Entschlossener Zinsschritt Riskiert die EZB trotz Credit Suisse und SVB eine Bankenkrise in Europa?

EZB-Präsidentin Christine Lagarde

Drohen böse Überraschungen? Christine Lagarde und der Rat der Europäischen Zentralbank haben den Leitzins trotz der Turbulenzen des Bankensektors deutlich angehoben. Foto: Imago / Panama Pictures

In den USA mussten vergangene Woche gleich drei Banken Insolvenz anmelden: die Silicon Valley Bank, die Silvergate Bank und die Signature Bank. Auch die First Republic Bank wackelte, doch elf US-Großbanken schlossen sich zusammen, um das Institut zu retten und stellten unversicherte Einlagen im Volumen von insgesamt umgerechnet 28 Milliarden Euro zur Verfügung.

In Europa ist indes die Credit Suisse seit Monaten mit Fehlern, Skandalen und wirtschaftlichen Problemen in den Negativschlagzeilen, die zu zahlreichen Abflüssen führten. So werden ihr beispielsweise schlechtes Risikomanagement im Fall der Greensill-Insolvenz oder Verbindungen zu Diktatoren und kriminellen Kunden vorgeworfen.

Vor dem Hintergrund der kriselnden Bankenbranche scheint der Zinsschritt der Europäischen Zentralbank besonders entschlossen. Doch auch wenn steigende Zinsen den Bankensektor insgesamt belasten, sind die Probleme der Credit Suisse kaum vergleichbar mit den Schwierigkeiten der US-Banken.

Warum die SVB geschlossen wurde

Die Kombination aus mangelndem Risikomanagement bei der Fristentransformation und ein ungewöhnlich homogener Kundenstamm haben vergangene Woche zur Pleite der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) geführt. Das Institut hatte, nachdem die Einlagen deutlich schneller als die Kreditnachfrage gestiegen war, einen Großteil der Kundengelder in langlaufende festverzinsliche Staatsanleihen und hypothekengesicherte Wertpapiere (MBS) investiert.

Die Zinserhöhungen drückten die Renditen der Papiere. Um Kundengelder auszahlen zu können, musste die SVB diese vor Fälligkeit, und damit unter Nennwert, liquidieren, nachdem eine Kapitalerhöhung gescheitert war. Es kam zur Panik und die US-Behörden schlossen die SVB. Der britische Zweig wurde zum symbolischen Wert von einem britischen Pfund von der HSBC gekauft. Die Finanzaufsicht Bafin schloss die deutsche SVB.

US-Behörden reagierten noch am Sonntag

Noch über das Wochenende reagierten die US Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und die Federal Reserve und gaben bekannt, dass alle Einleger auf ihr Geld zugreifen können. Um das Bankensystem vor Ansteckungen zu schützen legte die Fed zudem eine Notfallkreditfazilität an.

Über das Bank Term Funding Program (BTFP) können Banken einjährige Kredite aufnehmen, die durch Vermögenswerte gesichert werden, die zum Nennwert, statt wie sonst üblich zum Marktwert, bewertet werden. So soll verhindert werden, dass weitere Institute Buchverluste realisieren müssen.

Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr für den europäischen Bankensektor?

Die Ansteckungsgefahr scheint trotz der Pleite einer weiteren Bank, der Signature Bank, begrenzt. Davon geht zumindest die DWS aus: „Vergleiche mit der großen Finanzkrise 2008 scheinen aus heutiger Sicht jedenfalls nicht angebracht.“  Die Gruppe der gefährdeten Unternehmen sei verglichen mit Größe des US-Immobilienmarktes zu klein. Und weiter: „Die Banken befinden sich in Bezug auf ihre Finanzierungsposition in einer wesentlich solideren Lage als vor der Finanzkrise.“ 

Dennoch verloren auch an den europäischen Börsen etliche Banktitel deutlich an Wert. So sorgte zuletzt am Mittwoch die Nachricht des saudischen Großinvestors der Credit Suisse für Panik an den Aktienmärkten. Die Saudi National Bank gab bekannt, dass sie der Credit Suisse kein weiteres Geld zur Verfügung stellen könne, da das Aufsichtsrecht ihren Anteil an der Bank auf 10 Prozent beschränke.

Panik breitete sich nur vorübergehend aus

Der darauf folgende Kurssturz weitete sich unter anderem auf die Commerzbank und die Deutsche Bank aus. Der europäische Bankenindex verlor im Tagesverlauf mehr als 6 Prozent. Schon am Donnerstag beruhigte sich die Lage, als die Credit Suisse verkündete, sich umgerechnet 51 Milliarden Euro von der Schweizer Nationalbank leihen zu wollen.

Trotz der vorübergehenden Verluste der Bankaktien schätzen Marktteilnehmer das Risiko für europäische Institute als gering ein. So sagt etwa Mark Haefele, Chief Investment Officer des Global Wealth Managements der UBS: „Wie in den USA halten auch europäische Banken infolge der gestiegenen Anleihenrenditen Wertpapierportfolios mit unrealisierten Verlusten. Ihre Exponierung gegenüber  Marktwertverlusten scheint jedoch geringer zu sein.“  Ein Grund dafür sei, dass die europäische Regulatorik regelmäßige Marktwertberichtigungen vorschreibe.

Was bedeutet das für die Notenbankpolitik?

Und auch die EZB scheint die Gefahr für den europäischen Bankensektor als gering einzuschätzen und  hob den Leitzins, wie angekündigt, um 50 Basispunkte an. in einer Pressemitteilung begründete der EZB-Rat sein Vorgehen: „Den Projektionen zufolge bleibt die Inflation für eine zu lange Zeit zu hoch. Der EZB-Rat hat daher heute beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 50 Basispunkte anzuheben. Dies steht im Einklang mit seiner Entschlossenheit, eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige 2-Prozent-Ziel sicherzustellen.“

Der EZB-Rat beobachte die aktuellen Marktspannungen genau und „ist bereit, so zu reagieren, wie erforderlich, um Preis- und Finanzstabilität im Euroraum zu wahren.“ Der Bankensektor des Euroraums sei widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen solide. „In jedem Fall verfügt die EZB über alle geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euroraums erforderlichenfalls mit Liquiditätshilfen zu unterstützen und die reibungslose Transmission der Geldpolitik aufrechtzuerhalten“, so die Mitteilung der EZB.

Seite zwei: Reaktionen der Branche: Von „Das war sehr mutig, aber auch sehr richtig.“ bis zu „Die Zukunft scheint entweder eine Bankenkrise oder einen großen Schock für die EZB-Zinsen bereitzuhalten.“