Alternativlose Übernahme? Turbo-Fusion von UBS und Credit Suisse – Diese Fragen bleiben offen

Alexander Gebhard ist Partner im Banking & Finance Team von Schalast. Er berät Banken und Finanzdienstleister sowie Investoren in allen Bereichen des Bank-, Finanzmarkt- und Investmentaufsichtsrechts.

Alexander Gebhard ist Partner im Banking & Finance Team von Schalast. Er berät Banken und Finanzdienstleister sowie Investoren in allen Bereichen des Bank-, Finanzmarkt- und Investmentaufsichtsrechts. Foto: Schalast

Die UBS übernimmt die Credit Suisse. Zu groß war die Schieflage der ehemaligen Konkurrentin. Wirtschaft wie Politik reagierten überwiegend erleichtert – eine größere, womöglich systemische Krise konnte so vorerst abgewendet werden.

Doch ob der Deal ein nachhaltiger Segen für alle Beteiligten ist, muss sich noch zeigen. Der Eingriff in das rechtliche Gefüge, den die Schweizer Regierung und die eidgenössische Aufsichtsbehörde (Finma) praktisch über Nacht vorgenommen haben, ist beachtlich und lässt viele Fragen unbeantwortet.

Ausschluss der Fusionskontrolle und wesentlicher Aktionärsrechte

Durch den Zusammenschluss der beiden Geldhäuser entsteht ein neues Super-Institut mit enormer Marktmacht. 1,7 Billionen US-Dollar Bilanzsumme, 3,4 Billionen Dollar Assets under Management und ein Anteil von 25 Prozent am heimischen Hypothekenmarkt – normalerweise ein klassischer Fall für die Fusionskontrolle durch die Wettbewerbskommission.

Im Rahmen der Fusion von Banken kann sich die Finma auf Grundlage des Kartellgesetzes jedoch – wie geschehen – auch selbst an Stelle der Wettbewerbskommission setzen, sofern die Gläubiger der Banken gefährdet wären.

Parallel wurden in einer Notverordnung wesentliche Vorgaben aus dem Fusionsgesetz außer Kraft gesetzt. Grundlage hierfür ist die Bundesverfassung, die es dem Bundesrat erlaubt, in Ausnahmesituationen auf Notrecht zurückgreifen, um einer unmittelbar drohenden schweren Störung der öffentlichen Ordnung zu begegnen.

Zweifel an berechtigter Anwendung der Notverordnung

Ausgeschlossen wurde insoweit die Anwendung der Artikel 11 (Erstellung eines Zwischenabschlusses), 14 (Veröffentlichung eines Fusionsberichts), 15 (Prüfung des Fusionsvertrags/Fusionsberichts) und 16 (Einsichtsrecht der Aktionäre) des Fusionsgesetzes, soweit die Fusionsvorgänge mit Genehmigung der Finma abgeschlossen werden. Zudem wurde geregelt, dass es zur Durchführung der Transaktion keines Beschlusses der Generalversammlungen der beteiligten Gesellschaften bedarf, sofern die Transaktion in Abstimmung mit der Finma erfolgt.

Darüber hinaus kann in Abstimmung mit der Finma auf weitere transaktionsbedingte Anforderungen des Fusionsgesetzes verzichtet werden, sofern die besonderen Umstände dies erfordern. Ob die innere und äußere Sicherheit des Landes tatsächlich derart gefährdet war, beziehungsweise derart schwere Störungen der öffentlichen Ordnung drohten, darf zumindest angezweifelt werden.

Die Notverordnung selbst schweigt sich zu dieser entscheidenden Frage ebenso aus, wie zur Frage, welche besonderen Umstände die weiteren möglichen Eingriffe der Finma rechtfertigen. Der erläuternde Bericht des Bundesrates weist lediglich abstrakt darauf hin, dass besondere Umstände insbesondere im Fall einer zeitlichen Dringlichkeit und der Notwendigkeit einer raschen Übernahme zur Abwendung einer erheblichen Schädigung der Schweizer Volkswirtschaft und des schweizerischen Finanzsystems vorliegen.

Wurden Alternativen ignoriert?

Karin Keller-Sutter, die Finanzministerin der Schweiz, erklärte diesbezüglich, ein Ausfall der Credit Suisse „hätte gravierende volkswirtschaftliche Verwerfungen in der Schweiz und in anderen Ländern zur Folge gehabt und hätte mit ziemlicher Sicherheit eine Finanzkrise ausgelöst“. Als Rechtfertigung für einen Eingriff in dieser Dimension ist all dies natürlich denkbar dünn.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass durchaus Alternativen zur Wahl standen: Zum einen wäre eine (vorübergehende) Verstaatlichung denkbar gewesen, zum anderen hätte die Finma einen den Resolution-Plan in Gang setzen, sprich eine Sanierung oder Abwicklung der Credit Suisse einleiten können.

 

 

Dadurch wäre wirtschaftlich betrachtet zwar vermutlich mehr Porzellan zerschlagen worden und hätte daher aus Sicht der beteiligten Institute, beziehungsweise des Schweizer Staates, nicht das präferierte Ergebnis dargestellt, es darf mit Blick auf die hohen Anforderungen an den Erlass einer Notverordnung allerdings nicht allein genügen, dass eine Alternative wirtschaftlich vorteilhafter ist, als eine andere – immerhin kommt der Eingriff einer faktischen Enteignung der Aktionäre der Credit Suisse gleich. Die Anforderungen sind also denkbar hoch anzusetzen.

