Überfälliges Umdenken Vermögensverwalter entpuppen sich als Gewinner der Corona-Pandemie

Anja Schlick, Leiterin Relationship Management Financial Assets bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers

Anja Schlick, Leiterin Relationship Management Financial Assets bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers: In ihrer täglichen Arbeit hat sie viel mit Vermögensverwaltern zu tun. Deren Erfolgsaussichten schätzt Schlick gerade wegen Corona als hervorragend ein. Foto: Hauck & Aufhäuser

Der Corona-Crash im März dieses Jahres war auch für gestandene und krisenerfahrene Vermögensverwalter alles andere als alltäglich. Anders als nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000, während der Turbulenzen in Folge des 11. Septembers 2001 und im Zuge der Finanzkrise hatten sie es im Frühjahr nicht nur mit einem rasanten Verfall der Börsenkurse zu tun. Vielmehr ergaben sich plötzlich Begleiterscheinungen im Tagesgeschäft, mit denen die Vermögensverwalter in dieser Form kaum gerechnet haben dürften. Der Lockdown zur Bekämpfung des Virus erwies sich mit den einhergehenden Kontaktverboten als veritabler Stresstest.

Nun ist die Betreuung von Bestandskunden per Telefon oder E-Mail sowie das Portfoliomanagement aus dem Home Office für die meisten Vermögensverwalter kein komplettes Neuland. Vielfach ließ sich der Betrieb aufgrund der schlanken Organisationsstrukturen zudem mit einigen Einschränkungen auch in den Geschäftsräumen aufrechterhalten.

Zu beobachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass das Thema Digitalisierung deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Das gilt vor allem für die Kommunikation mit Kunden, innerhalb von Teams und bei der Vernetzung mit anderen Vermögensverwaltern. Es gilt aber auch für den Ausbau belastbarer IT-Systeme, die ortsunabhängiges Arbeiten ermöglichen sowie die Nutzung elektronischer Orderwege und das Online-Banking.

Insbesondere den Trend zu digitalen Akquise-Aktivitäten hat die Corona-Krise maßgeblich beschleunigt. Schließlich hat das weitreichende Kontaktverbot fast alle herkömmlichen Vertriebskanäle versperrt: Messen und Kongresse sind ausgefallen, Roadshows und Roundtables mussten abgesagt werden. Neben einem kaum kalkulierbaren Marktumfeld mit erheblichen Schwankungen und Unsicherheiten lag hierin das wohl größte Problem für viele unabhängige Vermögensverwalter.

Über digitale Kommunikationswege haben unabhängige Vermögensverwalter nicht nur den Kontakt zu Bestandskunden gehalten und vertieft, sondern auch zielgerichtet potenzielle Neukunden angesprochen. Gemeinsam mit Service-Partnern initiierte Online-Veranstaltungen wie digitale Roadshows, Kundenveranstaltungen und Webinare konnten den persönlichen Kontakt wenigstens teilweise ersetzen. Service-Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) und Verwahrstellen haben unabhängige Vermögensverwalter hier durch ihr Know-how maßgeblich unterstützt und entsprechende Veranstaltungsrahmen bereitgestellt. Auch mehr Präsenz in den Sozialen Medien erwies und erweist sich weiterhin als wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Vertriebsaktivitäten.

Unabhängige Vermögensverwalter zählen nicht unbedingt zu den Vorreitern des digitalen Wandels, genau wie die gesamte Finanzdienstleistungsbranche. Doch gerade dieser Umstand zwang die Anbieter zum Handeln, eine in den vergangenen sechs Monaten äußert erfreuliche Entwicklung. Eine weit verbreitete Skepsis gegenüber dem digitalen Wandel hat sich dank der Krise in eine größere Offenheit für digitalisierte Prozesse gewandelt und teilweise überfällige Entwicklungen deutlich beschleunigt.

Festzuhalten bleibt dabei, dass die Branche insgesamt ausreichend vorbereitet war, um sich auf die Veränderungen einzulassen. Das zeigen nicht zuletzt die guten Absatzzahlen des ersten Halbjahrs, die deutlich besser ausfallen als diejenigen für den gesamten Fondsmarkt in Deutschland. Als besonders gefragt erwiesen sich neben Mischfonds, die gut durch die Krise gekommen sind und damit ihren vermögensverwaltenden Charakter untermauert haben, Fonds mit thematischen Schwerpunkten auf Digitalisierung sowie Medizintechnik und -forschung. Nennenswerte Nettozuflüsse sprechen dabei nicht nur für ein erfolgreiches Krisenmanagement in Bezug auf die Portfolio-Aufstellung und die Kundenbetreuung, sondern auch für Flexibilität in Sachen Marketing und Vertrieb.

Der Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Unternehmen erfolgreich auf digitale Verfahren umgestellt haben – und zwar in sämtlichen Disziplinen: Akquise, Kundenbetreuung und -verwaltung oder das erfüllen regulatorischer Vorgaben.

Aber auch die auf unabhängige Vermögensverwalter spezialisierten Asset-Servicing-Gesellschaften, namentlich Service-KVGen und Verwahrstellen, haben geholfen. Sie übernehmen nicht nur Verwaltung und Verwahrung, sondern unterstützen Vermögensverwalter weit umfassender. Bereits seit einigen Jahren zählen Digitalisierungsstrategien hier zu den Schwerpunkten.

Künftig wird es darauf ankommen, die richtigen Lehren aus der Corona-Zeit zu ziehen. Mit Blick auf das Portfoliomanagement lässt sich festhalten, dass es kaum zu nachhaltigen Veränderungen kommen wird. An den Kapitalmärkten unterscheidet sich die Corona-Krise nicht fundamental von anderen Krisen, die viele Vermögensverwalter erfolgreich gemeistert haben. Allerdings wird sie voraussichtlich dafür sorgen, dass das anspruchsvolle Marktumfeld mit Nullzinsen für längere Zeit bestehen bleibt.

Im Vertrieb und bei der Kundenbetreuung wäre aber mit Sicherheit verfehlt, zum Status quo ante zurückzukehren, sobald Corona vollends überwunden ist. Unabhängige Vermögensverwalter sollten die Chancen, die digitale Vertriebswege bieten, noch stärker in den Blick nehmen und prüfen, ob sie ihre Möglichkeiten bereits vollends ausschöpfen. Hier gilt es, den Corona-Impuls zu nutzen.

Allerdings wäre es wohl ebenso vermessen, künftig ausschließlich auf die neu etablierten digitalen Werkzeuge zu setzen. Dafür erweist sich der persönliche Austausch in Sachen Kundenkontakt und Netzwerkpflege weiter als zu wichtig und gefragt.

Vielmehr sollten Vermögensverwalter in Abhängigkeit der konkreten Bedürfnisse ihrer Kunden daher auch künftig auf ihre klassischen Stärken vertrauen, zu denen die persönliche Betreuung seit jeher zählt. Einen möglichen Weg in die Zukunft weisen derzeit Hybridveranstaltungen, die gleichzeitig ein Publikum vor Ort und dezentral über entsprechende Web-Anwendungen ansprechen.



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Anja Schlick ist Leiterin Relationship Management Financial Assets bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers.

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