ESG-Vergütung im Dax und M-Dax „Nachhaltigkeit ist kein Luxusgut“

Christina E. Bannier, Professorin für Banking & Finance der Uni Gießen

Christina E. Bannier, Professorin für Banking & Finance der Uni Gießen: Der ESG-Vergütungsscore legt Schwachstellen in der Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen offen, mit denen Investoren unmittelbar in den Engagement-Prozess einsteigen können. Foto: Katrina Friese

private banking magazin: Frau Bannier, welche Erwartungen hatten Sie im Vorfeld der Auswertung?

Christina E. Bannier: Es gibt bisher nur sehr wenige Studien, die sich mit der Frage beschäftigt haben, wie Nachhaltigkeit in der Vorstandsvergütung eingesetzt wird. Im Wesentlichen betrachten diese Arbeiten britische Unternehmen. Diesen Studien zufolge setzen nur wenige Unternehmen bereits Nachhaltigkeitsziele in ihren Vergütungssystemen ein und dann auch meist nur in geringem Umfang in der kurzfristigen variablen Vergütung. Insofern war ich tatsächlich positiv überrascht, wie stark das Thema in deutschen Unternehmen schon Einzug gehalten hat – ich hätte mit weniger gerechnet.

Welche Ergebnisse haben Sie konkret überrascht – positiv wie negativ?

Bannier: Sehr positiv überrascht hat mich, mit welch großer Stringenz einzelne Unternehmen vorgehen: Die im Vergütungssystem eingesetzten Nachhaltigkeitsziele leiten sich unmittelbar aus der Strategie her, sie werden klar beschrieben – auch in ihrer Bedeutung für die Unternehmensentwicklung – und mit einem hohen Gewicht in das Vergütungssystem eingebaut. Diese Vorgehensweise spricht nicht nur für einen ganzheitlichen, sondern auch für einen effizienten Ansatz, da sich diese Unternehmen meist auf eine kleine Anzahl an Nachhaltigkeitszielen konzentrieren. Die weitaus größere Gruppe an Unternehmen geht jedoch leider viel weniger stringent und auch weniger fokussiert vor: Hier werden nur schwammig-interpretierte Nachhaltigkeitsziele genannt, teils in einer listenartigen Aufzählung, und es bleibt unklar, warum diese Ziele für das Unternehmen überhaupt relevant sein sollten.

Als wie nachhaltig bewerten Sie die Vorstandsvergütungen der Dax- und M-Dax-Unternehmen?

Bannier: Mein Fazit fällt durchaus positiv aus: Eine kleine Gruppe an Unternehmen nutzt das Vergütungssystem sehr konsistent und authentisch, um seine Nachhaltigkeitsstrategie glaubwürdig umzusetzen. Viele andere Unternehmen haben zumindest erste wichtige Schritte in diese Richtung unternommen und feilen noch an der konkreten Umsetzung. Nur wenige Unternehmen hinken wirklich noch weit zurück. In Summe ist dies für mich ein durchaus ermutigendes Bild. Interessant ist dabei auch, dass die M-Dax-Unternehmen hinter den Dax-Unternehmen kaum zurückbleiben. Nachhaltigkeit ist somit nicht nur ein Thema für die allergrößten Unternehmen, es ist kein „Luxusgut“, sondern vielmehr eine Notwendigkeit für alle.

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Welche Branchen stechen mit guten Werten hervor?

Bannier: Es scheinen tatsächlich zwei Branchen im Ranking des ESG-Vergütungsscore vorn zu liegen: Unternehmen der Finanzbranche und aus der Chemie. Ersteres erklärt sich regulatorisch: Durch die Institutsvergütungsverordnung sind die Finanzinstitute schon seit geraumer Zeit dazu angehalten, ihre Vergütungssysteme langfristiger auszurichten und Nachhaltigkeits-Elemente zu berücksichtigen, wie beispielsweise einen Compliance-Clawback. Unternehmen aus der Chemiebranche sind dagegen ganz unmittelbar vielen Nachhaltigkeits-Risiken ausgesetzt, etwa durch einen hohen Energiebedarf oder Gefahren für die Mitarbeitersicherheit. Daher besteht für diese Unternehmen eine hohe Notwendigkeit, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und dies hat offensichtlich auch einen Niederschlag in den Vergütungssystemen gefunden.