Hohe Qualität, geringes Risiko Anleihen im Investment-Grade-Segment bieten aktuell positive Einstiegsrenditen

Jens Franck, Leiter Portfoliomanagement bei Nordix.

Jens Franck, Leiter Portfoliomanagement bei Nordix. Foto: Nordix

Das Investment-Grade-Segment steht bei zinsorientierten Investoren in der Priorität oft nicht weit oben. Zwar gelten Investment-Grade-Anleihen als sicherer Hafen, aber die hohe Qualität und das geringe Risiko eines Zahlungsausfalls führen auch zu einem Gefühl der Langeweile und im Vergleich zu anderen Bewertungsklassen geringeren erwarteten Ertragsmöglichkeiten. Doch das ist ein Trugschluss. Denn auch im Investment-Grade-Segment sind attraktive Einstandsrenditen möglich. Zudem ist für Investoren die Vereinnahmung der gestiegenen Zinsen jetzt das Gebot der Stunde.

Zinsen weiterhin „High for Longer“

Um diesen Ansatz zu festigen, lohnt sich der Blick auf das Kapitalmarktszenario für 2024. Zunächst herrscht allgemeinen Einigkeit darüber, dass die Notenbanken im aktuellen Zyklus vorerst durch sind und keine weiteren Zinserhöhungen zu erwarten sind. Die Ansicht darüber, wann es zu ersten Zinssenkungen kommt, geht aber auseinander.

Zunehmend formulieren beispielsweise meinungsführende Investmentbanken in ihren Outlooks für 2024 eine hohe Erwartungshaltung für sinkende Zinsen ab Mitte 2024 oder sogar bereits im Verlaufe des zweiten Quartals. Wir sehen wir die Leitzinsen hingegen auf einem ausreichend hohen Niveau, welches für eine längere Zeit gehalten wird („High for Longer“). Somit erwarten wir keine Leitzinssenkungen in naher Zukunft, mindestens nicht vor dem dritten Quartal 2024.

„Once in a Lifetime“-Chance für Investoren

In dieser Gemengelage sind die Märkte in Erwartung von Zinssenkungen bereits sehr gut gelaufen. Die Einstiegsrenditen in einem reinem Investment-Grade-Portfolio mit einer leichten Beimischung von beispielsweise substanzstarken Nachranganleihen lagen im Oktober zwischen 5,75 und sechs Prozent auf aggregierter Portfolioebene (vor Kosten).

Ein ähnliches Portfolio bietet derzeit (Stand: Anfang Januar 2024) aufgrund der inzwischen tieferen Inflationsaussichten eine Einstandsrendite von knapp unter vier Prozent und liegt damit immer noch im Bereich einer positiven Realverzinsung. Das bedeutet: Die aktuellen Einstandsrenditen bewegen sich trotz der guten Performance im vierten Quartal 2023 immer noch auf einem „historisch“ attraktiven Niveau.  Es liegt die Vermutung nahe, irgendwann von „Once in a Lifetime“ zu sprechen. Das Investment-Grade-Universum handelt auf Basis der guten Verfassung der unterliegenden Unternehmen unverändert auf sehr attraktiven Spreadniveaus.

Das macht eine entsprechende Strategie für ausschüttungsorientierte Investoren, die dennoch zugleich an einem niedrigeren Risikoprofil interessiert sind, interessant. Dass diese Strategie kein Selbstläufer ist, versteht sich wohl von selbst. Aktives Management im gesunden Verhältnis zwischen Unternehmens- und Bankanleihen ist wesentliches Gebot, um Chancen und Risiken über Länder und Branchen sinnvoll zu verteilen.

Ebenso ist ein Money- beziehungsweise Positions-Management über die Auswahl der richtigen Losgrößen entscheidend. Money Management bezeichnet bekanntlich eine Wertsicherungsstrategie, die darauf abzielt, das Risiko eines Wertpapier-Portfolios durch Größenfestlegung der einzelnen Handelspositionen zu steuern.

Unternehmensanleihe von Heidelberg Materials

Ein Beispiel aus den Unternehmensanleihen ist der Baustoffkonzern Heidelberg Materials, eines der größten Baustoffunternehmen der Welt. In Deutschland ist Heidelberg Materials Marktführer bei Zement und Transportbeton sowie führend bei Sand und Kies. Das Unternehmen ist weltweit die Nummer 1 bei Zuschlagstoffen und Transportbeton sowie Nummer 2 bei Zement.

