Portfolioaufbau Julien Dauchez von Natixis: „Darum ist 60/20/20 das neue 60/40“

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Julien Dauchez von Natixis: „Darum ist 60/20/20 das neue 60/40“
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Julien Dauchez von Natixis

Julien Dauchez von Natixis: „Seit 1871 ging es für US-Aktien und US-Anleihen nur fünf Mal im Gleichschritt nach unten. Zwar hatten die meisten Marktteilnehmer schon damit gerechnet, dass angesichts steigender Inflation auch die Zinsen steigen würden. Was sie allerdings unterschätzt hatten, war der Dominoeffekt auf die Aktienmärkte.“ Foto: Natixis

Das vergangene Jahr war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Der gleichzeitige Wertverlust von Aktien und Anleihen war da nur ein Phänomen unter vielen. Allerdings: Er kam für die meisten Martktteilnehmer so überraschend wie die viel zitierte „Zeitenwende“. Denn von „FOMO“ (Fear of missing out) und „TINA“ (There is no alternative“) getrieben, gingen viele der rund 1.700 Portfolios von Vermögensverwaltern und Privatbanken, die wir seit vielen Jahren analysieren, stark aktien- und rentenlastig in das Jahr 2022. Andere Assetklassen waren unterrepräsentiert. Überhaupt nimmt schon seit einigen Jahren die Diversifikation in den repräsentativen Portfolios ab. Waren die Vermögen 2018 noch in 12 bis 14 verschiedenen Strategie allokiert, waren es 2022 nur noch acht (sieh Grafik). Das Schlimme daran: Es fehlten auch gerade die Strategien, die den größten Diversifikationseffekt gehabt hätten: Rohstoffe und Hedgefonds.

 

Ausgewogenes Portfolio
Quelle: Natixis, IM, MPI, Dezember 2022 - Auf der Grundlage der Analyse eines typischen europäischen WS-Portfolios seit 2010.

Was man den Vermögensverwaltern zugutehalten muss: dass Anleihen überhaupt keinen Diversifikationseffekt gegenüber Aktien haben, ist absolut selten der Fall. Der folgende Chart zeigt, dass seit 1871 US-Aktien und US-Anleihen nur fünf Mal im Gleichschritt nach unten gingen. Zwar hatten die meisten Marktteilnehmer schon damit gerechnet, dass angesichts steigender Inflation auch die Zinsen steigen würden. Was sie allerdings unterschätzt hatten, war der Dominoeffekt auf die Aktienmärkte. So kam die Re-Korrelation zwischen Aktien und Renten wie ein Schock und brachte gerade in den klassischen 60/40-Portfolios die schlechteste Performance seit 1937. Das führte dazu, dass in 2022 mehr Wert vernichtet wurde als während der Finanzkrise.

 

Quelle: Natixis

 

So brach verständlicherweise auch die Debatte über den Sinn und Unsinn von Diversifikation an sich aus: Wenn Anleihen und Aktien sich parallel entwickeln – was nützt dann eine Aufteilung? Was wir tatsächlich sehen, dass schon seit einigen Jahren weniger Risiko aus den Portfolien „wegdiversifiziert“ wird. Während zu Beginn des Jahres 2019 der Nutzen von Diversifikation – also der Anteil an Risiko im Portfolio, der durch sie reduziert wird – auf 3-Jahres Basis noch bei 40 Prozent lag, sank er bis Jahresende 2022 auf 20 Prozent. Das liegt aber nicht nur an der Re-Korrelation zwischen Aktien und Anleihen, sondern auch, wie eben beschrieben, an der Konzentration auf weniger Assetklassen.

 

  • Diversifizierungsvorteil
  • Quelle: Natixis IM, MPI, Dezember 2022. Basierend auf dem beobachteten 3-Jahres-Diversifikationsvorteil eines durchschnittlichen "Balanced Risk"-Großhandelsportfolios, das zwischen Dezember 2018 und Dezember 2022 zur Analyse eingereicht wurde.

Inflation und die Re-Korrelation von Aktien und Renten hängen zusammen

Gegen die schnelle und absolute Abkehr vom Gedanken der Diversifikation hilft– wie so oft – der Blick auf längere Zeiträume und die Relativierung des Ausnahmejahres 2022. Die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen schwankte in den letzten 30 Jahren auf rollierender 1-Jahres-Basis zwar erheblich. Aber schon auf 3-Jahres-Basis war sie entweder positiv oder negativ und im langfristigen Durchschnitt bei nahezu Null.

 

  • “Korrelation und Inflation“ Quelle: Natixis IM, HIS Markit S&P Global – Dezember 2022

Ebenfalls beobachten wir einen Zusammenhang zwischen Inflation und Korrelation (siehe Chart oben). Das lässt erwarten, dass mit dem Rückgang der Inflation auch die in 2022 so schlagend gewordene Re-Korrelation der Assetklassen wieder zurückgeht. Wenn sich – wie in der Vergangenheit – die Wechselwirkung zwischen Aktien und Anleihen wieder vom positiven in den negativen Bereich verschiebt, werden sich auch wieder größere Diversifizierungsmöglichkeiten bieten.