Taxonomie Begrenzt Kompatibel: Artikel 8 - und Artikel 9-Fonds zwischen Theorie und Praxis

Headphones
Artikel hören
Taxonomie
Begrenzt Kompatibel: Artikel 8 - und Artikel 9-Fonds zwischen Theorie und Praxis
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.
Timo Biskop von V.E.R.S. Leipzig

Timo Biskop von V.E.R.S. Leipzig: „Eine pauschale (Selbst-)Kategorisierung von Investments in „Artikel 8“- und „Artikel 9“-Produkte kann jedenfalls nicht die Lösung sein; auch nicht, um latent schwebende Greenwashing-Vorwürfe zu antizipieren.“ Foto: V.E.R.S. Leipzig

Die Frage nach der Kategorisierung von Finanzprodukten in Hinblick auf Nachhaltigkeit treibt die Branche um. Vor allem aus Kundensicht entsteht die Herausforderung, ein neues, komplexes und dynamisches Themenfeld im Vertrieb verständlich zu machen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Marktpraxis etabliert, Investmentprodukte als „Artikel 8“- oder „Artikel 9“-Produkte zu titulieren. Damit soll eine Aussage zum Nachhaltigkeitsgrad des Finanzprodukts einhergehen, dem die Branche pauschal folgen könne. Jedoch zeigt sich, dass diese Marktpraxis zu kurz greift und mit dem heute bestehenden Framework nur begrenzt kompatibel ist.

Spätestens die Frage nach einer unmittelbaren Zuordnung der vermeintlichen Nachhaltigkeitsgrade auf die denkbaren Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden scheitert, was bislang zu Unmut führt, aber konzeptionell nachvollziehbar ist. Denn die RTS zur Offenlegungsverordnung und jüngere Auslegungshinweise von Eiopa und Bafin verdeutlichen sukzessive, dass sich ein weitläufiges Missverständnis im investmentorientierten Nachhaltigkeitsdialog „eingebürgert“ hat.

Von konkreten Nachhaltigkeitsgraden ist keine Rede

Das ist zwar nachvollziehbar, da die Branche gezwungen war, an der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeit zu arbeiten, ohne ein vollständiges regulatorisches Bild zu haben. Jedoch ist es nicht hilfreich, dass Theorie und Praxis sich voneinander entfernen. Eine Deklaration „nach Artikel X“ ist jedenfalls nicht sinnvoll, um die regulatorischen Schnittstellen zu adressieren – und entspricht im Übrigen nicht dem Sinn und Zweck der Offenlegungsverordnung.

Dies wird besonders deutlich, wenn die einschlägigen Vorschriften wiedergegeben werden: So besagt Artikel 8, dass Angaben dazu gemacht werden müssen, wie etwaige Nachhaltigkeitsmerkmale erfüllt werden, sofern vorvertraglich damit geworben beziehungsweise sie bewusst gefördert werden. Artikel 9 verlangt analog Informationen dazu, wie ein etwaig angestrebtes Nachhaltigkeitsziel erreicht werden soll. Von konkreten Nachhaltigkeitsgraden ist keine Rede. Über sie ist schließlich zu informieren.

 

 

 

Um ein ganzheitliches Framework zu erhalten, das die Kategorisierung von Versicherungsanlageprodukten fördert, sind die Transparenzverordnung, die IDD-Änderungsverordnung und die Taxonomieverordnung vielmehr miteinander zu verknüpfen. Jüngere Auslegungshinweise und Level II-Texte ergänzen schließlich die Interpretation der Regulatorik. Der gedankliche Ausgangspunkt sollte dabei im Verständnis der Ziele und Absichten der Regelwerke sowie ihrer zeitlichen Entstehungshistorie begründet liegen:

I. Offenlegungsverordnung

Die bereits 2019 veröffentliche, spätestens seit dem 10. März 2021 anzuwendende und per Januar 2022 vollständige gültige „Offenlegungsverordnung“ ((EU) 2019/2088) verpflichtet Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zur Bereitstellung verschiedener Informationen im Kontext der Nachhaltigkeit. Sie liefert die informative Basis und formuliert das Zielbild sämtlicher Regulatorik für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, zumal auch die Mindestanforderungen der ESRS an ihr ausgerichtet sind.

Zum Abbau von Informationsasymmetrien legt die Offenlegungsverordnung europaweit harmonisierte Vorschriften über „Transparenz bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und der Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen in ihren Prozessen und bei der Bereitstellung von Informationen über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten“ fest.

Inhaltlich geht es somit um drei Themenfelder, zu denen Informationen auf Unternehmens- und Produktebene bereitzustellen sind. Hierzu werden Publikationspflichten auf der Internetseite, in vorvertraglichen Informationen und in der laufenden Berichterstattung verankert.

II. Taxonomieverordnung

Die 2020 veröffentlichte und seit Januar 2023 vollständig anzuwendende „Taxonomieverordnung“ ((EU) 2020/852) dient der „Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ und erweitert darüber hinaus die Transparenzpflichten im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit.

Konkret bestimmt sie die regulatorisch definierten Umweltziele, Kriterien sowie Maßgaben der Union zur Messung des ökologischen Nachhaltigkeitsgrades einer Wirtschaftstätigkeit, von Investitionen und ergänzt Transparenzpflichten in vorvertraglichen Produktinformationen. Darüber hinaus werden Publizitätspflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung auf Unternehmensebene verankert.