Führende Investmentbanken ordnen die Aktie derzeit in die Kategorie Übergewichten ein, die Ergebnisse der ersten neun Monate 2023 sind aus dem Blickwinkel der Fremdkapitalgeber ausreichend, um weder laufende Zinszahlungen noch die Bedienung des Kapitals zur Fälligkeit der folgenden Anleihe infrage zu stellen. Die Senior Unsecured Anleihe von Heidelberg Materials mit einem Investment Grade Rating von BBB/Baa2/BBB hat einen Kupon von 3,75 Prozent und handelt bei einer aktuellen Einstandsrendite von circa 3,55 Prozent auf die Fälligkeit 31. Mai 2032 (Stand: Anfang Januar 2024).

Banken: attraktiv im Senior- und Nachrangbereich

Interessante Chancen zeigen sich auch immer noch im besseren Nachrangbereich (Tier 2-Anleihen) von Banken. Ein Beispiel hierfür ist eine Anleihe der Landesbank Hessen. Die Baa2/A- Tier 2-Anleihe handelt mit einem Kupon von 4,5 Prozent unter pari und generiert eine Einstandsrendite von aktuell 5,94 Prozent gerechnet auf den nächsten Call-Termin am 15. Juni 2027.

Sollte die Anleihe zwischen dem 15. Juni 2027 bis 15. September 2027 nicht durch die Emittentin gekündigt werden, verändert sich der Kupon am 15. September 2027 von 4,5 Prozent auf den Fünfjahres-Euro-Swapsatz zuzüglich 275 Basispunkte (das wären aktuell 2,47 Prozent + 2,75 Prozent = 5,22 Prozent).

Das macht aus heutiger Sicht eine Kündigung sehr wahrscheinlich, zumal die Anrechenbarkeit zum haftenden Eigenkapital der Bank mit Abnahme der Restlaufzeit abnimmt. Sollte nicht gekündigt werden, liegt die Einstandsrendite auf die dann längere Fälligkeit zum 15. September 2032 bei immer noch sehr attraktiven 5,52 Prozent.

 

Auch im Senior-Segment von Banken bestehen sehr gute Opportunitäten. Ein Beispiel hierfür sind Anleihen der in Hamburg ansässigen Hamburg Commercial Bank. Die Senior-Preferred-Anleihe, also beste Bonität auf der Refinanzierungskurve, handelt mit einem Kupon von 4,875 Prozent knapp über pari und hat auf die Fälligkeit zum 17. März 2025 eine aktuelle Einstandsrendite von 4,44 Prozent. Das entsprechende Moody’s-Rating liegt bei A3, also auf sehr hoher Stufe. Auch relativ handelt die Anleihe mit einem Spread von +119 Basispunkten gegen die Referenz-Swapkurve sehr attraktiv.

Zusammengefasst ist das Investment-Grade-Segment nur vermeintlich langweilig. Denn mit dem richtigen aktiven Ansatz sind dort in der jetzigen Marktphase positive Einstandsrenditen und die längerfristige Sicherung eines attraktiven Kuponniveaus möglich, um sich frühzeitig gegen tendenzielle sinkende Zinsen zu positionieren.

Dabei tendiert das Default-Risiko, auch im besseren Nachrangbereich, sehr niedrig, was zusätzliche Sicherheit verschafft. In der Summe sollte das aktive Management eines jeden Zins- und Kreditrisiken tragenden Portfolios in professionelle Hände gelegt werden, weil die „Too big to fail“-Zeiten und damit die unausweichlichen Hilfen für Unternehmen durch die Staaten der Vergangenheit angehören. Ein durchgängiges Management der Zins- und Kreditrisken über den gesamten Investitionszyklus ist unabdingbar, das haben prominente Beispiele immer wieder deutlich gezeigt.


Über den Autor:

Jens Franck leitet beim Hamburger Asset Manager Nordix das Portfoliomanagement. Er war zuvor mehr als 25 Jahre in verschiedenen Funktionen im Rentenhandel und Rentensales sowie im Fondsmanagement tätig.

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