Beobachtungen eines Dachfondsmanagers Wirecard – Ein Desaster mit Ansage

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Das Thema Betrug ausschließen wollte grundsätzlich keiner, aber nur wenige äußerten den Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehen würde. Am konkretesten wurde der Londoner Manager eines global investierenden Fonds. Er sagte, er traue der Buchhaltung von Wirecard nicht. Sein Analyst habe alle Zahlungsabwickler auf dem Radar, aber kein Wettbewerber erzielt annähernd so hohe Margen in Asien wie Wirecard. Da er dank des globalen Ansatzes andere Möglichkeit hat, investiere er stattdessen in die großen US-Gesellschaften.

Nahezu alle Manager waren sich aber in einem Punkt einig: Markus Braun, das Mastermind von Wirecard, sei – vorsichtig formuliert – kein Sympathieträger. Gerade für solche Fondsmanager, die auch qualitative Aspekte verstärkt in ihre Due Diligence einfließen lassen, war dies ein Grund, der gegen ein Engagement in Wirecard sprach.

Welche Schlüsse lassen sich nun daraus ziehen?

Ein Fondsmanager muss die Möglichkeit und Freiheit haben, nur in Unternehmen zu investieren, von denen er absolut überzeugt ist. Das mag banal klingen, ist aber unter anderem ein Größenthema. Wenn das anvertraute Fondsvolumen im Vergleich zur Marktgröße sehr groß wird, kann der Manager um die Dickschiffe des Marktes keinen Bogen mehr machen – siehe das eingangs erwähnte Beispiel Samsung. Gleichzeit muss er die Zahl der Unternehmen im Portfolio erhöhen, was zu Beliebigkeit führt – aber das ist ein anderes Thema. Deshalb sind Fonds mit konzentrierten Portfolios von Boutiquen oder kleineren und mittleren Fondsgesellschaften im Vorteil.

Um diese Flexibilität auch leben zu können, darf das Anlageuniversum eines Fonds nicht zu klein sein. Wenn ein Manager beispielsweise das Thema Zahlungssysteme in Deutschland abdecken will, kommt er um Wirecard nicht herum. Manager europäischer oder global ausgerichteter Fonds können hier auf andere Unternehmen dieses Wachstumssegments zurückgreifen. Somit sind regional oder auch thematisch breit gefasste Ansätze zu bevorzugen.

Und last but not least zeigt Wirecard die überragende Bedeutung der Berücksichtigung von Governance im Investmentprozess. Fondsmanager, die es mit guter Unternehmensführung bei ihren Zielinvestments wirklich ernst nehmen, hätten angesichts der kolportierten Ungereimtheiten schon lange nicht mehr investiert sein dürfen. Spätestens aber nach der Veröffentlichung des KPMG-Sondergutachtens Ende April, das die Zweifel an den Geschäftszahlen nicht ausräumen konnte und zudem erhebliche Mängel bei der Organisationsstruktur offengelegt hat, hätte man sämtliche Bestände verkaufen müssen.


Über den Autor:
Alexander Orthgieß beurteilt und wählt seit 20 Jahren Investmentfonds aus. Er ist Gründer der Investmentboutique Bagus Capital und berät den Bagus Global Balanced Fonds (ISIN: DE000A2N68V2).

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