3. Auflage des etwas anderen Marktausblicks Corona und der Personalmarkt im Private Wealth Management

Dr. Andreas Halin ist Gründungsgesellschafter von Global Mind Executive Search Consultants.

Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit um die Private-Wealth-Branche in Deutschland?

Andreas Halin: Das Wealth Management steht weiterhin im Zentrum der Ambitionen von Großbanken. Spezialisierte und kleinere Anbieter haben Ihr Profil geschärft und es sind einige spannende neue Anbieter in den Markt eingetreten. Letztere bringen erfahrende Professionals und innovative Konzepte zusammen. Während sich einzelne Häuser mit Personalrekrutierungen, die oft zu Beginn des Jahres initiiert wurden, weiter verstärkt haben, hat die Branche insgesamt die Corona-Zeit für die unternehmensinterne Konsolidierung genutzt. Das heißt: Sie hat Strukturen und Kosten überprüft und optimiert. Aufgaben wurden geschärft und die Vertriebssteuerung wurde getrimmt. Quantitative Zielvorgaben hat man aus 2020 ins Jahr 2021 verschoben. Aus dieser Perspektive betrachtet war 2020 für die jeweiligen Anbieter primär ein Test auf „Sturmfestigkeit“ ihres Geschäftsmodells.

Die nächsten Jahre werden wieder sehr wettbewerbsintensiv. Differenzierung wird aber mehr aus der Produktbreite und der Anlageperformance in einem extrem dynamischen Makroumfeld resultieren. Indexorientierung wird nicht reichen. Sonst werden Anleger größere Teile ihres Vermögens mittels ETFs, Themenfonds und Einzeltiteln selbst steuern.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den Personalmarkt?

Halin: Der Markt ist strategisch weiterhin „heiß“. Die Verunsicherung durch die Corona-Krise hat lediglich für eine zeitlich begrenzte taktische Pause und insbesondere im dritten Quartal für eine Repartierung von Neumandatierungen gesorgt. Der Markt zieht aktuell wieder an und wird ab dem zweiten Quartal 2021 nahtlos an das Jahr 2019 anknüpfen. Strukturell wird sich die Nachfrage aber verschieben. Während 2019 primär Kundenbetreuer gesucht wurden, stehen aktuell und 2021 andere Kompetenzen im Mittelpunkt. Das betrifft Investmentmanager, Portfoliomanager mit Spezialkenntnissen und Produktexperten. Unsere Klienten wollen ihre Ertragskraft erhöhen und dafür auch ihr Produktspektrum verbreitern.

Welche langfristigen Folgen wird die Pandemie auf das Vermittlungsgeschäft im Private Wealth Management haben?

Halin: Langfristig keine!

Inwiefern ändert sich krisenbedingt das Arbeitsumfeld für Berater und Portfoliomanager?

Halin: In der Krise haben sich auch die Bestandskunden an Videokonferenzen und Webinare gewöhnt. Dies hat die Akzeptanz von Homeoffice-Regelungen bei Arbeitgebern, Beratern und Portfoliomanagern exponentiell gesteigert. Gerade Portfoliomanager schätzen es, mit mehr Ruhe und weniger Unterbrechungen arbeiten zu können. Dagegen leiden Kundenberater unter diesen Bedingungen bei der Neukundengewinnung: Persönliche Akquisitionsgespräche sind schwierig: „Wer vertraut schon freiwillig einem Maskierten sein Geld an?“ Und Akquisitionsgespräche per Video lassen sich kaum erfolgreich führen. Kundenberater berichten uns, sie fühlten sich, als ob sie mit Pfeil und Bogen auf Mammutjagd gehen müßten: „Man rennt viel, aber der Magen bleibt leer.“

Welchen weiteren Anreize müssen Häuser den Kandidaten bieten, um sie für sich zu gewinnen?

Halin: Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, dass optimale Abläufe und eine moderne IT-Umgebung unabdingbar sind. Kandidaten werden stärker darauf schauen, dass eine IT-Plattform es dem Berater, Investmentmanager und Portfoliomanager ermöglicht, optimal mit dem Neu- und Bestandskunden in allen Phasen zu interagieren. Dass heißt Apps und Zugänge müssen es dem Kunden ermöglichen, sich selbstständig zu informieren und auch zu agieren oder seine Interessen zu artikulieren. Berater und Investmentmanager wollen indikationsadjustierter beraten und agieren. Eine auf Homeoffice-Tätigkeiten und ‚Unterwegs-Arbeiten‘ hin optimierte IT wird selbstverständlich sein. Insgesamt steht die Zukunftsfähigkeit eines neuen Arbeitgebers, definiert durch Anlageperformance, IT und Lösungskompetenz, noch mehr im Fokus. Rein finanzielle Attraktivität reicht nicht.

