Kryptohandel für institutionelle Kunden Wie Banken ein Kernbankensystem für Kryptowährungen aufbauen können

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Die technische Koordination durch das OEMS soll an folgendem vereinfachten Beispiel veranschaulicht werden: Ein Bankkunde möchte einen Bitcoin kaufen. Er nutzt dafür eine Banking App. Alle handelbaren Kryptowährungen und die entsprechenden Marktpreise werden durch das OEMS eingespielt, das diese von den angeschlossenen Brokern und Handelsplätzen bezieht. Der Kunde löst nun eine Kauf-Order für einen Bitcoin aus. Die Kauf-Order wird als Smart Market Order ausgeführt, das heißt: Die Order wird auf die unterschiedlichen Handelsplätze aufgeteilt, die gegenwärtig die niedrigsten Marktpreise anbieten.


Das E-Banking-System der Bank übermittelt den Kaufauftrag an das OEMS über das Kernbankensystem. Im OEMS werden nun über das Smart Order Routing nachgeordnete Orders an zwei verschiedene Broker und eine Börse versendet, die idealerweise Kreditlinien anbieten. Sobald die Kaufaufträge bestätigt wurden, senden die Handelsplätze Bestätigungen über die Ausführung an das OEMS, die via Kernbankensystem an das E-Banking des Bankkunden weitervermittelt werden. Dem Kunden werden nun der vollständig erfüllte Kaufauftrag sowie eine aktualisierte Bilanz angezeigt.

Doch der Bitcoin befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Broker- und Börsenaccounts der Bank und muss erstmal in die bankeigene Verwahrstelle überführt werden. Um dies auszuführen und die Kreditlinien zu erfüllen, muss die Bank zuerst den Dollar-Wert des Bitcoins als Fiatgeld oder Stablecoin an die Broker und Börsen senden. Danach wird durch das OEMS der Einzug des Bitcoin von den Broker- und Börsenaccounts über die Verwahrstelle ausgelöst. Sobald der Bitcoin sicher in der Verwahrstelle angekommen ist, speichert das OEMS die neue Bitcoin-Bilanz des Kunden und meldet die erfolgreiche Transaktion an das Kernbankensystem.

Wichtigste Eigenschaften für eine technisch ausgereifte OEMS-Plattform

Um eine OEMS-Plattform zu schaffen, sollten mehrere Punkte beachtet werden. Grundlegend sind folgende:

  1. Verwendung standardisierter Schnittstellen auf Basis des FIX-Protokolls
  2. Gebündeltes Settlement ausgeführter Kundenaufträge, um On Chain-Gebühren zu minimieren
  3. Die Eröffnung von Nostrokonten für Gegenparteien wie Broker, um Transaktionen sofort auszugleichen und die Kundenbilanzen korrekt anzuzeigen

Weiteres Optimierungspotenzial bieten Maßnahmen, die zu einem späteren Zeitpunkt ergriffen werden können, wie etwa die Etablierung direkter Marktzugänge zu den Handelsplätzen, um Provisionen durch Smart Order Routing und Order-Algorithmen zu realisieren. Außerdem sollte ein automatisierter Workflow – vom E-Banking, Kernbankensystem, über den Zahlungsausgleich bis zur Verwahrung – geschaffen werden, um menschlichen Einfluss und operativen Aufwand zu minimieren.

Flexibilität ist der Schlüssel

Ein modernes OEMS, das die genannten Anforderungen erfüllt und für den institutionellen Handel mit Kryptowährungen entwickelt wird, muss flexibel und effizient genug sein, um den steigenden Anforderungen der Bank gerecht zu werden. Denn sobald eine ganzheitliche technische Oberfläche geschaffen wurde, kann die Bank sich darauf konzentrieren, ihre Kryptodienstleistungen zu verfeinern und zu optimieren.

Über den Gastautor:
Andy Flury ist Gründer und CEO von Algotrader, dem weltweit führenden Technologieanbieter für den institutionellen Handel mit digitalen Vermögenswerten. Davor war er Partner und Head of Algorithmic Trading beim Schweizer Hedgefonds Linard Capital.

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