Rentnergesellschaft „Nach zehn Jahren erlischt für die Firmen die Verantwortung – vollumfänglich“

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„Nach zehn Jahren erlischt für die Firmen die Verantwortung – vollumfänglich“
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Thomas Bloch von der Deutschen Betriebsrenten Holding (li.) und Michael Seedorf von Allianz Global Investors

Thomas Bloch von der Deutschen Betriebsrenten Holding (li.) und Michael Seedorf von Allianz Global Investors: „Eine Rentnergesellschaft unterliegt nicht der Versicherungsaufsicht und genießt daher hinsichtlich des Managements der übertragenen Vermögenswerte mehr Freiheitsgrade“. Foto: DBR Holding / AGI

Die Pensionszusagen deutscher Unternehmen haben verschiedene Gesichter. Einerseits gelten sie im „global war for talents“ – im Kampf um gut ausgebildete Arbeitskräfte – als wichtiges Instrument zur Mitarbeitergewinnung und -bindung. Andererseits lasten Altzusagen wie Blei auf den Bilanzen – gerade wegen des jahrzehntelangen Zinsrückgangs und vor allem der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre.

Wiederkehrend entpuppen sich die Pensionsverpflichtungen als Deal Breaker bei M&A-Transaktionen: Auch wenn Firmen potenziell an einer Unternehmensübernahme oder -fusion interessiert sind, schrecken sie vor der damit zusammenhängenden Übernahme der Pensionsverpflichtungen zurück. Letztlich blasen sie die Transaktion ab. 

Klar ist: Zinsänderungen bringen für die mit den Pensionszusagen verbundenen Verbindlichkeiten bilanzielle Risiken und Volatilität mit. Deswegen haben schon vor mehr als 20 Jahren erste Unternehmen angefangen, sich anders aufzustellen – Fach- und Stichwort „De-Risking“. Leistungsorientierte Pläne wurden geschlossen, bei neuen Plänen auf Beitragszusagen umgestellt. Vielfach wurden Planvermögen aufgebaut sowie Pensionsverpflichtungen ausgelagert. Zudem wurde die Kapitalanlage – speziell im Kontext der IFRS-Rechnungslegung – immer häufiger so strukturiert, dass Aktiv- und Passivseite der Unternehmensbilanz bei Zinsänderungen gleichgerichtet atmen. Diese schlagen somit weniger stark auf den bilanziellen Gewinn durch.

Gradwanderung Deckunsgrad

Viele Unternehmen haben ihre Pensionsverpflichtungen trotzdem nicht vollständig  kapitalunterlegt – bei den 40 Dax-Unternehmen etwa lag der Ausfinanzierungsgrad im Jahr 2022 gemäß gleichlautender Studien von Willis Towers Watson, Mercer und Aon bei 80 Prozent. In der Vergangenheit mussten Unternehmen daher mitunter auch in guten Kapitalanlagejahren nachschießen, um den gewünschten Deckungsgrad ihrer Pensionsverpflichtungen aufrechtzuerhalten.

 

Wichtig darüber hinaus: Egal welche Art der Zusage und welcher Durchführungsweg – bei allen genannten Maßnahmen bleibt das Unternehmen letztlich für die Bedienung der Pensionszusagen verantwortlich. Bilanziell, rechtlich und wirtschaftlich. Das heißt: Der Ex-Arbeitgeber bleibt zeitlich unbegrenzt und subsidiär einstandspflichtig für den Fall, dass die Pensionsvermögen nicht ausreichen, um alle Zusagen zu bedienen.

Gestaltungsspielraum

Doch nun kommt Bewegung in die Sache. In Deutschland etabliert sich mehr und mehr das Konzept eines „Pension Buyout“, das im angelsächsischen Raum durchaus schon verbreitet ist. Hierbei handelt es sich um eine wirtschaftlich und rechtlich vollständig befreiende Auslagerung von Pensionsverpflichtungen auf eine externe Gesellschaft – die sogenannte Rentnergesellschaft.

Der große Unterschied zu den zuvor genannten Maßnahmen: Spätestens nach einer maximal zehnjährigen Periode der Nachhaftung für ausstehende Rentenzahlungen erlischt für das Unternehmen die Verantwortung – vollumfänglich und endgültig. Die auf die Rentnergesellschaft transferierten Pensionsverpflichtungen verschwinden aus der Bilanz. Dadurch können Unternehmen Gestaltungsspielraum zurückgewinnen, ohne dass dieser zulasten der übertragenen Verbindlichkeiten und der Pensionäre ginge.

Klare rechtliche Grundlage

Wie funktioniert nun das Konzept einer derartigen Rentnergesellschaft? In der Regel erfolgt die Übertragung von Pensionsverpflichtungen auf eine externe Rentnergesellschaft in zwei Schritten: Zunächst findet im Unternehmen selbst eine Spaltung statt: Sowohl die Pensionsverpflichtungen als auch die zur Ausfinanzierung erforderlichen Vermögenswerte werden auf eine separate, neu gegründete Gesellschaft – die sogenannte Rentnergesellschaft – transferiert. Der einzige Zweck dieser neuen Gesellschaft liegt darin, die zugrundeliegenden Rentenansprüche auf Dauer zu verwalten und zu bedienen.

