Pensionsverpflichtungen Dax-40-Unternehmen: Deckungsgrad erreicht Höchststand, aber der Schein trügt

Seite 2 / 2

 

„Es kam für Investoren im Jahr 2022 also insbesondere darauf an, das Portfolio risikoärmer aufzustellen und den Verlust möglichst gering zu halten. Aufgrund der stark zinssensitiven Verpflichtungen konnten Pension-Investoren trotz der sinkenden Assets ihre Bedeckung merklich steigern“, kommentiert Jeffrey Dissmann, Leiter Investment Consulting in Deutschland bei Mercer.

Erhöhung des Rechnungszinssatzes reduziert das Volumen der Pensionsverpflichtungen deutlich

Im Jahr 2022 ist der bilanzielle Wert der Pensionsverpflichtungen nach IFRS von 412 Milliarden Euro auf etwa 290 Milliarden Euro deutlich gesunken. Durch die geänderte Zusammensetzung des Dax 40 haben sich die Pensionsverpflichtungen zunächst um 8 Milliarden Euro erhöht. Zudem mussten die Unternehmen aufgrund der stark gestiegenen Inflation die Annahme für die Rentendynamik deutlich anheben, was versicherungsmathematische Verluste von etwa 10 Milliarden Euro ausmacht. 

Im Zusammenhang mit den Zinsschritten der Notenbanken zur Inflationsbekämpfung kam es allerdings auch zu einer Erhöhung des Rechnungszinssatzes. Dies führte zu hohen versicherungsmathematischen Gewinnen, die auch der Haupttreiber für die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen waren. So betragen diese fast ein Drittel der Vorjahresverpflichtung, nämlich etwa 140 Milliarden Euro. „Bedingt vor allem durch den Ukrainekonflikt hat sich das Zinsniveau im Jahr 2022 volatil, insgesamt aber vor allem nach oben entwickelt. Zum 
Jahresende haben wir den höchsten Monatsendstand seit über zehn Jahren erreicht“, erläutert Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer Deutschland.

Mercer leitet den Rechnungszins für Pensionsverpflichtungen mit einem eigenen Verfahren, der Mercer Yield Curve, her. Für eine Duration von 15 Jahren ist der Zins danach von 1,31 Prozent auf 4,21 Prozent und für eine Duration von 20 Jahren von 1,47 Prozent auf 4,25 Prozent zum 31. Dezember 2022 gestiegen. Die tatsächliche Erhöhung dürfte bei den Unternehmen im Dax 40 allerdings niedriger ausgefallen sein. „Zum einen sinkt die Duration eines Bestands bei steigendem Rechnungszins, zum anderen gibt es verschiedene Zinsermittlungsverfahren. Insgesamt rechnen wir aber damit, dass die Unternehmen im Dax 40 den Rechnungszins um durchschnittlich 2,5 Prozentpunkte angehoben haben“, so Hagemann weiter. 

 

 

 


Die versicherungsmathematischen Gewinne aufgrund der Zinsentwicklung sind zwar erfreulich für die Unternehmen, spiegeln aber nur die rein bilanzielle Bewertung wider. Da die Verpflichtungen selbst in der Regel nicht zinsabhängig sind, ergibt sich aus der Zinsentwicklung keine tatsächliche langfristige Entlastung der Unternehmen. Anders dagegen ist die Situation bei den versicherungsmathematischen Verlusten aufgrund der Anhebung der Rentendynamik. Diese Erhöhung von etwa 10 Milliarden Euro bildet die in den nächsten Jahren deutlich erhöhten Rentenanpassungen ab, die zu einer Erhöhung der tatsächlichen Zahlungen führen wird. Der Rückgang der Pensionsverpflichtungen aufgrund der Zinsentwicklung verdeckt also das zusätzlich erwartete Verpflichtungsvolumen aufgrund zukünftiger Anpassungen und zeigt letztlich nur scheinbare Entlastungen.

 

 © Mercer Deutschland

 

Der Deckungsgrad ist deutlich angestiegen

Der Deckungsgrad, also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen, hat sich im Dax 40 von 72 Prozent auf einen neuen Rekord von über 80 Prozent erhöht. Dieser Höchststand ist durch den Rückgang der Pensionsverpflichtungen aufgrund der Entwicklung des Rechnungszinssatzes verursacht. Pensionsvermögen ist in Deutschland nicht verbindlich. Der Deckungsgrad der Unternehmen im Dax 40 liegt bei ihren US- und UK-Verpflichtungen höher als bei ihren Verpflichtungen in Deutschland.

Bei Unternehmen außerhalb des Dax 40 sind zudem meist deutlich geringere Deckungsgrade zu verzeichnen. Da eine gesetzliche Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein besteht, verzichten manche Unternehmen sogar gänzlich auf Pensionsvermögen. Allerdings ist ein anhaltender Trend zur bilanziellen Entlastung mittels Ausfinanzierungslösungen, insbesondere mithilfe des Durchführungsweges Pensionsfonds, zu beobachten. 
„Ausfinanzierungslösungen dienen der angemessenen Risikosteuerung und helfen dabei, bestehende und künftige Verpflichtungen und die daraus resultierenden Bilanz- und Liquiditätsbelastungen optimiert und planbar zu gestalten“, erläutert André Geilenkothen, Leiter Pensionskassenberatung (Pension Funding Consulting) bei Mercer Deutschland. 

Was kommt 2023?

Die globale Wirtschaft steht auch 2023 vor vielen Unsicherheiten. Der Ukrainekonflikt und die damit verbundene Energiekrise sind nicht vorbei. Eine Einschätzung über das Gesamtausmaß kann aktuell noch nicht getroffen werden. Die derzeit hohe Inflation wird sich zwar langsam zurückentwickeln, dürfte aber noch einige Jahre anhalten. Ebenso ist mit weiteren Zinssteigerungen zu rechnen, auch wenn diese vermutlich niedriger als zuletzt ausfallen werden.

 

 

 

Auch die Covid-19-Pandemie könnte aufgrund der aktuellen Entwicklungen in China noch zu Überraschungen führen. Das Rezessionsszenario bleibt auf globaler Ebene betrachtet weiterhin realistisch. „Aufgrund der gestiegenen Zinsen und des damit verbundenen hohen Deckungsgrades ist aktuell ein sinnvoller Zeitpunkt, um wieder in zinstragende Asset-Klassen zu investieren. Mit einem Liability Driven Investment (LDI)-Ansatz sichert man die hohe Zinssensitivität der Verpflichtungen ab und reduziert somit die Bilanzvolatilität“, so Dissmann.

„Damit bietet das aktuelle Kapitalmarktumfeld trotz der bestehenden Unsicherheiten vielfältige Möglichkeiten. Bestehende Ausfinanzierungslösungen sollten auf die neuen Gegebenheiten optimiert werden und Unternehmen, die solche Lösungen bislang noch nicht nutzen, sollten diese Option zumindest prüfen“, ergänzt Geilenkothen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen