Beobachtungen eines Dachfondsmanagers Wirecard – Ein Desaster mit Ansage

Alexander Orthgieß begleitet seit fast 20 Jahren das Kapitalmarktgeschehen.

Alexander Orthgieß begleitet seit fast 20 Jahren das Kapitalmarktgeschehen.

Als Dachfondsmanager sollte man verstanden haben, wie Unternehmensbewertung funktioniert, um die Auswahl der Investments in den Zielfonds nachvollziehen zu können. Aber natürlich ist man nie so nah an den Unternehmen wie die Fondsmanager. Doch genau deshalb lohnt es sich, verschiedene Manager zu ein und demselben Unternehmen zu befragen, um mehr über ihre unterschiedliche Denk- und Arbeitsweise zu erfahren und diese zu verstehen.

Diese Routine begann für mich vor über 15 Jahren auf einer der großen Fondskonferenzen. Abends saß ich mit zwei US-amerikanischen Fondsmanagern für Emerging Markets zusammen. Damals begann der Aufstieg von Samsung an der Börse. Beide Manager waren sich über die Schwächen dieses aufstrebenden Weltkonzerns einig: Clan-Herrschaft, intransparente Strukturen und vieles mehr.

Einer der beiden investierte genau aus diesen Gründen nicht in Samsung, das damals bereits eine der wertvollsten Marken in Asien war. Der andere konnte wegen der Größe seines Fonds und der damit einhergehenden Benchmark-Orientierung um Samsung keinen Bogen machen. Erstaunlicherweise sagte er dennoch, wer Samsung in den Top 10 hat und von sich behauptet, er sei Stockpicker, der lügt. Denn auch er war der Ansicht, dass es einfach unmöglich war, ein derart komplexes Konglomerat angemessen zu analysieren. Natürlich fragte ich die nächsten Jahre jeden Emerging-Market-Manager, wie sie es mit Samsung halten.

Der Fall Wirecard

Mit der Gründung von Bagus Capital mietete ich ein Büro im Industriegebiet von Aschheim, einem Vorort von München. In fußläufiger Entfernung ansässig ist der bis vor kurzem schillernde und nun gefallene Dax-Konzern Wirecard. Insofern war Wirecard meist schon beim Small Talk zu Beginn eines Gesprächs Thema.

Nach den jüngsten Ereignissen habe ich die Notizen der zu Wirecard befragten Fondsmanager nachgelesen. Eigentlich hat keiner meiner Gesprächspartner Wirecard als Top-Investment-Idee bezeichnet. Das mag daran liegen, dass ich ausgewiesene Stockpicker als Fondsmanager bevorzuge, die ihre Portfolios unabhängig von Zusammensetzungen der Benchmarks strukturieren. Dabei sei angemerkt, dass Wirecard nicht ansatzweise die gleiche Bedeutung an der Börse hat wie das bei Samsung der Fall war und ist. Dennoch lässt die Art und die Qualität der Antworten nicht nur Rückschlüsse auf den Investmentansatz und das jeweilige Research zu, sondern auch auf die Konsistenz von Marketing und tatsächlicher Umsetzung.

Wenig überraschend ist, dass jegliche Value-Manager ein Engagement bei der Wachstumsstory Wirecard schon aus Bewertungsgründen abgelehnt haben. Selbst unmittelbar nach der Short-Attacke im Februar vergangenen Jahres, als sich der Börsenkurs kurzfristig nahezu halbierte, war es einem Deep-Value-Manager immer noch viel zu teuer, zumal die Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt des Vorwurfs der Bilanzmanipulation seiner Ansicht nach einen weiteren Sicherheitsabschlag erfordert hätte.

Zu hohe Margen machen misstrauisch

Interessanterweise sprachen mehrere Manager Wirecard ab, über einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verfügen, obwohl das Unternehmen lange Zeit auch für seine Technologie in der Presse gefeiert wurde und diese als Begründung für das rasante Wachstum angesehen wurde. Der Manager eines Technologiefonds ging darauf jedoch gar nicht ein, sondern sagte lediglich, warum soll ich das Risiko eingehen, wo doch so vieles im Dunklen liegt.

Überhaupt war die Skepsis der angelsächsischen Gesprächspartner gegenüber Wirecard viel ausgeprägter. Mutmaßlich waren sie stärker von der negativen Berichterstattung der Financial Times beeinflusst als deutsche Fondsmanager, die grundsätzlich weniger Berührungsängste hatten.

So berichtete ein hiesiger Small-Cap-Manager, dass Wirecard große Anteile an seiner Performance der letzten Jahre hatte. Er habe die Aktie inzwischen aber verkauft, da sie aus seinem Anlageuniversum hinausgewachsen sei. Hinsichtlich der Betrugsvorwürfe der Financial Times antwortete er lapidar, er sei kein Buchprüfer und verlasse sich auf die Testate der Wirtschaftsprüfer.