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Marktmeinungen „Größere Gerechtigkeit ist für die Wirtschaft gut“

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Michael Hasenstab: „Trend zur Deglobalisierung beschleunigt sich“

Michael Hasenstab, Investmentchef bei Templeton Global Macro

Die Menschen verlassen wieder ihre Wohnungen, essen in Restaurants, kaufen in den Innenstädten ein und fahren in den Urlaub: Das sorgt in den Sommermonaten für den dringend benötigten Optimismusschub. Gesundheitsrisiken und die aktuelle Wirtschaftskrise aber bleiben allgegenwärtig.

In den USA bestand zunächst die Hoffnung, dass sich viele Menschen nur vorübergehend arbeitslos melden. Doch müssen Firmen zum zweiten Mal schließen oder gar Insolvenz anmelden, besteht die Gefahr, dass Beschäftige länger als sechs Monate keine neue Arbeit finden. Die Geschichte zeigt, dass es lange dauern kann, bis die Arbeitslosenquote wieder das Niveau vor der Krise erreicht hat – nach der globalen Finanzkrise 2008 waren es in den USA mehr als sechs Jahre.

Zur Corona-Krise kommen geopolitische Risiken und Konflikte. Bereits vor der Covid-19-Pandemie war die Lage in vielen Ländern instabil. In den USA untergräbt die zunehmende Spaltung der Bevölkerung Zusammenhalt und Kompromissbereitschaft, die nötig wären, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Politische Polarisierung lässt sich auf der ganzen Welt beobachten. Daher wird es schwieriger, gemeinsame Lösungen für die tiefste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit zu entwickeln. Der erforderliche gute Wille, um nationale, aber auch internationale Herausforderungen anzugehen, fehlt oft.

Zudem dürfte sich der Trend zur Deglobalisierung beschleunigen, der sich bereits vor der Corona-Krise beobachten ließ. Länder legen ihren Fokus zunehmen auf Gesundheit, nationale Sicherheit und Inlandspolitik. Der sich verschärfende Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nur ein Beispiel für schwierige Handelsbeziehungen – ähnliche Fälle gibt es in aller Welt. Strukturelle Veränderungen hin zu inländischer Produktion und regionalen Lieferketten hätten gravierende Auswirkungen auf Weltwirtschaft und Finanzmärkte. 

Ed Perks: „Wirtschaftliche Erholung verläuft nicht gradlinig“

Ed Perks, Investmentchef bei Franklin Templeton Multi-Asset Solutions

Das Corona-Virus hat eine globale Rezession ausgelöst. Die US-Wirtschaft bleibt jedoch verhältnismäßig dynamisch. Der Aktienmarkt profitiert von der umfangreichen Unterstützung durch die US-Notenbank. Allerdings könnte die Wirtschaft bei weiter steigenden Infektionszahlen erneut einbrechen. Die Anleger sind dank fiskalischer und geldpolitischer Anreize derzeit eher optimistisch. Ihnen sollte aber bewusst sein, dass die wirtschaftliche Erholung nicht geradlinig verlaufen dürfte. Bei Rücksetzern könnte die Marktstimmung drastisch einbrechen.

Einige Branchen haben besonders von der Krise profitiert. Homeoffice und Online-Shopping bescherten Tech-Unternehmen einen Höhenflug. Wir erwarten, dass diese Trends selbst dann anhalten, wenn das Virus als unmittelbarer Impuls wegfällt. Tatsächlich treibt die Corona-Krise den Umbau der Wirtschaft voran. Wir rechnen damit, dass sich traditionelle Unternehmen nicht so rasch erholen, einige sogar vom Markt verschwinden werden. Neue, innovative Firmen könnten die Lücke füllen.

Die US-Präsidentschaftswahl im November macht Entscheidungen über die Fortsetzung staatlicher Hilfen für Verbraucher sowie Unternehmen kompliziert. Das angespannte politische Klima in den USA erschwert eine längerfristige Politik, sofern sie der einen oder anderen Partei einen Vorteil verschafft. Ein Risiko für Anleger ist, dass Ungleichheit und Populismus zu steigenden Steuersätzen und regulatorischer Aufsicht führen könnten.

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