Trotz Zinswende Bundesbankpräsident Nagel kritisiert schleppende Zinserhöhung bei Banken

Bundesbankpräsident Joachim Nagel

Bundesbankpräsident Joachim Nagel: „Die Kreditzinsen wurden schnell und stark angehoben. Gleichzeitig sehen wir bis heute bei sehr vielen Instituten eine Verzinsung der Sichteinlagen nahe null, so wie wir es in der zwölfjährigen Niedrigzinsphase gewöhnt waren.“ Foto: Imago Images / Rainer Unkel

Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, geht auf die Lage von Wirtschaft und Banken in der Bundesrepublik ein. Neben der eingetrübten Konjunktur sprach er vor allem über das Bild, das Bankenderzeit in seinen Augen abgeben.

Indem die Zinsweitergabe langsamer ablaufe, konnten laut Nagel die Institute ihre Ertragssituation stärken. „Die Kreditzinsen wurden schnell und stark angehoben. Gleichzeitig sehen wir bis heute bei sehr vielen Instituten eine Verzinsung der Sichteinlagen nahe null, so wie wir es in der zwölfjährigen Niedrigzinsphase gewöhnt waren“, so Nagel.

Wettbewerb um Einlagen steigt

Inzwischen aber zeige sich ein zunehmender Wettbewerb um Einlagen. Kunden können auf der Suche nach einer besseren Verzinsung ihrer Bank treu bleiben und von Sicht- in Termineinlagen umschichten. Oder sie wechseln zwischen Instituten. „Je mehr Banken höhere Zinsen an ihre Kunden weitergeben, desto mehr geraten die anderen unter Zugzwang“, kommentiert Nagel. So komme die Zinswende zunehmend bei Sparern an – was die Ertragssituation der Banken unter Druck setze. 

Diese wurde bereits im vergangenen Jahr durch die Entwicklung an den Kapitalmärkten belastet. Große wie kleine Institute mussten wegen des Zinsanstiegs und wegen Marktkorrekturen Abschreibungen auf ihre Wertpapierbestände vornehmen. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften betrugen die Abschreibungen auf Wertpapiere laut Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch im ersten Halbjahr 2022 rund 5,6 Prozent des harten Kernkapitals, bei den großen, systemrelevanten Banken waren es 3,7 Prozent. Im Ergebnis seien bei vielen Instituten die stillen Reserven aufgebraucht.

Kleinere Kreditbanken geben Zinsen eher weiter

Seit Juli 2022 habe sich die Lage der Banken aufgrund der Zinswende stark verändert. Diese führte zunächst für Institute zu einem deutlich besseren Zinsergebnis, sowohl bei großen als auch kleinen Banken. 

 

Laut dem Bundesbankpräsidenten waren es vor allem die kleineren Kreditbanken, die die Zinsen auf tägliche Einlagen seit der Leitzinserhöhung angehoben haben. Diese gäben knapp ein Drittel der seit Juli 2022 erfolgten Anstiege des Marktzinses weiter – teilweise deutlich mehr. Angesichts der geringen Verzinsung könne es nicht überraschen, dass die Sichteinlagen insgesamt schrittweise zurückgingen. Letztlich normalisiere sich hierdurch die Portfoliostruktur. Gerade bei Sichteinlagen geben Institute den Zinsanstieg langsamer weiter, so Nagel.

Herausforderung durch schwache Konjunktur

Im laufenden Jahr stehen nun aufgrund des eingetrübten konjunkturellen Umfelds die zunehmenden Kreditrisiken im Vordergrund. Kreditausfälle könnten zunehmen. Und die Zahl an Unternehmensinsolvenzen dürfte weiter steigen, schätzt Nagel die Lage ein. Aktuell liege sie allerdings noch unter dem Vor-Corona-Niveau. 

Die makroökonomischen Rahmenbedingungen führe dazu, dass Banken bei der Kreditvergabe im zweiten Quartal die Zügel weiter anzogen. Sie sehen verstärkt gestiegene Kreditrisiken und haben eine eher geringere Risikotoleranz. Aus einem geringeren Geschäftsumfang ließen sich schwieriger Erträge erwirtschaften. Insofern müssten die Institute kreativ sein und margenstarke Positionen stärken, um ihre Ertragssituation in der nahen Zukunft zu stabilisieren. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen