private banking magazin: Auf 24 Milliarden Schweizer Franken belaufen sich die Netto-Neugelder der Pictet-Gruppe im Pandemiejahr 2020. Hat die Bank von der Krise profitiert?
Armin Eiche: Auf die Corona-Krise hätten wir gerne verzichtet. Sie hat jedoch verstärkt Fehler im System aufgezeigt: Geschäftsmodelle, die bereits vor der Krise angeschlagen waren, leiden stark und werden in ihrer Existenz bedroht. Funktionsfähige Geschäftsmodelle überstehen die Krise hingegen besser. Wir als Bank sind 2020 nicht zuletzt auch deshalb sehr erfolgreich gewesen, weil Corona einige Trends beschleunigt hat, auf die wir uns bereits seit Jahren gut vorbereitet haben.
Woher kommen die starken Zuflüsse?
Eiche: Der Kern unserer Beratung liegt ausschließlich auf der Vermögensverwaltung. Durch diesen Fokus haben wir eine sehr solide Bilanz. Das kam uns zugute, weil sich Kunden gerade in schwierigen Marktphasen die Frage stellen: Wie solide ist eigentlich meine Bank? Aber auch unsere Investmentperformance war ein wesentlicher Grund für unsere Mittelzuflüsse.
Trotz Corona-Pandemie und Börsencrash kein Zögern beim Kunden?
Eiche: Zunächst waren sie natürlich verunsichert. Das hat sich aber mit der Rückkehr der Kapitalmärkte zu alten Niveaus wieder gelegt. Viele Kunden stehen derzeit jedoch vor einem Dilemma, das sich schon länger abzeichnet: Das gesamte historisch große Anlagesegment der festverzinslichen Wertpapiere bringt keine Rendite mehr. Zwei Drittel aller Anleihen weltweit liefern Erträge unter einem Prozent. Nach Abzug von Kosten, Inflation und Steuern bleibt ein negativer Ergebnisbeitrag.
Achim Siller: Zusätzlich sehen wir eine Asset-Inflation in den Märkten. Insbesondere im Immobiliensegment, aber auch an den Aktienmärkten steigen die Preise. Dadurch preisen die Märkte eine gewisse Asset-Inflation ein. Zugleich ändert sich die Welt, wie wir sie bisher kennen: Das bereits skizzierte Wegbrechen mancher Geschäftsmodelle, die teilweise vor einem Jahr noch intakt waren – zum Beispiel in der Gastronomie oder der Reisebranche – hat mitunter signifikante Auswirkungen auf die Portfolios. Denn unsere Kunden streben langfristig mindestens Kapitalerhalt an, der sowohl die Kosten, Steuern aber auch Inflation berücksichtigt. Das wird in den kommenden Jahren mit einer starken Gewichtung in Anleihen allerdings nicht zu schaffen sein. Daher diversifizieren sie stärker in alternative Investments, wo ein Großteil der Wertschöpfung durch aktives Management erzielt wird und erhöhen, zumindest moderat, ihre Aktienquoten. Ziel ist es, durch eine breitere Diversifikation und in Teilen durch längere Kapitalbindung, den langfristigen Kapitalerhalt sicherzustellen und nicht unnötig Risiken und Komplexität zu erhöhen, die in schwierigen Phasen kaum zu beherrschen sind.
Im Niedrigzinsumfeld befinden wir uns schon länger. Drückt das Thema den Kunden jetzt mehr?
Eiche: Einige Themen sind im Zuge der Pandemie entstanden und viele bestehende haben sich zum Teil massiv beschleunigt. Insofern ist vieles nicht neu, sondern nur präsenter geworden. Gemeinsam mit unseren Kunden diskutieren wir laufend, ob die aktuelle Aufstellung den Erwartungen noch entspricht. Aber wir sprechen auch darüber, welche Investitionen sich im aktuellen Umfeld anbieten und welche Themen sich zu großen Trends entwickeln, die unsere Zukunft nachhaltig verändern.
Welche Asset-Klassen stehen dabei im Vordergrund?
Siller: Private Equity bietet sicher Chancen, aber auch Immobilien und Hedgefonds bleiben weiterhin interessant. Da derzeit enorm viel Liquidität nach solchen Anlagen sucht, sind die Auswahl und der Zugang zu qualitativen Partnern entscheidend. Um ein mehr an Rendite nicht durch ein mehr an Risiko zu erkaufen, suchen wir Anlagen, die den Großteil der Erträge durch aktives Management erzielen. Wenn man die jeweilige Wertschöpfung im Detail analysiert, kann man durch unterschiedliche Ansätze gut im Portfolio kombinieren, so dass im Ergebnis eine sinnvolle Diversifikation entsteht. Diese hilft unseren Kunden, ihre Ziele zu erreichen, ohne Risiken und Komplexität unnötig zu erhöhen.
Risiken und Komplexität müssen im Gesamtportfolio gar nicht erhöht werden?
Eiche: Nein. Ich denke, man muss eine andere Sichtweise entwickeln. Der Risikobegriff wird transparenter. Es geht eher darum, wie man Risikobudgets von einem ins andere Segment verschiebt.
Siller: Anleihen gelten per se als sicher und die meisten anderen Anlageklassen als riskanter. Die zugrunde liegenden Daten sprechen teilweise jedoch eine andere Sprache: Simulationen zeigen, dass sich das Gesamtrisiko eines Portfolios nicht erhöht, wenn man statt in Anleihen in ausgewählte Hedgefonds investiert. Grundsätzlich will ein Investor mit Hedgefonds eine marktunabhängige Rendite erzielen. Wenn er das schafft, ist es im Zweifelsfall weniger riskant als sich heute eine zehnjährige Bundesanleihe ins Portfolio zu kaufen. Und der Anleger hat eine realistische Chance, einen positiven Ertrag zu erwirtschaften.
Wie vermitteln Sie dieses Umdenken dem Kunden?
Siller: Die Bereitschaft der Kunden, in Hedgefonds, Private Equity oder Immobilien zu investieren hat in den vergangenen Jahren bereits um einiges zugenommen. Entscheidend ist das gegenseitige Vertrauen, was viel mehr mit Zuhören als mit Überzeugen zu tun hat.
Eiche: Nicht zuletzt hat diese beschriebene breitere Aufstellung im Jahr 2020 hervorragende Ergebnisse erzielt. Private Equity, Immobilien und Hedgefonds haben die Portfolios stabilisiert und in der zweiten Jahreshälfte nennenswerte Beiträge geliefert.
Investoren in Deutschland begegnen Hedgefonds mit großer Skepsis und auch mit Unkenntnis. Was muss man dann aufzeigen?
Siller: Hedgefonds konzentrieren sich entweder auf sogenannte Relative-Value-Strategien, mit dem Ziel, langfristig stabile Erträge mit möglichst geringer Volatilität zu erzielen. Oder es kommen direktionale Strategien zum Einsatz, deren Ergebnis stark vom korrekten Erkennen der Trends abhängt. Entscheidend ist ein tiefes Verständnis der individuellen Strategien und ihrer Werttreiber sowie der Zugang zu den wirklich erfolgreichen Fonds. In Kombination lassen sich damit unterschiedliche Ansätze verwirklichen, von stark risikooptimierten Strategien mit stabilen Erträgen bis zu sehr chancenorientierten Portfolios. Ein gutes Beispiel für ein diversifiziertes Hedgefonds-Portfolio ist unser Mosaic-Dachfonds, der seit seiner Auflegung im Mai 1994 bis heute im Schnitt rund 6 Prozent Wertzuwachs pro Jahr erzielte.
Über die Interviewten:
Armin Eiche verantwortet als Chef von Pictet Wealth Management in Deutschland das hiesige Geschäft mit vermögenden Privatkunden. Vor seinem Wechsel zur Pictet-Gruppe im Juli 2011 war er in der erweiterten Geschäftsleitung des Deutsche Bank Wealth Management Deutschland tätig.
Achim Siller leitet das Portfoliomanagement bei Pictet Wealth Management in Deutschland. Für die Schweizer Vermögensverwalter-Bank arbeitet der CFA-Charterholder bereits seit 2011.