Welche Arbeitgeber profitieren von der Abkehr von den Banken?

Halin: So stark ist die Abkehr von den Banken nicht. Das Spektrum der Arbeitgeber polarisiert sich viel mehr. Große Institute und viele kleinere Anbieter mit vermeintlich individuellem Ansatz stehen sich gegenüber. Wer nicht mit der Wucht eines großen Institutes argumentieren kann, muss klare Differenzierungsmerkmale aufzeigen. Dies betrifft beim Werben um einen Kandidaten, vor allem klare Aussagen dazu, warum ein Kandidat in einem bestimmten Umfeld erfolgreicher und gleichzeitig zufriedener sein kann.

Aus welchen Gründen verharren unzufriedene Berater weiterhin in ihren alten Jobs?

Halin: Sicherheitsorientierung, unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit, Ambitionslosigkeit und Energiemangel. Ja, Karriere ist das, was manchmal etwas weh tut. Es ist paradox, dass in einer Branche, in der das reale Risiko von Arbeitslosigkeit nach einem potentiellen Fehltritt gleich null ist, die Wechselbereitschaft immer noch unterdurchschnittlich ist.

Jobprofile: Welche Fähigkeiten müssen Bewerber mitbringen und wie haben sich die Anforderungen verändert im Vergleich zu den Vorjahren?

Halin: Das Anspruchsniveau der Arbeitgeber und die nachgefragte Qualität steigt weiter. Während Berater früher vor allem kommunikations- und akquisitionsstark sein mußten, müssen sie heute auch die Profitabilität von Bestandskunden aussteuern können. Wer aufsteigen will, muss zudem komplexe Themen schnell aufnehmen und mit zunehmender Führungsverantwortung ‚Individualisten‘ motivieren und managen können. Im Vergleich zu früher ist Wealth Management noch kompetitiver geworden. Gerade im UHNW-Bereich muss „over-bankden“ Kunden stringent und plausibel hergeleitet werden, was die eigene Plattform besser kann, als jene der Wettbewerber, die letzte Woche und nächste Woche mit dem gleichen Zielkunden sprechen werden. Und dann muss man das, was man versprochen hat, konsistent liefern!

In welchen Abteilungen wird verstärkt eingestellt?

Halin: Corona hat repartierend auf Personalsuchen gewirkt. Gesucht wurde durchgängig dort, wo man in den eigenen Prozessen und Abläufen Verbesserungsbedarf festgestellt hat. Dies betrifft Client-Onboarding, IT, Recht und HR. Für uns ist vor allem das oberste Segment in allen Funktionen relevant: Dort wurde stetiger gesucht und die Nachfrage steigt gerade mit Blick auf 2021 wieder an. Spannend ist es zu beobachten, wie sich Klienten vereinzelt für Kandidaten aus anderen Segmenten des Bankgeschäftes öffnen. Während das bei Zentralfunktionen nicht überrascht, konnten wir in den vergangenen Jahren mit gestandenen Kandidaten aus dem Investmentbanking, Equity Capital Markets und dem Finanzierungsgeschäft für beide Seiten gleichermaßen neue Perspektiven eröffnen.

Wie haben sich die Gehälter im Private Wealth Management in den vergangenen zwei Jahren entwickelt?

Halin: Insgesamt haben sich die Gehälter nur moderat entwickelt, da der Kostendruck überall hoch ist. Dennoch konnten Leistungsträger sich gehaltlich weiterentwickeln. Dies betrifft insbesondere Kundenberater und Investmentmanager auf den unteren und mittleren Ebenen mit direkter Akquisitions- und Kundenverantwortung. Bei Funktionen ohne direkte Verkaufsverantwortung blieben die Gehälter nur stabil. Neu in den Markt gekommene Akteure hatten so gut wie keinen Einfluss auf das allgemeine Gehaltsniveau. Diese suchten nur ausgewählte Profile. Der daraus resultierende Mengeneffekt blieb insgesamt zu gering. Handverlesene Top-Berater können sich auch im Wealth Management Gehälter erarbeiten, die an jene des Investmentbanking heranreichen. Spannend bleibt die noch offene Frage der Boni für das aktuelle Geschäftsjahr 2020.

nach oben