Daniel Ung von State Street Global Advisors „Das realisierte Risiko birgt mehr Informationen, als die realisierte Rendite“

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„Das realisierte Risiko birgt mehr Informationen, als die realisierte Rendite“
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Daniel Ung von State Street Global Advisors: „Der Versuch, eine Portfoliodiversifizierung zu erreichen, indem man in eine große Anzahl von Fonds investiert, wird wahrscheinlich kaum mehr als ein teures Markt-Beta-Portfolio ergeben.“ Foto: SSGA

Geht es um die richtige Allokation des eigenen Portfolios sind Anleger hauptsächlich mit drei Herausforderungen konfrontiert. Eine falsche Idee von Diversifikation, zu hohe Erwartungen an historische Daten und das Erreichen verschiedener Ziele zur gleichen Zeit. In der Praxis äußern sich diese auf unterschiedliche Art und Weise und verlangen eben auch unterschiedliche Schritte zur Verbesserung von Asset-Allocation-Strategien.

Falsche Vorstellung von Diversifikation

Diversifizierung ist das einzige „Free Lunch“ im Finanzwesen, wie Harry Markowitz gesagt haben soll. Der Ökonom Scott Willenbrock (Quelle 1, siehe Nachweise weiter unten) schlägt allerdings vor, dass die Diversifizierung eher als das einzige "Free Desert" bezeichnet werden sollte, da es sich um die zusätzliche Rendite handelt, die bei gleichbleibendem Risikoprofil erzielt wird. Beide Autoren stimmen darin überein, dass die Diversifizierung generell einen Nutzen bringen kann und es daher wichtig ist, diesen genau zu messen.

Häufig besteht die Versuchung, den Grad der Diversifizierung eines Portfolios anhand der Anzahl der vorhandenen Investmentfonds zu beurteilen. Dies kann sehr irreführend sein und ein falsches Bild vermitteln, da weder die Korrelationen zwischen den einzelnen Vermögenswerten noch das marginale Risiko, das jeder Baustein zum Gesamtportfolio beiträgt, berücksichtigt werden.

Eine effektivere Methode zur Messung von Diversifizierung ist die Betrachtung des Risikobeitrags. Bei dieser Messung wird die Kapitalallokation unter Risikogesichtspunkten betrachtet. Zudem wird die Korrelation zwischen den Portfoliobestandteilen berücksichtigt. Das ist wichtig, denn obwohl zwei Bausteine im Portfolio gleich gewichtet sein können, ist ihr Beitrag zum Risiko unterschiedlich, insbesondere wenn es sich zum Beispiel um Aktien und Anleihen handelt.

So kann ein scheinbar "gut diversifiziertes" Portfolio aus der Perspektive der Gewichtung immer noch sehr konzentriert sein, wenn man es durch das Prisma des Risikobeitrags betrachtet. Aber es gibt auch andere mögliche Messgrößen wie etwa die Diversifizierungsquote (siehe Choueifaty und Coignard, 2008, Quelle 2) sowie die Anzahl der unkorrelierten Wetten (Meucci, Santangelo und Deguest (2015, Quelle 3).

Es ist notwendig, eine vollständige Risikoattribution des Portfolios vorzunehmen, um zu verstehen, woher die Risiken aus einer ganzen Reihe gemeinsamer Risikofaktoren stammen und wie diversifiziert das Portfolio wirklich ist. Nur wenn wir die zugrundeliegenden Rendite- und Risikotreiber vollständig verstanden haben und mit den eigenen Präferenzen in Einklang bringen, können wir ein wirklich diversifiziertes Portfolio aufbauen, das unseren Zielen entspricht. Der Versuch, eine Portfoliodiversifizierung zu erreichen, indem man in eine große Anzahl von Fonds investiert, wird wahrscheinlich kaum mehr als ein teures Markt-Beta-Portfolio ergeben.

 

Im Zusammenhang mit Diversifizierung sollte auch das Thema Überzeugung betrachtet werden. Es wird zu Situationen kommen in den Investoren eine kurzfristige Marktmeinung umsetzen wollen, insbesondere in taktisch ausgerichteten Anlagestrategien. Hierbei ist es wichtig eine nennenswerte Allokation in den Fonds vorzunehmen, welche diese Sichtweise am besten widerspiegeln. Anderenfalls kann die Investmentidee ihren Einfluss auf das Gesamtportfolio nicht entfalten. Wie genau die Aufteilung des Portfolios in die taktische und strategische Asset-Allokation erfolgt ist eine ganz andere Frage.

Grenzen des Erwartbaren und der Geschichte

Ein wichtiger Bestandteil der Vermögensallokation ist für viele Anleger die Erstellung von Kapitalmarkterwartungen, da diese häufig grundlegend für ihre Allokationsentscheidungen sind. Allerdings ist es schwierig, künftige Preise oder Renditen mit einem gewissen Maß an Genauigkeit vorherzusagen. Robert Merton (1980, Quelle 4) unterstreicht die Schwierigkeiten bei der Berechnung erwarteter Renditen anhand einer Zeitspanne realisierter Renditen, und Greenwood und Schleifer (2014, Quelle 5) betonen, dass die Erwartungen der Anleger im Allgemeinen hochgerechnet werden und künftige Renditen im Allgemeinen nicht gut vorhersagen.

Sicherlich wissen wir, dass die Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft ist, und angesichts der zitierten Studien stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, historische Informationen heranzuziehen. Nach Ang, Chen und Xing (2004, Quelle 6) können einige aufschlussreiche Informationen aus historischen Risikozahlen gewonnen werden.

Historische Daten zu verwenden, um Rückschlüsse auf die Zukunft zu ziehen, hat jedoch auch Nachteile. Allerdings lassen sich aus dem realisierten Risiko mehr Informationen ableiten als aus der realisierten Rendite. Der Grund dafür ist, dass die aktuelle Volatilität häufig eine starke Beziehung zu ihrer eigenen Vergangenheit aufweist (siehe Bollerslev, Engle und Wooldridge (1988, Quelle 7). Dieses als Volatilitätscluster bekannte Phänomen führt zu einer Kontinuität bei der Größenordnung von Preisänderungen. Für die Renditezahlen selbst lässt sich dagegen kein solcher Zusammenhang feststellen.