dürfte das Corona-Virus die Konjunkturdynamik weiter verringern. Deutliche Bremsspuren waren zuletzt zum Beispiel am Arbeitsmarkt klar zu beobachten, der Erholungsprozess kam zum Erliegen. So verharrte die Arbeitslosenquote im Dezember bei 6,7 Prozent und blieb damit fast doppelt so hoch wie vor der Pandemie im Februar 2020. Die Beschäftigung ist im Dezember gegenüber dem Vormonat gar um 140.000 gefallen, weil im Freizeit- und Beherbergungssektor viele Stellen abgebaut wurden. Und auch die Einzelhandelsumsätze gaben zum Jahresende merklich nach.

Erst ab dem zweiten Quartal 2021 rechnen wir mit einer deutlichen wirtschaftlichen Belebung, die durch das Zusammenwirken von Nachholeffekten und der expansiven Fiskalpolitik der Biden-Administration entsteht. Zusammengenommen wird das BIP der USA – nach dem heftigen Rückgang um 3,5 Prozent im Jahr 2020 – im laufenden und auch im kommenden Jahr kräftig wachsen. Wir rechnen für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von sechs Prozent, für 2022 immerhin noch von 3,4 Prozent. Als Folge der stärkeren konjunkturellen Dynamik, dürfte ab dem Frühjahr 2021 auch der Inflationsdruck zunehmen.

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Verstärkt wird dieser voraussichtlich durch den dann steigenden Weltmarktpreis für Rohöl. Die Jahresteuerungsrate wird aufgrund des statistischen Basiseffektes im Frühjahr 2021 wohl sogar kurzzeitig auf etwas über drei Prozent steigen. Ab dem Sommer dürfte die Inflationsrate zwar niedriger tendieren, sie wird aber wohl bis in die erste Jahreshälfte 2022 hinein etwas über zwei Prozent bleiben.

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