 

Danach werden in einem zweiten Schritt sämtliche Anteile der neu gegründeten Rentnergesellschaft an einen externen Risikoträger – wie beispielsweise die Deutsche Betriebsrenten Holding – veräußert. Damit gehen die genannten Aufgaben voll auf den neuen Risikoträger über. Im Falle der Deutsche Betriebsrenten Holding ermittelt Allianz Global Investors als Partners des Unternehmens den notwendigen Finanzierungsbedarfs und berechnet Langlebigkeits- und Kapitalmarktannahmen und unterstützt zudem auch bei der Kapitalanlage. Entsprechende Governance-Strukturen für Rentnergesellschaften sind in Deutschland bisher nicht verbreitet.

Zur Transaktionsstruktur und der Ausstattung von Rentnergesellschaften hat das Bundesarbeitsgericht (Bag) bereits 2008 klare und wesentliche rechtliche Grundlagen geschaffen. So wurde etwa bestätigt, dass die Entscheidung zur Gründung und Ausgliederung allein im Ermessen der Geschäftsführung des abgebenden Unternehmens liegt. Es braucht hierzu keinerlei Zustimmung seitens Versorgungsberechtigter oder des Betriebsrats, von Aufsichtsbehörden oder des Pensions-Sicherungs-Vereins.

Gleichzeitig hat das Gericht detaillierte rechtliche Vorgaben hinsichtlich der Angemessenheit der Finanzausstattung einer Rentnergesellschaft geschaffen. Die Finanzausstattung muss demnach auf Basis einer realistischen kaufmännischen Beurteilung genügend leistungsfähig sein. Außerdem gilt für die Bewertung der Rentenansprüche ein gesteigertes Vorsichtsprinzip. Zudem äußerte sich das Bundesarbeitsgericht zum Diskontierungszinssatz, der zur Barwertberechnung der Pensionsverpflichtungen anzusetzen ist: Es legte fest, dass die finanzielle Ausstattung auch dazu ausreichen muss, im Zeitablauf inflationsbedingte Rentenanpassungen vornehmen zu können.

Wesentliche Einflussfaktoren

Für alle an einer Rentnergesellschaft Beteiligten – also das auslagernde Unternehmen, dessen Rentner und der neue Risikoträger – steht und fällt der Erfolg somit mit der korrekten Bewertung des Rentenbestandes und daraus abgeleitet der Ermittlung des angemessenen Kapitalbedarfs. Wesentliche Einflussfaktoren hierbei sind die Lebenserwartung und Langlebigkeit des individuellen Rentnerbestandes, Inflationsszenarien, Aufwendungen für die administrative Verwaltung der Rentnergesellschaft, Risikoaufschläge sowie etwaige Absicherungskosten.

 

Im Vergleich zum Bilanzbuchwert der übertragenen Pensionsverpflichtungen führen diese Faktoren bei der Ermittlung des Finanzbedarfs in der Regel zu Aufschlägen. Dem steht aber gegenüber, dass nach vorne schauend Kapitalanlagerenditen unterstellt werden dürfen, die über den in der Bilanzierung verwendeten Rechnungszinsen liegen. Denn eine Rentnergesellschaft unterliegt nicht der Versicherungsaufsicht und genießt daher hinsichtlich des Managements der übertragenen Vermögenswerte mehr Freiheitsgrade.

Hierdurch werden die Aufschläge wieder teilweise kompensiert. Wie hoch diese letztlich ausfallen, ist höchst unternehmensindividuell. Auf jeden Fall kann aber festgehalten werden, dass die finanzielle Ausstattung einer Rentnergesellschaft signifikant niedriger ist als der Preis für die bisher einzige Alternative zur rechtlich vollständig befreienden Abgabe von Pensionsverpflichtungen: die Versicherungsprämie einer Liquidationsdirektversicherung.

Über die Autoren

Michael Seedorf verantwortet als Leiter Corporate Pensions Germany das institutionelle Pensionsgeschäft von Allianz Global Investors, dem Vermögensverwalter der Allianz, in Deutschland. In dieser Funktion betreut er deutsche Firmenkunden im Bereich Asset Management und Pensionslösungen. Seedorff kam als Leiter Beraterbeziehungen im Jahr 2001 zu AGI.
Davor arbeitete er im Account-Management-Team bei State Street Global Advisors und als Anlageberater im Private Banking der Hypovereinsbank.

Thomas Bloch ist Geschäftsführer der Deutschen Betriebsrenten Holding. Er arbeitet seit über 20 Jahren in der Finanz-industrie mit Fokus auf Corporate Finance, Wealth und Asset Management. Er war Teil der Geschäftsführung beim digitalen Vermögensverwalters Vaamo Finanz und bei dessen späteren Erwerbers Moneyfarm. Zuvor war er mehr als acht Jahre im Investmentbanking bei J.P. Morgan in der Beratung von Finanzinstituten tätig. 

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