Entscheidend dürfte vielmehr sein, dass die Maßnahmen der Notverordnung mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit tatsächlich „alternativlos“ gewesen sein mussten. Die Tatsache, dass eine geordnete Abwicklung der Credit Suisse als Alternative zum Notrecht verworfen wurde, lässt letztlich nur den Schluss zu, dass die Credit Suisse auf Grundlage der bestehenden Abwicklungsplanung schlicht nicht abwicklungsfähig war.

CS-Aktionäre könnten Ausgleichszahlung einklagen

Neben dem, was die Verordnung regelt, ist auch interessant, was sie nicht regelt. Nicht vom  Anwendungsausschluss erfasst ist nämlich insbesondere Artikel 105 des Fusionsgesetzes. Auf Grundlage dieser Vorschrift können Aktionäre innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung des Fusionsbeschlusses gerichtlich eine angemessene Ausgleichszahlung festsetzen lassen, sofern bei der Fusion die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht angemessen gewahrt wurden oder die Abfindung nicht angemessen ist. Ein entsprechendes Urteil hätte entsprechende Wirkung für alle Aktionäre, die sich in einer ähnlichen Lage befinden wie der klagende Aktionär, unabhängig davon, ob sie sich am Rechtsstreit beteiligt haben.

Warum ausgerechnet diese Regelung nicht von der Notverordnung erfasst wurde, ist unklar. Ein Versehen? Eher nicht. Wahrscheinlicher ist, dass dieses zentrale Recht nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden konnte. Am Ende könnte dies auch der Grund dafür gewesen sein, vorrangig die Gläubiger der AT1-Anleihen leer ausgehen zu lassen. Denn das Klagerecht steht nur den Aktionären zu, nicht aber den Anleihegläubigern. Die Abfindung in Höhe von rund 0,76 Schweizer Franken je Aktie könnte also noch einmal auf dem Prüfstand landen. Auswirkung auf die Wirksamkeit der Transaktion würde dies indes nicht haben.

Rechte ausländischer Investoren

Mit Blick auf mögliche Ansprüche von Investoren ist zudem zu beachten, dass die Schweiz eine Vielzahl von bilateralen Investitionsförderungs- und -schutzabkommen (ISA) mit anderen Ländern unterzeichnet hat. Diese schützen insbesondere ausländische Investoren vor staatlicher Diskriminierung zugunsten einheimischer Investoren, oder unrechtmäßigen Enteignungen.

Dies umfasst auch die Verpflichtung, Investitionen von Investoren im jeweils anderen Vertragsstaat "fair und gerecht" zu behandeln und staatliche Zusagen gegenüber bestimmten Investoren in Bezug auf entsprechende Investitionen einzuhalten. Bei Enteignungen oder Maßnahmen mit vergleichbarer Wirkung (ausdrücklich genannt wird der Zwangsverkauf von Vermögenswerten) wird eine Entschädigung in Höhe eines „angemessenen Marktwertes“ zugesichert. Nicht unwahrscheinlich, dass auch diese Vereinbarungen von Aktionären und Anleihegläubigern in den Blick genommen werden, um möglicherweise Ansprüche gegen die Schweiz geltend machen zu können.

Herabschreibung der Wandelanleihen

Schlimmer noch als die Aktionäre traf es die Gläubiger der AT1-Wandelanleihen. Diese wurden noch vor dem Aktienkapital vollständig herabgeschrieben – obwohl nach Schweizer Recht grundsätzlich zulässig, ein präzedenzloser Vorgang.

Ob hieraus Ansprüche der Anleihegläubigern gegen die Credit Suisse abgeleitet werden können, wird ebenfalls mit Spannung zu verfolgen sein. Die Anleihebedingungen enthalten insoweit zwar einen allgemeinen Hinweis, dass von der grundsätzlich vorgesehenen Haftungskaskade auch abgewichen werden kann. Möglicherweise hätte auf dieses Risiko unter prospektrechtlichen Gesichtspunkten jedoch stärker hingewiesen werden müssen.

 

 

Interessanterweise hat die Credit Suisse noch am 14. März eine Investorenpräsentation veröffentlicht, in der eine vorrangige Herabschreibung der AT1 Instrumente zwar nicht explizit ausgeschlossen wird, jedoch die übliche Haftungskaskade mit einer vorrangigen Haftung des CET1 Kapitals dargestellt wird.

Politischer Hintergrund und Ausblick

Welche Lehren können gezogen werden? Höhere Eigenkapital- und Liquiditätsquoten, nach denen reflexartig gerufen wird, können Institute insgesamt resilienter machen. Ein Allheilmittel, um Situationen wie bei der Credit Suisse zu verhindern, sind sie aber sicherlich nicht.

Gleiches gilt für eine Stärkung der Einlagensicherungssysteme. Den immensen Kapitalabfluss durch Großanleger in Stresssituationen wird auch dies nicht verhindern können. Alternativlos dürfte stattdessen die konsequente Herstellung und Überwachung der Abwicklungsfähigkeit der Banken sein.

 

Über den Autor:
Alexander Gebhard ist Partner im Banking & Finance Team von Schalast. Er berät Banken und Finanzdienstleister, Payment-Unternehmen, Finanztechnologieunternehmen, Versicherungen, sowie Investoren in allen Bereichen des Bank-, Finanzmarkt- und Investmentaufsichtsrechts. Zu seinen Mandanten zählen Banken, Finanzdienstleister, Fonds-Gesellschaften, Finanztechnologieunternehmen und Versicherungen. Gebhard ist seit 2012 bei Schalast. Zuvor war er als Rechtsanwalt bei mehreren internationalen Wirtschaftskanzleien im Bereich Banking, Finance and Capital Markets tätig. Zudem ist er als Dozent für Zivil- und Bankrecht an der Frankfurt School of Finance & Management tätig.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen