Alternde Bevölkerung Lebensversicherern drohen Abflüsse in Billionenhöhe

Alexander Pusch ist einer der Autoren des Capgemini World Life Insurance Reports

Alexander Pusch ist einer der Autoren des Capgemini World Life Insurance Reports: „Eine älter werdende Gesellschaft erwartet auch von Versicherern mehr Unterstützung bei der Absicherung im Alter.“ Foto: Capgemini

Menschen werden im Schnitt immer älter. Die Vereinten Nationen sagen voraus, dass im Jahr 2050 ein Drittel der Weltbevölkerung über 50 Jahre alt sein wird. Dennoch fehlt den meisten Senioren ein Finanzplan für ein gutes Leben im Alter. Laut des „World Life Insurance Report 2023“ von Capgemini haben 60 Prozent der Personen über 65 Jahren keine professionelle Finanzberatung in Anspruch genommen, um sich auf den Ruhestand vorzubereiten oder ihr Vermögen zu übertragen.

Lebensversicherer müssen angesichts dieses demografischen Wandels mit erheblichen Kapitalabflüssen rechnen, die sich dann auch auf die Kapitalanlage auswirken. Derzeit besitzen Versicherungsnehmer ab 65 Jahren 40 Prozent des verwalteten Vermögens der Versicherer, was sich bei den 40 größten Lebensversicherern weltweit auf insgesamt 7,4 Billionen Euro beläuft. Bis 2040 sollen diese Vermögenswerte an die Begünstigten übertragen werden, wobei 71 Prozent an Personen im Alter ab 50 Jahren gehen werden.

Bedürfnisse der Verbraucher werden aktuell kaum erfüllt

Viele Menschen, die sich dem Ruhestand nähern, sind gezwungen, einen größeren Teil der finanziellen Verantwortung im Alter selbst zu übernehmen. Trotz dieser Bedingungen, die eine private Vorsorge notwendiger machen, sehen die Verbraucher ihren Bedarf an auf das Altern und die damit verbundenen Bedürfnisse und Kosten nicht durch entsprechende Produkte bei den Lebensversicherungen gedeckt.

Die Versicherungsnehmer nennen zusätzlich die Komplexität der Lebensversicherungsangebote und den geringen Bekanntheitsgrad (jeweils 39 Prozent) als größte Hindernisse, gefolgt von mangelndem Vertrauen (29 Prozent).

Erwartungshaltung als Chance für Versicherer 

Alexander Pusch, Analyst bei Capgemini und Mitautor der Studie, sagt: „Eine älter werdende Gesellschaft erwartet auch von Versicherern mehr Unterstützung bei der Absicherung im Alter. In Anbetracht der bis 2040 zu erwartenden massiven Kapitalabgänge und der damit verbundenen Bedrohungslage, liegen in den Erwartungshaltungen der Kunden auch große Chancen für zukünftiges Wachstum der Lebensversicherer.“

 

Dafür müssten Versicherer einen Weg finden, etwa durch innovative, personalisierte und vertrauensstiftende Vorsorgeprodukte. Auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die sich auf die Betreuung von Senioren spezialisiert haben, könnte Versicherern helfen, neue Services mit Mehrwert zu entwickeln und entsprechende Lücken bei Kompetenzen in ihren Kernbereichen zu schließen oder zu erweitern. „Die Versicherer, die frühzeitig ihr Geschäftsmodell adaptieren und ihre jetzigen und zukünftigen Kunden gezielt ansprechen, schaffen Vertrauen und schützen ihr Vermögen“, sagt Pusch.

Mehr Angebote für Wohlhabende notwendig

Um das verwaltete Vermögen zu schützen, empfehlen die Studienautoren, sich stärker um wohlhabende Kunden zu kümmern. Diese besitzen weltweit 39 Prozent des Vermögens und machen 20 Prozent der alternden Bevölkerung aus. Gleichzeitig habe dieses Segment den größten Bedarf an altersgerechten Lösungen: Mehr als 75 Prozent wünschen sich innovative Lebensversicherungsprodukte. Allerdings würden nur 27 Prozent der Versicherer über die fortschrittlichen Produktentwicklungskapazitäten verfügen, um diese anzubieten.

Ein Lösungsansatz sei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz: Zunächst sollten Versicherer ihre Daten konsolidieren, um eine einheitliche Sicht auf die Kunden zu erhalten. Mithilfe der KI können die Berater anschließend personalisierte Beratung anbieten. Hier gibt es jedoch ebenfalls Nachholbedarf: Nur 21 Prozent der Versicherer besitzen entsprechende Tools für die moderne Datenanalyse und lediglich 19 Prozent nutzen Technologie, um Abläufe zu rationalisieren oder schnellere, datengesteuerte Entscheidungen zu treffen.

Über die Studie

Der World Life Insurance Report 2023 stützt sich auf Daten aus zwei Primärquellen, der 2023 Global Insurance Voice of the Customer Survey und den 2023 Global Insurance Executive Interviews. Zusammengenommen deckt diese Primärforschung Erkenntnisse aus 23 Märkten ab. Im Rahmen der Voice of the Customer Survey, die im Mai und Juni 2023 in Zusammenarbeit mit Phronesis Partners durchgeführt wurde, wurden 6.775 Versicherungskunden im Alter von über 50 Jahren in 20 Ländern befragt. Der Bericht enthält auch Erkenntnisse aus Interviews mit 200 leitenden Angestellten führender Versicherungsunternehmen in 14 Märkten.


Die komplette Studie auf Englisch finden Sie hier

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