Im Ländervergleich Welche Risiken Europas Vermögensberater fürchten

Die Hauptagentur für Arbeit in Hamburg

Die Hauptagentur für Arbeit in Hamburg: Die Umstrukturierung am Arbeitsmarkt beschäftigt Vermögensberater in Deutschland besonders. Foto: Imago Images / Hanno Bode

Der Finanzvertrieb ist keine homogen gestrickte Berufsgruppe, sondern tickt durchaus unterschiedlich – abhängig davon, auf welches Land man blickt. Die Fondsgesellschaft Principal Asset Management hat sich unter 400 Vermögensberatern in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien umgehört und einige spannende Erkenntnisse gewonnen.

Befragt wurden unabhängige Finanzberater, Mitarbeiter aus Vermögensverwaltungen, Family Offices und Privatbanken, davon 100 aus Deutschland. Die Umfrage fand im September und Oktober 2023 statt.

Das größte Risiko, das speziell Finanzanlageprofis in Deutschland derzeit wahrnehmen, ist demnach die Umstrukturierung auf dem Arbeitsmarkt. Drei von vier Befragten (76 Prozent) sahen dies als das maßgebliche Risiko für ihre Portfolioperformance im kommenden Jahr an.

Die zweitgrößte Sorge hiesiger Berater gilt den Zinserhöhungen. In rund eineinhalb Jahren hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen im Euroraum von 0 auf 4,5 Prozent angehoben – was sich stark auf die Kaufbereitschaft der Verbraucher, aber auch das Investitionsvolumen der Unternehmen auswirkt: Steigende Zinsen bremsen die Konjunktur. Insofern ist die Sorge vor weiter steigenden Zinsen unter Geldanlageprofis, die vom Wohl dieser Unternehmen profitieren möchten, nachvollziehbar.

Die Sorge vor weiteren Zinssteigerungen war allerdings in Deutschland – im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern – besonders ausgeprägt.

 

In Großbritannien hingegen waren die Umfrageteilnehmer vor allem in Sorge vor möglichen Fehlentscheidungen ihrer Zentralbank – 68 Prozent gaben das an. Die Bank of England hat den Leitzins zuletzt ebenfalls stark angehoben: Von März 2020 an ging es von 0,1 Prozent auf aktuell 5,25 Prozent nach oben. In Frankreich bereitete vor allem das verhaltene globale Wachstum den Beratern Sorge (67 Prozent).

In der Schweiz nahm man eine mögliche Deflation (74 Prozent) als vorrangiges Risiko wahr. Was auf den ersten Blick eigenartig anmutet, ist nachvollziehbar:  Während das übrige Europa infolge des Ukrainekriegs zuletzt unter einer deftigen Inflationswelle mit teils zweistelligen Inflationsraten ächzte, blieb die Schweiz davon in der Tat verschont. Anstelle teils zweistelliger Inflationsraten lag die Inflationsrate der Eidgenossen auf das Jahr 2022 gerechnet bei gerade einmal 2,8 Prozent. Seitdem ist sie auch schon wieder zurückgegangen, im September 2023 betrug sie 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Mit der Sorge vor einer Deflation – die die Konjunktur erlahmen lässt und selbst von Zentralbanken schlecht bekämpft werden kann – stehen die Schweizer in Europa dennoch recht alleine da.

Deutsche Vermögensberater besonders risikosensitiv

Interessante Beobachtung: Die Anlageprofis aus Deutschland nahmen ganz generell in allen abgefragten Bereichen höhere Risiken wahr als die Finanzspezialisten der anderen Länder.

Weiterer Befund: Die deutschen Vermögensberater wollen ihre aktuellen Investments eher beibehalten als ändern – vor allem in Asset-Klassen, die als sichere Häfen in unruhigen Zeiten gelten. Staatsanleihen (46 Prozent) sowie Anleihen von Unternehmen mit guter Bonität (44 Prozent) möchten viele Berater stabil in den Portfolios belassen.

In einigen Asset-Klassen schwimmen die deutschen Vermögensprofis auch deutlich gegen den Strom. So soll hierzulande die Allokation in US-Aktien, in Vorzugsaktien im Allgemeinen und in die Anlageklasse Private Debt insgesamt eher erhöht werden. In Großbritannien, Frankreich und der Schweiz dagegen überwiegt die Zahl der Vermögensberater, die sich von diesen Anlagen trennen wollen. 

So schätzen deutsche Vermögensberater die Anlagepläne ihrer Kunden ein

Antworten auf die Frage: „Rechnen Sie damit, dass Ihre Kunden ihre Allokation in die folgenden Anlageklassen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten reduzieren, beibehalten oder erhöhen werden?“ Angaben in Prozent

Anlageklasse  Reduzieren Beibehalten Erhöhen
Schwellenländeranleihen 35 37 28
Schwellenländeraktien 24 44 32
Europäische Aktien
(inkl. Großbritannien)
26 41 33
Staatsanleihen 29 46 25
Hochzinsanleihen 31 50 19
Infrastruktur 36 43 21
Investment-Grade-Anleihen 29 44 27
Vorzugsaktien
z. B. Wandelanleihen)
27 42 31
Private Debt /
Direct Lending
28 40 32
Private Equity 29 39 32
Immobilien 30 40 30
US-Aktien 22 53 25

Einen deutlichen Home Bias ermittelten die Umfrageautoren übrigens im Bereich Immobilien. Das Betongold des jeweils eigenen Landes sei auch das attraktivste, das sagte die Mehrheit der Vermögensprofis aus allen vier Ländern quasi unisono.  

Welche Art von Immobilien es genau sein sollen? In Deutschland gaben jeweils ein gutes Drittel der Befragten den Bereich Industrieimmobilien (37 Prozent) und Lagerraum („Self Storage“, 34 Prozent) als beste Investmentgelegenheiten an. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen